Manipulierte Shitstorms?: Wie Unternehmen bei diesem Verdacht reagieren sollten
Fast 90.000 Likes in nicht mal 48 Stunden - Shitstorms über Marken nehmen neue Dimensionen an. Social-Media-Experten fragen sich nun, ob diese natürlich so anwachsen - oder manipuliert sind. Kommunikationsberater Christian Henne erklärt, wie Unternehmen auf Shitstorms reagieren sollten, die im Verdacht stehen, gekauft worden zu sein.
Mehr als 100.000 Likes erhielt ein Hamburger Schüler, der das ProSieben Wissensmagazin "Galileo" auf Facebook übelst beschimpfte. Ähnlich vielen gefiel der Eintrag einer frustrierten Vodafone-Kundin auf dem Facebook-Auftritt des Konzerns Anfang August. Und auch die Burger-Kette McDonald's sieht sich gerade einem Shitstorm enormen Ausmaßes ausgesetzt: Kevin M. Kolkmann prangert im Netzwerk die Preiserhöhung des Cheeseburgers an. Dieser Usereintrag hat in nicht mal 48 Stunden nach seiner Veröffentlichung knapp 80.700 Likes und zieht knapp zwei Tage danach noch etwa drei bis vier Likes pro Minute. Da liegt die Frage nah, ob da alles mit rechten Dingen zugeht.
Kai Thrun hat in einem Blogeintrag die Kommentarverteilung der beiden Shitstorms analysiert. Er zieht das Fazit, dass es "einfach zu viele Parallelitäten gibt, dass es sich hier um wirkliche Kundenanstürme der Entrüstung handelt". Thrun wie auch der Münchner Kommunikationsberater Christian Henne finden es zudem verdächtig, dass die Shitstorms so aus dem Nichts kamen: Erst nach mehreren zehntausenden Likes auf die jeweiligen Ursprungsposts wurde die Social-Media-Szene darauf aufmerksam. Wie aber sind dann so schnell so viele Nutzer auf diesen Post aufmerksam geworden?
Facebook äußert sich bisher nicht zu den Fällen. Obwohl das Netzwerk großes Interesse an der Aufklärung haben sollte, sind doch Unternehmen wie McDonald's wichtige Werbekunden. Das meint auch Christian Henne. Auf dem Facebook-Auftritt seiner Agentur schreibt er: "Als betroffenes Unternehmen würde ich mein Advertising auf Facebook sofort stoppen. Ich würde nicht wollen, dass mich da im Moment jemand wahrnimmt."
Was aber soll ein Unternehmen bei einem Shitstorm machen, der offenbar manipuliert ist? Diese Frage hat "W&V Online" an Christian Henne gerichtet. Henne hält in diesen Fällen nichts von starren Verhaltensregeln. "Ich würde betroffenen Unternehmen raten, nicht sofort mit einem eigenen Posting auf Facebook zu reagieren. Das schafft nur zusätzliche Reichweite bei herrschender Unklarheit. Sondern diese wirklich ungewöhnliche Situation so gut wie möglich zu analysieren: Wer hat dieses Posting erstellt, ist das ein Klarname, wie lang ist der User angemeldet, woher kommen die Likes dafür." Im Zuge dessen sei es sinnvoll den Kontakt zu Facebook suchen, ob diese das irgendwie einordnen können, so Henne. Denn denkbar wären etwa auch Änderungen am Facebook Algorithmus. "Ziel muss es sein – wie es auch Vodafone gemacht hat- den Kontakt zum Nutzer herzustellen und das Thema im Hintergrund erstmal zu klären. Für offizielle Reaktionen und Statements braucht es erstmal das Wissen um die Fakten. Bei manipulierten Likes oder Algorithmus-Änderungen wären die ganzen Standard-Rezepte eh wenig wert. Im Falle vom McDonalds halte ich die Richtigstellung der Fakten durch eine knappe offizielle Reaktion aber für richtig", sagt Henne.
Interessant sei aber auch, dass das Löschen der Postings, wie es bei "Galileo" erfolgt ist, ähnlich überschaubare Reaktionen ausgelöst habe wie die offiziellen Statements durch Vodafone und McDonald's. "Es scheint fast egal, wie die Unternehmen reagieren und es wirkt, als würde der Shitstorm zumindest von außerhalb der Fanbase befeuert werden. Dass ab einer gewissen Like-Menge viele einfach aufspringen, scheint mir denkbar. Die aktuellen Kommentare und Likes scheinen echt. Die Frage ist, wie Nutzereinträge diese öffentliche Wahrnehmungssschwelle erreichen. Und warum dies genau einen Post betrifft, während der Rest normal ist". Henne ist überzeugt: "Dass es Like-Buying für Fan-Pages gibt, ist ja schon bekannt. Dies für einzelne Postings zu tun scheitert ganz sicher nicht an technischen Hürden."