
Norbert Möller und Katie Taylor:
Merck-Logo: "Eine Provokation für Designer-Bashing"
Wie gelungen ist das neue Corporate Design von Merck? Die Logo- und Designkritik von Norbert Möller, Peter Schmidt Group und Katie Taylor, Brand Union Germany.
"Ach du lieber Himmel..", "Toys'R'Us?", "viele, viele bunte Smarties" oder auch "ganz, ganz entsetzlich". Kommentare wie diese legen nah: Das neue Corporate Design des Chemie- und Pharmakonzerns Mercks hat zumindest unter den W&V-Followern auf Facebook keine Fans.
Das Traditionsunternehmen hat seinem Erscheinungsbild eine radikale Verjüngungskur verordnet, um den Wandel zum "Wissenschafts- und Technologiekonzern" auch visuell zu verkünden. Wie gelungen ist der neue Auftritt? Und erfüllt er seinen Zweck?
W&V Online hat zwei Designexperte um eine Logo- und Designkritik gebeten: Norbert Möller*, Executive Creative Director der Peter Schmidt Group und Katie Taylor*, Executive Creative Director, Brand Union Germany.
"Eine einzige Provokation für Designer-Bashing "
von Norbert Möller
Ich hätte mich ja gefreut, mal wieder eine rundum positive Logokritik schreiben zu können, aber beim neuen Merck-Logo lässt sich dieser Wunsch leider nicht erfüllen. Hier wurde tatsächlich alles zusammengeworfen, was Trend ist oder irgendwann einmal Trend war: Eine bizarre Schrift. Ein Logo, das sich in diese Schrift einfügt, genauso sperrig ist und beliebig befüllt werden kann. Laute Farben, fluide Gestaltung, Cut outs, Collagen – alles zusammen in einem schreienden Design vereint und mit einem Blick durch das Mikroskop hergeleitet. Ich verzichte freiwillig auf eine Detailanalyse, und stelle mir stattdessen die Frage, wie es zu diesem neuen Design kommen konnte.
Ich kann die Hintergründe der Veränderung verstehen: Merck ist mehr als ein Pharmakonzern; die Flüssigkristalle, die das Unternehmen produziert, stecken in vielen Devices der digitalen Welt und machen einen Großteil des Geschäfts aus. Es mag also vordergründig logisch sein, dass auch das Design diese digitale Expertise stärker kommunizieren soll. Mit Elementen, die man gemeinhin als "digital" assoziiert. Aber: Muss man wirklich mit allem brechen, was vorher war? Das Unternehmen war ja bislang durchaus erfolgreich – warum will man sich von diesem Erfolg so entschieden distanzieren? Oder will man einfach lauter schreien, als der gleichnamige Konzern in den USA, um mit diesem nicht verwechselt zu werden?
Hinzu kommt, dass ich mich frage, welche Zielgruppe adressiert werden soll: Die Marke Merck begegnet dem Endkunden selten, sie ist eher im B2B-Geschäft zuhause. Dort sind Hightech-Anspruch, Ausgereiftheit und Verlässlichkeit mit Sicherheit wichtigere Werte, als der Hipness-Faktor. Und wie wirkt das neue Design wohl auf Mitarbeiter und Bewerber? Möchte sich Merck bei diesen als "coole Marke" positionieren? Wenn ja, so greift dieser Gedanke zu kurz, denn die vermeintlichen "Traumarbeitgeber" Google und Apple schreien allesamt nicht mit ihrem Corporate Design: Was hier überzeugt, ist die Kommunikation der Arbeitskultur und der Produkte.
Viele offene Fragen also. Und viele Aspekte, bei denen die Analyse sicher richtig war, die Umsetzung jedoch viel zu kurz greift. Daher: Souveränität in der Markenführung sieht anders aus.
"(Mikroskopischer) Moment der Peinlichkeit"
von Katie Taylor
Mir fehlen die Worte. Entsetzlich. Furchtbar. So die Reaktionen meiner Kollegen.
Ich finde, es ist eine Mischung aus ein bisschen Waldorf, ein Hauch Wolff Olins London 2012 und eine Prise von Landors Corporate Identity für Melbourne. Kultivierter ausgedrückt, könnte man die Formen als anthroposophisch bezeichnen oder alternativ als kindisch und plump. Und ich frage mich: repräsentiert dieses Rebranding wirklich den von Merck intendierten „Wandel zum globalen Wissenschafts- und Technologieunternehmen"? Ist diese schrille Weleda-ähnliche Mischung wirklich das, was in 2015 für „jung und eye-catching“ steht.
Die grundlegende Idee – die formenreiche und bunte Welt unter einem Mikroskop – klingt inspirierend, aber überzeugt mich nicht. Aus meiner Sicht wird diese Story Merck ein paar nette Headlines bringen, aber letztendlich wird es hoffentlich nur ein (mikroskopischer) Moment der Peinlichkeit in der 350-jährigen Geschichte des Unternehmens sein.
*Über die Autoren:
Katie Taylor ist Executive Creative Director bei der Branding- und Designagentur Brand Union Germany. Die Neuseeländerin blickt auf mehr als 18 Jahre Erfahrung in internationalen Agenturen und Unternehmen zurück. Zu Stationen ihrer beruflichen Laufbahn gehören neben Landor Associates auch MetaDesign, Greenspace und Radley Yeldar in London. Ihre Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, einige sind im Museum für Gestaltung in Zürich ausgestellt.
Norbert Möller studierte Visuelle Kommunikation an der HfBK Braunschweig. Ab 1987 war er als Corporate Designer bei WirDesign beschäftigt, bevor er 1992 zur Peter Schmidt Group wechselte. Hier war er zunächst als Art Director, dann als Geschäftsleiter Creation, von 1999 bis 2003 als Geschäftsführer und seit 2003 als Executive Creative Director für den Bereich Corporate Design tätig. Norbert Möller hat die Entwicklung des Bereichs Corporate Design bei der Peter Schmidt Group entscheidend geprägt.