
ZDF:
Mainz bleibt Mainz sorgt für unerwarteten Viralhit
Der traditionellen Mainzer Fassenachtssitzung Mainz bleibt Mainz fehlten zwar die Fernsehzuschauer, aber sie sorgte für viel Buzz im Netz. Das lag vor allem an Obermessdiener Andreas Schmitt, der gegen die AfD wetterte.
Nach dem Terroranschlag von Hanau gab es durchaus Stimmen, die für den Ausfall der im ZDF übertragenen TV-Sitzung "Mainz bleibt Mainz" plädierten. Unterstützung erhielten die Narren allerdings von oberster Stelle. Ministerpräsidentin Malu Dreyer sprach sich für die Veranstaltung aus: "Die Rechtsextremen wollen unser Leben und unsere Demokratie erschüttern. Diese Macht werden wir ihnen nicht geben."
Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht, so der vollständige Titel, war dann auch ungewöhnlich politisch - in mehr als einer Rede ging es um die Solidarität der demokratisch Gesinnten und die Abgrenzung zur AfD.
Die große virale Wirkung war aber vor allem einem zu verdanken: Andreas Schmitt, dem "Obermessdiener am Hohen Dom zu Mainz", der auch im echten Leben für die katholische Kirche tätig ist, als EDV-Admin beim Bistum Mainz. Er nahm sich am Freitagabend mal wieder die Rechten vor und wetterte auch gegen die AfD. Das brachte dem Sitzungspräsidenten der vom ZDF übertragenen TV-Sitzung im Kurfürstlichen Schloss Ovationen ein. In den Folgestunden wurde die Rede zum Internet-Klickhit. Schmitt ist für die SPD im Stadtrat von Nieder-Olm, zehn Kilometer südlich von Mainz.
Als "Obermessdiener" sagte er an die Adresse von Neonazis: "Die Morde von Hanau, die Schüsse auf die Synagoge in Halle - ob Juden, Christen, Muslime, das war ein Angriff auf alle. Wir leben hier zusammen, die Demokratie wird triumphieren, dieses Land werdet ihr niemals regieren."
Zunächst hatte Schmitt gesagt, jede Fußballmannschaft habe ihre Seniorenmannschaft, "die alten Herrn". Auch Parteien haben sowas, führte er aus, "bei der AfD denkt so mancher, dort war's die SS". "Wie ich denen ihren Bundesreichsparteitag im Fernseh betracht, da hätt Leni Riefenstahl auch noch einen Film draus gemacht."
Gegen Gauland und Co. sagte Schmitt außerdem: "Demokratie beibringen, den Pommeranze, eher lernste ne Wildsau Lambada tanze."
Er habe eine Botschaft, redete sich der Büttenredner in Rage: "Die Demokratie, die werden wir schützen, eure Gesinnung wird euch nix nützen. Unsere Kinder werden nicht mehr für euch erfrieren, auf keinem Schlachtfeld mehr krepieren, und auch nicht kämpfen bis zuletzt, während ihr euch in den Führerbunker setzt. Sie vor euch zu schützen ist erste Bürgerpflicht, Mainz ist weltoffen, ihr nehmt uns die Freiheit nicht. Solltet ihr für jedes Naziopfer eine Schweigeminute gestalte, müsstet ihr 38 Jahr' lang eure Schandmäuler halte. Es war millionenfacher Völkermord, ihr braunen Wichte, und kein Vogelschiss der deutschen Geschichte. Die Morde von Hanau, die Schüsse auf die Synagoge in Halle - ob Juden, Christen, Muslime, das war ein Angriff auf alle. Wir leben hier zusammen, die Demokratie wird triumphieren, dieses Land werdet ihr niemals regieren."
Für seine Worte gab es in den Stunden danach viel Lob bei Twitter. Der Youtuber Rezo etwa schrieb: "Wenn die Lines an Karneval mehr hitten als die Lines der halben Deutschrap-Szene. Nicer Typ."
Jan Böhmermann teilte einen Clip mit der Rede auf seinem Twitter-Account, der Autor und Moderator Micky Beisenherz twitterte: "Wie absolut verrückt diese Zeiten sind, erkenne ich daran, dass ich plötzlich anfange, Büttenreden zu teilen." Auf den Tweet eines Nutzers ("Tja, schon komisch, wenn man merkt dass da im Karneval, dem man mit Hohn und Spott begegnet, doch ganz ordentliche Leute gute Sachen machen, was?") antwortete Beisenherz sarkastisch: "Keine Sorge. Es bleibt für mich trotzdem weitestgehend beschissen."
Die frühere Grünen-Chefin Simone Peter twitterte: "Politische Fassenacht erster Güte. Danke, Andreas Schmitt, und ein dreifach donnerndes Helau nach Meenz!"
Natürlich gab es auch andere Meinungen. So regten sich einige auf: "Warum müssen ALLE für diese linken Hetzreden bezahlen?", "Warum brüllt der Dicke so?" oder "Ich hoffe die AfD verklagt ihn...".
Bei den Fernsehquoten sah es dagegen eher schlecht aus. Diesmal schalteten nur 5,46 Millionen ein - so wenige wie noch nie. Und das Publikum war eher alt - unter 60 Jahren waren davon lediglich 1,17 Millionen.
Vergangenes Jahr waren noch gut 5,8 Millionen bei der Mainzer Sitzung dabei gewesen, 2018 fast eine Million mehr, 2017 etwa 1,3 Millionen mehr. Bisheriger Tiefpunkt bei der Einschaltquote war das Jahr 2014 mit etwa 5,7 Millionen Zuschauern.
Der Marktanteil war am Freitagabend ab 20.15 Uhr dennoch gut - er lag bei 20,5 Prozent und bedeutete für das ZDF zur besten Sendezeit den Quotensieg. Auf den zweiten Platz kam RTL mit der sogenannten Kennenlernshow der neuen Staffel von "Let's Dance", die 4,57 Millionen einschalteten (16,3 Prozent). Vergangenes Jahr schauten noch etwa 200.000 mehr zu. Dahinter lag das Erste mit der ARD-Komödienwiederholung "Das Kindermädchen - Mission Südafrika" und 3,69 Millionen Zusehern (11,9 Prozent).
ProSieben hatte mit dem amerikanischen Waldbrändedrama "No Way Out - Gegen die Flammen" 1,50 Millionen Zuschauer (5,1 Prozent), Sat.1 mit der Komödie "Willkommen bei den Hartmanns" 1,26 Millionen (4,2 Prozent).
RTLzwei mit dem Fantasy-Actionfilm "Hellboy zwei - Die goldene Armee" schalteten 1,10 Millionen ein (3,6 Prozent), Super RTL mit dem Zeichentrick-Klassiker "Asterix der Gallier" 0,74 Millionen, Vox mit der Krimiserie "Bones - Die Knochenjägerin" 0,71 Millionen und ZDFneo mit der Serie "Death in Paradise" 0,68 Millionen.