Medientage München:
LeFloid statt Gottschalk: Wie TV junge Zielgruppen bindet
Herbstblond vs. schiefe Mütze: Bei Thomas Gottschalks erster "Elefantenrunde" auf den Medientagen München stand der junge Zuschauer im Mittelpunkt. Zu Mediaagenturen äußerte sich Sigmar Gabriel
Thomas Gottschalk ist 65 Jahre alt, sein kariertes Sakko ein Jahr. Im Schnitt hat also ein 33-Jähriger auf dem Podium gesessen und als Moderator des TV-Gipfels den Auftakt der 29. Medientage München präsentiert. Mit dieser schlichten Rechnung hat der "herbstblonde" Gottschalk eine Debatte darüber eröffnet, wie das Fernsehen zukünftig vor allem junge Zielgruppen an sich binden kann. Ob der Youtuber LeFloid nach seinem Interview mit Angela Merkel mit der schiefen Mütze auf dem Kopf die "Tagesschau“ der Zukunft moderieren sollte?
Schwierig fand das Fred Kogel, der viele Jahre Erfahrung als Produzent, Radiomacher oder Sat.1-Chef mitbringt. Der Constantin-Medien-Vorstand mit einem Portfolio, das Sport (Sport1) ebenso umfasst wie Filmproduktion (Constantin Film), machte deutlich, dass vieles, wofür Youtuber von den jungen Zielgruppen so geschätzt würden, bei der Anpassung an klassische TV-Formate verloren ginge. Viel wichtiger sei es für Medienunternehmen, sich bei Verbreitungswegen und Inhalten stets zügig an die jungen Zielgruppen anzupassen. Beispiel Inhalte auf Sport1: Morgens würde der Sportkanal seine Fans mit kurzen knackigen Nachrichten erstversorgen, gegen Abend stünden dann Hintergrundberichte und Analysen an, so Kogel.
Die Mitbewerber um Teens und Twens saßen in Person von Jay Marine, Vice President Amazon Instant Video für Europa, und Kelly Day, Chief Digital Officer von AwesomenessTV, mit auf dem Panel. Auf dem sich vor allem Wolfgang Link als Vorsitzender der Geschäftsführung der deutschen Fernsehholding ProSiebenSat.1 TV selbstbewusst gab und das Umgarnen der jungen Zielgruppe auf vielen und vor allem digitalen Kanälen so umriss: "Wir sind längst kein Fernsehsender mehr, sondern ein Content Power House." Amazon oder auch den expansiven Streaminganbieter Netflix mag Link gar nicht so sehr als Konkurrenz verstehen, sondern auch als potenziellen Abnehmer von Inhalten Made by ProSiebenSat.1.
Das ZDF, das dieses Jahr Programmdirektor Norbert Himmler zur ersten von Gottschalk moderierten "Elefantenrunde" entsandte, betonte, dass die Mainzer ihre digitale Senderflotte für die unterschiedlichen Zielgruppen ausgerichtet hätten. Neue Formate würden teuer produziert, um sie auch in der Mediathek zum Abruf bereitstellen zu können, berichtete der frühere Brötchengeber von Gottschalk aus dessen Zeit bei "Wetten, dass ...?". Der Mut, mit dem das Zweite mit frischen Produktionen beim Ableger ZDFneo ein jüngeres Publikum angelockt hat, möchte Himmler auch mehr im Hauptprogramm sehen. Auch der deutsche Sky-Chef Carsten Schmidt setzt aufs TV, wenn es um junge Zielgruppen geht. In einem Gespräch mit Studenten habe er gesehen, dass 80 bis 90 Prozent weiter den Fernseher nutzten, führte er an.
Dass Gottschalk das Motto der #mtm15 "Digitale Disruption" bereits hart am eigenen Leib verspürt hat, ließ der Entertainer durchblicken: So habe er unglücklicherweise mal den rein beruflichen Chat mit einer Kölner TV-Redakteurin, in dem sie sich zu einer bestimmten Uhrzeit (”Um sieben, Baby?“) mal versehentlich an seine Familie weitergeleitet.
Übrigens: Dass werbefinanzierte Medien hierzulande neben Netflix und Co. auch auf eigenem Terrain starke Konkurrenz fürchten müssen, führte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Anschluss auf den Medientagen München bei einem Impulsreferat aus. Er meinte damit die Mediaagenturen, eine Gattung, in der laut Gabriel tatsächlich ein "Oligopol" die Geschäfte diktiere. "Die fünf größten Mediaagenturen erwirtschaften 80 Prozent des Umsatzes", betonte der Politiker – lehnte aber eine gesetzliche Beschränkung nach französischem Vorbild ab. Aus seiner Sicht "ein ziemlicher Eingriff", dem noch die grundlage fehle: "Jedenfalls haben wir bislang keine harten Belege dafür, dass die Unabhängigkeit von Medien tatsächlich gefährdet ist.“
Gabriel empfahl den Medien, bei der Vermarktung von Werberaum stärker zusammenzuarbeiten und damit ihre Verhandlungsposition zu stärken. Werbekunden sollten sich zudem wieder stärker selbst um den Einkauf von Werbeplätzen kümmern.
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