Kommentar:
Knigge für Werber: Warum der GWA-Verhaltenskodex nichts ausrichten wird
Die Werbeagenturen im GWA haben sich einen Verhaltenskodex gegeben. Das ist ein starkes Zeichen für ein besseres Miteinander. Mehr aber auch nicht. Ein Kommentar von Conrad Breyer.
Die Werbeagenturen im GWA haben sich einen Verhaltenskodex gegeben (hier erstmals zum Nachlesen). Das ist ein starkes Zeichen für ein besseres Miteinander. Mehr aber auch nicht. Ein Kommentar von Conrad Breyer, W&V-Ressortleiter Agenturen.
Zwei Seiten schöne Worte. Zum ersten Mal in seiner Geschichte hat sich der Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA einen Code of Conduct gegeben. Er regelt den Umgang der Mitglieder untereinander, das Verhältnis zwischen Agenturen und Kunden, das Benehmen gegenüber Mitarbeitern. Eine historische Leistung, aber doch hohl.
Sicher hatten die Akteure nur die besten Absichten. Nach dem Skandal um das Effie-Gold im vergangenen Jahr, als sich Jung von Matt im Nachhinein frech in den Astra-Case der Agentur Philipp und Keuntje hineinredigierte, war das Regelwerk überfällig. Der GWA richtet den Effektivitätspreis Effie aus, und zur Beilegung solcher Konfliktfälle fehlte ein Referenzrahmen. Den gibt es nun.
Ein Gebot für alle Lagen
Der Code of Conduct des GWA stellt exakt vor, wie künftig mit derlei Differenzen umzugehen ist. Laut Punkt 5 ("Streitfälle") gilt es, zunächst die Geschäftsstelle anzurufen, die den Präsidenten informiert. Der Geschäftsführer macht einen Lösungsvorschlag. Als Schlichtungsorgan kann auch der Ältestenrat hinzugezogen werden. Ihn hat der Verband wiederbelebt und neu besetzt. Die Hoffnung ist: In der Öffentlichkeit wird eine Auseinandersetzung wie um den Effie künftig nicht mehr ausgetragen. Interne Debatten statt Effiegate! Das hätte was.
Der neue Verhaltenskodex bestimmt aber noch mehr: In seiner Präambel verpflichtet er die Mitgliedsagenturen auf die Prinzipien ethischer Unternehmensführung. Als "Regeln im Wettbewerb" (Punkt 2) schreibt der GWA "ehrliche und redliche Mittel" vor, das Gebot, sämtliche Handlungen zu vermeiden, die "Ruf und Ansehen der Branche schädigen". Mitarbeiter will man "fair" bezahlen (Punkt 4), Kollegen von anderen Agenturen nicht "unlauter" abwerben.
All das ist ehrenhaft und gut, der Weg dahin aber wird kein leichter sein. Die Konkurrenz unter den Agenturen ist stark. Wie sollen Werber gelassen bleiben, wenn es um die Vermarktung ihrer ureigenen Erfolge geht? Es gibt in dieser Branche viele Egomanen und Selbstdarsteller, es gibt aber noch mehr Menschen, die Herzblut in ihre Arbeit stecken. Sie sind naturgemäß empfindlich, sehen sie ihr Werk nicht ausreichend gewürdigt. Und letztlich sind in der Werbung unzählige Neider unterwegs, die nur Häme für das Schaffen anderer übrig haben. Die sozialen Medien sind voll davon. Wie soll der Verhaltenskodex des GWA eine solche Branche disziplinieren?
Schwache Sanktionen
Schwerer noch wiegt, was der GWA den Agenturen für die Zusammenarbeit mit ihren Kunden auf den Weg gibt (Punkte 2 und 3). Beratungs- und Kreationsleistung im "kritischen Diskurs", "eine auskömmliche Preisgestaltung" auf der Basis von Branchenstandards wie den Studien des GWA zu Stundensätzen, eine Absage an Wettbewerbe, "wenn diese nicht den Branchengepflogenheiten in Bezug auf Aufgabe, Zeitstellung und Budget genügen", "glaubwürdige" Werbebotschaften, "Transparenz" et cetera. Das alles wird schwer durchzusetzen sein, denn die Unternehmen wollen sparen. Keine Agentur wird sich ihrem Kunden widersetzen, wenn der etwas Entgegenkommen verlangt. Es fehlen klare Vorgaben, Definitionen, Begriffsklärungen. Stattdessen: wohlfeile Worte. Was versteht der GWA unter einer "auskömmlichen Preisgestaltung", um wie viel Prozent dürfen die Stundensätze von den GWA-Richtlinien abweichen, was sind "Branchengepflogenheiten"? Der Code of Conduct lässt Raum für Interpretationen nach Gutdünken.
Nicht mehr als ein Anfang
Freilich: Der Kodex sieht Sanktionsmöglichkeiten vor. Sie werden erst in der Neufassung des Textes stehen, sind aber schon verabschiedet und längst nicht so streng wie beispielsweise in den PR-Verbänden. Die Gesellschaft Public-Relations-Agenturen GPRA hat jüngst tatsächlich ein Mitglied ausgeschlossen. Im GWA aber wollen sie lieber miteinander sprechen und erst bei wiederholten Verstößen Rügen aussprechen, das dann sogar öffentlich. Von Ausschluss ist nicht die Rede. Kann man machen.
Dass sich der GWA wie so viele andere Agenturverbände auf der Welt einen moralischen Überbau gegeben hat, war ein richtiger und wichtiger Schritt. Die Praxis wird zeigen, wie er funktioniert. Sicher werden die Mitglieder hier und da noch klarere Angaben und im Zweifel Stellung beziehen müssen, auch gegenüber Kunden, die sich unfair verhalten. Erst wenn alle, auch Nichtmitglieder, die Vorsätze leben, wird aus einem Stück Papier ein Wertegefüge, das dem Ansehen der ganzen Branche guttut. Leicht wird das wie gesagt nicht, aber ein Anfang ist vielleicht gemacht.
Dieser Kommentar erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe der W&V Nr. 46.