Markenberater stimmt Til Schweiger zu: "Tatort"-Vorspann entstauben
Die meisten haben sich darüber empört, dass der neue "Tatort"-Kommissar Til Schweiger den Vorspann der Kult-Krimis in Frage stellt. Markenkenner Tammo F. Bruns hat sich darüber Gedanken gemacht und kommt zu dem Fazit: Ein Relaunch des "Tatort"-Intros macht Sinn.
Schon vor Start im Ersten hat Krimi-Neuzugang Til Schweiger seine "Tatort"-Kollegen empört, weil er den Vorspann der beliebten Reihe abschaffen will. Der gewohnt vorlaute Schweiger bezeichnet das Jahrzehnte alte Erkennungszeichen mit dem Fadenkreuz als "outdated", "dämlich" oder auch "Sch...e". Mitermittler in der ARD wie die dienstälteste Kommissarin Ulrike Folkerts alias Lena Odenthal - seit 1989 Kommissarin im "Tatort"-Ludwigshafen – wollen aber nicht am Kult rütteln.
Jetzt meldet sich ein Markenkenner zu Wort und meint: Warum das Intro nach 40 Jahren nicht doch auffrischen? Hier die Thesen von Tammo F. Bruns, Geschäftsführender Gesellschafter der integrierten Markenagentur Kleiner und Bold GmbH aus Berlin:
Dass der neue TV-Kommissar Til Schweiger den Vorspann des "Tatort" in Frage stellt, ist aus meiner Sicht in Ordnung und berechtigt. Das 1970 in München gedrehte Intro stimmt seit inzwischen 40 Jahren auf die ARD-Krimi-Reihe ein. Aber Tradition bürgt nicht gleichzeitig für Vernunft. Alle Marken – vor allem aber digitale und animierte Formate – durchlaufen einen stetigen Wandel in ihrer Darstellung. Das Senderdesign der ARD und des ZDF wurden mehrfach geändert, ebenso wie die Nachrichtenformate "Tagesschau" und "heute journal". Das sind Denkmäler deutscher Fernsehgeschichte, vergleichbar mit dem Vorspann der "Tatort"-Serie. Bei ersteren ist die zeitgemäße Anpassung gewollt und sinnvoll, und die jeweilige Identität und Bedeutung ist dabei auch nicht verloren gegangen.
Warum also diese Angst vor Veränderung beim "Tatort"-Vorspann? Interessant ist die Randnotiz in einem Urteil des Oberlandesgerichts München aus dem Februar 2011. Dort hatte die Gestalterin des besagten Vorspanns – Kristina Böttrich-Merdjanowa - auf Nachvergütung und Namensnennung geklagt. Sie ist damit gescheitert. Bemerkenswert ist die Begründung des Richters: "Das Publikum schaut sich den Kriminalfilm nicht an, weil es den Vorspann sehen will", sagt er und betont, dass der Erfolg der ARD-Reihe "nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Vorspann" stehe. Warum also die Aufregung? Dann sollte es doch leicht sein, das Intro den heutigen Sehgewohnheiten anzupassen. Die Rezeption und die Erwartung der Zuschauer haben sich in den vergangenen 20 Jahren nämlich massiv geändert und sie wollen – solange sie überhaupt noch vor dem TV-Gerät sitzen – etwas anderes sehen als vor 40 Jahren.
Natürlich muss man bei einem möglichen Relaunch aufpassen und behutsam umgestalten – ein neuer Vorspann muss erkennbare Spielelemente des bestehenden aufnehmen und diese interpretieren. Für Markenberater und -gestalter ist das gängige Praxis. Die heutigen Logos und Schriftzüge großer und alter Marken wie Shell, Opel, Nivea oder Mercedes sehen anders aus als vor 50 Jahren, die Marken aber bleiben erkennbar und prägend. Marken verändern sich mit ihrer Zeit. Sie müssen es sogar tun, um relevant zu bleiben - vor allem für die nachrückenden jüngeren Zielgruppen. Wandlung bei gleichzeitiger Wiedererkennung: Dieser Aufgabe sollte sich der ARD-"Tatort" als beliebteste deutsche Krimiserie stellen.