Medientage München: Macht Print nicht so kaputt!
Burda-Vorstand Philipp Welte fordert die Verleger auf den Medientagen München auf, Print nicht so zu destruieren. Derweil arbeitet die "WAZ" am Relaunch von DerWesten.de.
Was sind denn nun die Ansprüche und Aufgaben in digitalen Welten? Eine eindeutige Antwort vermag der Publishing-Gipfel auf den Medientagen München nicht geben. Burda-Vorstand Philipp Welte bricht vorweg eine Lanze für das immer noch funktionierende Zeitschriftenlager. Was ihn dabei wütend macht: Dass das eigene Printlager so schlecht über Print spricht, das Bestehende schlechter darstellt als es ist.
Welte beschwört die nach wie vor großen Umsätze bei den Zeitschriften. „Wir sind keine Honks und bedrucken nur tote Bäume“, so Welte. Es gehe um die journalistische Qualität, die Information – auch in einer digitalen Welt würden Menschen noch danach suchen,. „Wir müssen aufhören, uns gegenseitig zu destruieren!“, fordert Welte. Denn vor dem Tor stünden King-Kong und Godzilla (er meint wohl Google und Co)– die Branche müsste zusammenstehen, sich zusammentun. Innovation und Qualität seien die Strategie für die Zukunft der Verlagshäuser. Man müsse in gute neue Ideen investieren.
Ein Tipp kommt von „NZZ“-Digital-Mann Peter Hogenkamp aus der Schweiz: Es müsse ein neuer Typ Tageszeitung kommen, ein Blatt, das in Bewegung sei, das auf allen Kanälen präsent sei. Intelligente ePapers in HTML5 könnten auf allen digitalen Endgeräten gelesen werden. Und: Das iPad sei zwar ein Meilenstein, aber andere Endgeräte dürften nicht links liegen gelassen werden.
Michael Ebert, Chefredakteur von „Neon“, will ebenso Print nicht verloren geben. Er nennt die „gute Idee“ als Nukleus für erfolgreiche neue Printprodukte – junge Zeitschriften wie „Grazia“, „Landlust“ oder auch „InTouch“ seien genau auf bestimmte Bedürfnisse ausgerichtet. Ebert hat bereits umfangreiche Erfahrungen mit einer Online-Community - „Neon“ wird seit Start vor acht Jahren von einer begleitet. Sein Appell: "Denkt nicht in einzelnen Titeln, sondern in Marken!"
Dass Internet und Social Media die Verlagsarbeit heute prägen, muss "WAZ"-Chefredakteur Ulrich Reitz registrieren. Er erzählt, dass User in den WAZ-Foren Mathias Döpfners Offerte für Teile der WAZ-Gruppe nicht gut gefunden hätten. Sie würden nicht wollen, ein Blatt aus einem Haus zu bekommen, das „Bild“ herausgibt – so der Tenor im Netz. Reitz gibt zu, dass die „WAZ“ Abonnenten verloren hat durch den Ruch der Springer-Übernahme. „Ich vermute dahinter schon ein Stück weit Strategie“, sagt Reitz. Auf der Geschäftsseite konzentriert sich Reitz auf das, was die „WAZ“ anschieben möchte. Eine der Optionen sei durchaus eine Pendlerzeitung für das Ruhrgebiet – ein Projekt, das aus seiner Sicht in der Schweiz zwar angeschoben, aber nicht richtig umgesetzt wurde. Und eben wieder Print.
Mit DerWesten.de ist Reitz zwar zufrieden – die Web-Offerte kratzt an der Zehn-Millionen-Clicks-Grenze. Nun steht ein Relaunch an: Dabei sollen die stark nachgefragten Interessen Fußball und Städte noch stärker bedient werden. Seit einem Jahr wird daran gearbeitet, Ende Oktober soll der neue DerWesten.de live gehen. Folgen sollen zum Jahresende neue Einzelportale für „WAZ“-Blätter wie „WestfälischeRundschau.de“, die dann auf DerWesten.de einzahlen. Hier kommt die Erkenntnis durch, dass die User nicht über die Dachmarke ins Angebot einsteigen, sondern über die Suche nach ihren bekannten Lokalblättern.
Wie Online-Redaktionen der Verlagshäuser aufgestellt sein sollten, sagt der neue Süddeutsche.de-Chefredakteur Stefan Plöchinger: „Wir sind ganz anders organisiert und aufgestellt als die Printleute.“ Die Seite schreibt mittlerweile schwarze Zahlen. Aber an nachhaltige Umsätze aus Bezahlinhalten – daran mag Plöchinger nicht glauben. „Es wird ein großes Puzzle, wie wir künftig Medien finanzieren“, so der Onliner aus München. Es sei derzeit ein guter Zeitpunkt zu testen, womit Verlage künftig ihr Geld verdienen können.
Zur Info: In seiner Rede zum jetzt Publishing-Gipfel titulierten Print-Event mahnt Bayerns Staatskanzleichef Marcel Huber an, den Klageweg der Verleger gegen die „Tagesschau“-App der ARD zu überdenken – nachdem schon der Kadi das Gespräch beider Parteien empfohlen hat. Laut BDZV-Präsident Helmut Heinen sollen Ende November Gespräche mit der ARD geführt werden. Es geht ihm vor allen um die „presseähnlichen“ Produkte der Öffentlich-Rechtlichen, die aus Verlegersicht Printmedien und deren Online-Auftritte bedrängen.