Nach dem JWT-Skandal:
Müssen Agenturen mehr gegen Sexismus tun?
Nach dem Sexismus-Skandal um Ex-JWT-Chef Gustavo Martinez hat WPP-Chef Martin Sorrell behauptet, Sexismus sei ein branchenweites Problem. Er hat Recht, sagt Dörte Spengler-Ahrens von Jung von Matt. Nein, es gibt kein Problem, findet dagegen Franziska von Lewinski von Fischer Appelt. Und so argumentieren die beiden Werberinnen:
Nach dem Sexismus-Skandal um den früheren JWT-Chef Gustavo Martinez hat WPP-Chef Martin Sorrell behauptet, Sexismus sei ein branchenweites Problem. Er hat Recht, findet die ADC-Vorständin Dörte Spengler-Ahrens von Jung von Matt. Franziska von Lewinski, die Digitalchefin von Fischer Appelt, verteidigt dagegen die Branche.
Dörte Spengler-Ahrens, Kreativchefin von Jung von Matt/Elbe, spricht vier kritische Punkte an:
Dominanz: Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zeigt sich klar darin, dass unsere Branchen von Männern dominiert werden. Weibliche Führungskräfte sind immer noch eine verschwindend kleine Minderheit.
Normalität: Chauvinismus und Machismus sind Normalität. Jede Frau erlebt anzügliche Sprüche, herabsetzende Kommentare und eindeutige Offerten im Arbeitsleben. Es wird erwartet, dies souverän mit "Humor zu nehmen" - sonst gilt man als zickig, spröde oder spießig.
Doppelmoral: Beispiel: Haben Sie Kinder und arbeiten voll, sind Sie eine Rabenmutter. Haben Sie keine Kinder, sind Sie eine verdächtig kaltherzige Karrierefrau. Die Begriffe "Rabenvater" und "Karrieremann" gibt es nicht.
Aktualität: Sexismus existiert. Auch wenn man als moderne Frau dazu neigt, es abzutun. Ich fürchte, dass dieser Artikel daran nichts ändert. Außer, dass mich manche nun zickig, spröde oder spießig finden. Das nehme ich aber souverän mit Humor.
Franziska von Lewinski, Vorständin bei Fischer Appelt, sieht kein besonderes Problem in der Agenturbranche. Und weist dabei auf drei entscheidende Punkte hin:
Kulturproblem: Die "Working Mum" in Führungspositionen bleibt in Deutschland eine rare Spezies, der beruflicher Aufstieg schwerfällt. Dies aber als Phänomen der Agenturbranche hinzustellen, geht an der Realität weit vorbei. Sexismus und Chauvinismus sind kein branchentypisches Problem, sondern ein kulturelles.
Diversity: Hierarchien sind in tradierten Blue-Chip-Konzernen weit verfestigter – und damit die Strukturen der von Männern geprägten alten Arbeitswelt. Moderne, gerade digitale Agenturen leben das Gegenteil vor – eine offene Kultur, in der Diversity, also Vielfalt, ein überragender Wert ist. Diverse Teams sind am Ende auch erfolgreicher.
Wandel: Waren Sie mal auf einer Baustelle? Ich schon, sogar als Bauleiterin. Sie glauben kaum, was für Macho-Töne dort angeschlagen werden. Meine Erfahrungen in Agenturen dagegen: das Gegenteil! Zugegeben: In der klassischen Werberwelt sind Chauvinisten mit großem Ego noch immer verbreitet. Die Kultur an der Spitze muss sich daher auch, aber nicht nur, in Agenturen ändern. Überall braucht es immer mehr als eine Führungsfrau.