Münchner Medientage: Talkshow-Schelte für die ARD
Nach Meinung von Sat.1-Talker Claus Strunz hat die ARD mit der neuen Ausrichtung ihrer Politik-Talkshows ihr "Markenversprechen verraten". Auch Ex-ARD-Gesicht Sabine Christiansen hatte in der Diskussionsrunde einiges am neuen Konzept auszusetzen.
Die ARD hat für ihre Talkshows in der heutigen Diskussionsrunde "Politiktalks: Zwischen Information und Inszenierung" auf den Münchner Medientagen Schelte kassiert. Nach Meinung von Sat.1-Talker Claus Strunz ("Eins gegen eins") haben die Sendungen nach ihrer neuen Ausrichtung im Herbst ihr "Markenversprechen verraten". Das berichtet die Nachrichtenagentur dpa.
"Themen wie Alkoholismus, wie bei Günther Jauch, gehören nicht in einen Politiktalk", sagte der frühere Chefredakteur von "Bild am Sonntag" und "Hamburger Abendblatt" und sprach von einer "Stern-TV-Variante". Er wisse auch nicht, was die RTL-Gesichter Nazan Eckes und Christian Rach bei Frank Plasbergs ARD-Talk zu suchen hätten. "Alle haben sich von ihrem Versprechen entfernt. Ich komme mir vor wie im Supermarkt. Auf dem Regal steht eine Cola mit blauem Etikett, der Apfelsaft schmeckt nach Orangensaft, und das Hochprozentige enthält keinen Alkohol mehr." Die ARD sendet seit Ende August von Sonntag bis Donnerstag am späteren Abend eine Talkshow.
Plasbergs Produzent Jürgen Schulte wies den Vorwurf, eine "Stern-TV-Variante" zu bieten, für "Hart aber fair" zurück, denn in seiner Show sei schon seit langer Zeit immer wieder für Auflockerung gesorgt worden. Allerdings sei durch Jauchs Engagement am Sonntagabend und die damit einhergehenden Verschiebungen im Talkshow-Gefüge die Situation nicht einfacher geworden, räumte Schulte räumte ein. "Die Zahl der Gäste und Themen bleibt die gleiche", sagte er. Der Sendeplatz am Montag sei gegenüber dem Mittwoch schwieriger, denn am Wochenende zuvor Recherchen zu betreiben, sei schwierig: "Das Bundesamt für Statistik macht am Freitag um 12.30 Uhr Schluss."
Auch Ex-ARD-Polit-Talkerin Sabine Christiansen äußerte - erneut - Kritik am ARD-Konzept: "Als Zuschauer habe ich Probleme: Ich erkenne nichts, ich weiß ein paar Tage später nicht mehr, wo ich wann und was gesehen habe. Die Wiedererkennbarkeit fehlt." Dafür, am Donnerstagabend kurzfristig nach Gaddafis Tod das Thema Libyen bei "Reinhold Beckmann" untergebracht zu haben, lobte Christiansen die ARD jedoch.
Der Journalist und Politikberater Michael Spreng bemängelte, in den Talkshows mangele es allgemein an Erkenntnisgewinn : "Den haben wir, wenn wir bei Politikern die Hülle aufgebrochen haben, es wird zu viel getalkt, zu wenig gesprochen, es mangelt an klugen Gesprächen wie bei Gero von Boehm." Und dann gebe es diesen tödlichen Gäste-Mix aus "Kauder, Niebel" und ein paar anderen.
ARD-intern ist die Talkshowfülle zumindest in der Diskussion. BR-Intendant Ulrich Wilhelm sagte im Gespräch mit seinem Sender, nach dem Ende der Laufzeit der Verträge müsse genau hingesehen werden, ob diese Talkshows wirklich das leisteten, "was wir uns erhofft haben als Beitrag für die öffentliche Meinungsbildung, für die Durchdringung komplexer Themen". Er betonte den Wert von Dokumentationen, die zum öffentlich-rechtlichen Auftrag gehörten.