Kommentar zum Verkauf :
Kolle Rebbe und Accenture haben eine vernünftige Lösung gefunden
Kolle Rebbe wollte verkaufen. Accenture Interactive wollte sich vergrößern. Auch auf das Wesentliche reduziert ist diese Übernahme für beide Seiten ein schlauer Plan. Ein Kommentar von W&V-Redakteurin Daniela Strasser.
Es gibt Namen, die sind im deutschen Agenturgeschäft besonders. Kolle Rebbe gehört dazu. Die Hamburger Werbeagentur ist seit ihrer Gründung 1994 eine feste Größe der deutschen Werbeszene. Stefan Kolle und Stephan Rebbe haben eine heute 400 Mitarbeiter starke Kreativagentur geschaffen, die federführend für Kunden wie die deutsche Lufthansa, Ritter Sport und Netflix verantwortlich ist. Kolle Rebbe hat sich Dinge getraut, bei denen andere Werbeagenturen zögerlicher waren: Die Agentur hat eigene Marken eingeführt, sich frühzeitig an Start-Ups beteiligt und verdiente Mitarbeiter via Partnermodell an sich gebunden, wie es mittlerweile in vielen Agenturen Usus ist.
Zahlreiche Innovationsthemen hingen an Co-Gründer Stefan Kolle, Stephan Rebbe hatte die Agentur bereits 2015 verlassen. Kolles überraschender Tod im vergangenen Jahr bedeutete für die Agentur einen Einschnitt, mit dem sie zu kämpfen hatte. Die Zahlen schwächelten, von einigen von Kolle angestoßenen Projekten verabschiedete sich das Management: Kolle Rebbe reduzierte die Start-Up-Investitionen und ihre Anteile an der Content-Agentur Honey. Dieses Jahr soll es wirtschaftlich besser aussehen, heißt es aus der Geschäftsführung. Diese setzte sich zusammen aus Stefan Wübbe (Kreation), Lennart Wittgen (Beratung), Kai Müller (Finanzen), Ralph Poser (Strategie), Andreas Winter-Buerke (Beratung) und Fabian Frese (Kreation). Die Hauptanteile an der Agentur hielt bis jetzt Stefan Kolles Witwe Sigrid.
Ob Stefan Kolle den Verkauf seiner Agentur an eine Unternehmensberatung wie Accenture begrüßt hätte? Kreativchef Fabian Frese glaubt ja. In der gemeinsamen Pressemitteilung mit Accenture referiert er allerlei marktübliche Verklausulierungen, spricht von "globaler Reichweite", "Full-Service-Portfolio" und "spannenden Möglichkeiten für die Mitarbeiter". Vor allem ist es eine für alle Seiten vernünftige Lösung zur Zukunftsfindung und der Sicherung wirtschaftlicher Stabilität.
Kein Smartphone, kein Wlan, keine Onlinewerbung
Mit dem Problem Zukunft steht Kolle Rebbe nicht alleine da. Als Kolle und Rebbe ihre Agentur gründeten, gab es noch keine Smartphones. Ins Internet musste man sich via Modem „einwählen“, von Onlinewerbung hatten in Deutschland die wenigsten Ahnung. Das soll nicht heißen, dass es Kolle Rebbe nicht gelungen wäre, mit der Entwicklung Schritt zuhalten, aber der Blick in die Vergangenheit zeigt, vor welchem Zukunftsdilemma die inhabergeführten Werbeagenturen in Deutschland heute stehen. Sie müssen zusehen, wie sie ihr Geschäftsmodell sichern. Mit schicken Plakaten und 30-sekündigen TV-Spots wird sich auf Dauer keine große Firma erhalten lassen.
Viele, darunter die Berliner Agentur Heimat, die Gruppen Scholz & Friends, Zum Goldenen Hirschen und die Hamburger Agentur Thjnk haben sich großen internationalen Werbenetzwerken wie WPP und Omnicom angeschlossen. Für Kolle Rebbe kam das angeblich nie in Frage. Vielleicht tut das Management auch gut daran, zu betonen, dass Kolle den Verkauf vor seinem Tod noch selbst angeleiert hat. Sonst klingt es möglicherweise ein wenig nach „zack, Lebenswerk verkauft“, wie es ein Facebooknutzer formuliert. Echte unabhängige Agenturen werden in Deutschland seltener, vor allem in der Größenordnung ab 200 Mitarbeitern aufwärts. Zu den verbliebenen Namen zählen beispielsweise Jung von Matt, Serviceplan, Grabarz & Partner und Fischer-Appelt. Aber auch sie müssen überlegen, wie es weitergehen soll.
Kolle Rebbe propagiert kein Feindbild, geht lieber ein Bündnis ein
Während andere seit Jahren kritisieren, dass Unternehmensberatungen in den ohnehin hart umkämpften Werbemarkt drängen, hat das verbliebene Kolle-Rebbe-Management eine logische Variante gewählt und sich mit einer weitsichtig denkenden Beraterfirma zusammengetan. Mit Matthias Schrader steht bei Accenture Interactive zudem ein schlauer Manager mit bestem Ruf an der Spitze, dem viele zutrauen, ein neugeschaffenes Konstrukt zum Branchenvorbild zu formen.
Die Kolle-Rebbe-Führungsmannschaft soll so bleiben wie sie ist. Das ist gut, denn so lässt sich in der Übergangsphase für Ruhe bei Kunden und Mitarbeitern sorgen. Noch ein Vorteil für Kolle Rebbe: Während sich Network-Verkäufe üblicherweise in die Länge ziehen und es dauern kann, ehe die Eigentümer ihr Geld erhalten, zahlt Accenture schnell. Der Verkauf an Accenture dürfte angesichts der momentanten Lage das Beste für die Agentur sein. Und mit etwas Glück und kluger Führung kann sie auch weiterhin eine wichtige Größe in der Kreativbranche sein. Der Name Kolle Rebbe immerhin soll bleiben. Es wäre auch schade, wenn die kreative Vielfalt in Deutschland verloren geht.