"From Dance to Danger":
Meta attackiert Tiktok mit Schmutzkampagne
Meta hat ein TikTok-Problem: Der Facebook-Mutterkonzern hat eine Agentur damit beauftragt, eine Schmutzkampagne gegen Tiktok zu starten. Der Mitbewerber sollte als Gefahr für Kinder dargestellt werden.
Medienberichten aus den USA zufolge hat der Facebook-Mutterkonzern Meta eine Agentur damit beauftragt, schlechte Nachrichten über den Rivalen TikTok zu verbreiten. Die Washington Post berichtete als erste, nun bestätigten auch andere US-Medien. Bei der Agentur handelt es sich um die Firma "Targeted Victory", einem den konservativen Republikanern nahestehenden Beratungsunternehmen. Im Zentrum der Schmutzkampagne stand, TikTok mit Claims wie "From Dance to Danger" als Gefahr für Kinder und die Bevölkerung der USA darzustellen.
Die Kampagne umfasst die Platzierung von Meinungsbeiträgen und Leserbriefen in den wichtigsten regionalen Nachrichtenagenturen, die Verbreitung dubioser Geschichten über angebliche TikTok-Trends wie Vandalismus oder Aufrufe Lehrer zu schlagen, obwohl auf der Plattform gar keine entsprechenden Aufrufe kursierten, sondern ausgerechnet auf Facebook entstanden sind. Auch wurden Briefe angeblich besorgter Eltern an Zeitungen geschickt und politische Reporter:innen und Lokalpolitiker:innen angeworben, den größten Konkurrenten zu verleumden. Taktiken, die in der amerikanischen Politik schon lange gang und gäbe sind, sind nun also auch in der Welt der Technologiekonzerne angekommen.
Es geht um kulturelle Relevanz
Es geht hierbei nicht nur um Geld, sondern auch um kulturelle Relevanz. Facebook wurde bereits vor elf Jahren dabei ertappt, eine PR-Agentur beauftragt zu haben, die Geschichten über Googles fragwürdige Datenschutzpraktiken verbreiten sollten. Nun also TikTok. Denn Metas Plattformen wie Facebook und Instagram verlieren zunehmend an Bedeutung vor allem bei den jüngeren Zielgruppen. Die App des chinesischen Konzerns Bytedance hingegen ist schon seit ein einiger Zeit auf Platz Eins der am meisten heruntergeladenen Apps in den USA.
Targeted Victory muss "die Botschaft vermitteln, dass Meta zwar der aktuelle Sandsack ist, TikTok aber die wahre Bedrohung darstellt, vor allem weil es sich um eine App aus dem Ausland handelt, die die Nummer Eins bei der Weitergabe von Daten ist, die junge Teenager nutzen", schrieb ein Direktor der Firma in einer E-Mail vom Februar. Gleichzeitig sollte von den der Kritik bezüglich Datenschutz und Kartellrecht gegen Meta selber abgelenkt werden und sich um positive Berichterstattung über den Konzern in lokalen Zeitungen, Radiobeiträgen und Fernsehsendungen, einschließlich der Einreichung von Briefen und Meinungsbeiträgen, bemüht werden. "Ein Bonuspunkt, wenn wir dies in eine breitere Botschaft einbauen können, dass die aktuellen Gesetzesentwürfe/Vorschläge nicht das sind, worauf sich [die Generalstaatsanwälte] oder die Mitglieder des Kongresses konzentrieren sollten", schrieb ein Mitarbeiter von Targeted Victory in Emails, die der Post vorliegen.
Targeted-Victory-CEO: "Wir sind stolz auf die geleistete Arbeit."
Targeted Victory bestätigte auf Anfrage, für Meta gearbeitet zu haben, und bestritt nicht, negative Informationen über Tiktok verbreitet zu haben, wollte sich jedoch nicht zu den nun bekannt gewordenen Informationen äußern. Auch Meta bestätigte, Targeted Victory angeheuert zu haben. "Wir sind der Meinung, dass alle Plattformen, einschließlich TikTok, einer Prüfung unterzogen werden sollten, die ihrem wachsenden Erfolg entspricht", sagte Meta-Sprecher Andy Stone in einer Erklärung.
Targeted-Victory-CEO Zac Moffatt sagte, das Unternehmen "managt überparteiliche Teams im Auftrag unserer Kunden. Es ist allgemein bekannt, dass wir seit mehreren Jahren mit Meta zusammengearbeitet haben, und wir sind stolz auf die geleistete Arbeit", sagte er in einer Erklärung. Auf Twitter schreibt er, die Arbeit werde im Bericht der Washington Post jedoch falsch dargestellt.
Unter anderem arbeitete die Beratungsfirma daran, die negative TikTok-Berichterstattung durch ein Dokument mit dem Titel "Bad TikTok Clips" zu fördern, das intern geteilt wurde und Links zu zweifelhaften lokalen Nachrichtenberichten enthielt, in denen TikTok als Ursprung gefährlicher Jugendtrends genannt wurde. Lokale Agenten, die wiederum mit Targeted Victory zusammenarbeiten, wurden beauftragt, diese angeblichen TikTok-Trends in ihren eigenen Märkten zu verbreiten, um Druck auf die Gesetzgeber auszuüben, damit diese handeln.
Manche der Trends entstanden in Wirklichkeit auf Facebook
Mit Erfolg. Ein Trend, den Targeted Victory versuchte zu fördern, war die "devious licks"-Challenge, die dazu aufrief, Schuleigentum zu vandalieren. Über das "Bad TikTok Clips"-Dokument wiederum sollten lokale Medien in Massachusetts, Michigan, Minnesota, Rhode Island und Washington D.C. über die Challenge informiert werden. Dieser Trend veranlasste Senator Richard Blumenthal im September dazu, einen Brief zu schreiben, in dem er die TikTok-Führungskräfte aufforderte, vor einem Unterausschuss des Senats auszusagen, und in dem es hieß, die App sei "wiederholt missbraucht und missbraucht worden, um Verhalten und Handlungen zu fördern, die schädliche und zerstörerische Handlungen begünstigen". Laut einer Untersuchung von Anna Foley vom Podcast-Netzwerk Gimlet verbreiteten sich die Gerüchte über die Herausforderung der "devious Licks" jedoch zunächst auf Facebook und nicht auf TikTok.
Im Oktober arbeitete Targeted Victory daran, Berichte über die angebliche "Slap a teacher"-Challenge und einen Vorfall dazu auf Hawaii zu verbreiten. In Wirklichkeit gab es weder die Challenge auf TikTok, noch einen solchen Vorfall. Auch dieser Trend entstand ursprünglich auf Facebook.
Erfundene wie nicht-erfundene Trends und reale Sorgen
In die Verbreitung von erfundenen wie nicht-erfundenen schädlichen Trends, mischte die Schmutzkampagne auch begründete Zweifel an der App wie etwa Fragen zu den Eigentumsverhältnissen und der Weitergabe von Daten. So erschien am 12. März in der Denver Post ein Leserbrief von einem "besorgten Elternteil", in dem es darum ging, dass TikTok der psychischen Gesundheit von Kindern schade, sowie um Bedenken über die Datenschutzpraktiken und sagte, dass "viele Leute sogar vermuten, dass China absichtlich Verhaltensdaten über unsere Kinder sammelt". Der Brief unterstützte auch die Entscheidung des Generalstaatsanwalts von Colorado, Phil Weiser, sich einer Koalition von Generalstaatsanwälten anzuschließen, die die Auswirkungen von TikTok auf amerikanische Jugendliche untersuchen und damit politischen Druck auf das Unternehmen ausüben.
Ein sehr ähnlicher Leserbrief, verfasst von Targeted Victory, erschien am selben Tag im Des Moines Register. Der Artikel verlinkte auf negative Berichte über TikTok, die Targeted Victory zuvor zu verstärken versucht hatte. Der Brief wurde von Mary McAdams, der Vorsitzenden der Ankeny Area Democrats, unterzeichnet. Targeted Victory lobte McAdams' Referenzen in einer E-Mail vom 7. März.
"Der Name von McAdams auf diesem Brief wird bei Gesetzgebern und Interessenvertretern viel Gewicht haben", schrieb ein Direktor von Targeted Victory. In der E-Mail wurden die Partner in den anderen Bundesstaaten aufgefordert, nach Möglichkeiten zu suchen, sich der Kampagne anzuschließen, "vor allem, wenn sich Ihr Bundesstaat plötzlich der Kampagne anschließt".
"Marketinglösungen rechts der Mitte"
Targeted Victory wurde von Zac Moffatt, einem Berater in Mitt Romneys Präsidentschaftskampagne 2012, als republikanisches digitales Beratungsunternehmen gegründet. Das Beratungsunternehmen arbeitet bereits seit Jahren für den Social-Medie-Riesen und unterstützte Facebook auch bei bei der Kongressanhörung nach der Wahl 2016. Das Unternehmen wirbt auf seiner Website damit, dass es "eine Perspektive von rechts der Mitte zur Lösung von Marketingherausforderungen" bietet und Außendienstteams "überall im Land innerhalb von 48 Stunden" einsetzen kann. Gleichzeitig gehört die Agentur zu den größten Empfängern republikanischer Wahlkampfausgaben und verdiente nach Angaben von OpenSecrets im Jahr 2020 mehr als 237 Millionen Dollar. Die größten Zahlungen kamen von nationalen GOP-Kongressausschüssen und America First Action, einem Pro-Trump-Super-PAC.