
Klimawandel in der Werbung
Quer durch alle Branchen demonstrieren Unternehmen Verantwortungsbewusstsein. Doch das Greenwashing in Kampagnen ist ein riskantes Geschäft. Wittern Verbraucher Verlogenheit, kann die Image-Pflege schnell zum Bumerang werden. In der aktuellen W&V spricht "SZ Magazin"-Kolumnist Rainer Erlinger über die Ethik-Schwemme in der Werbung.
W&V Herr Erlinger, Sie kommen just per Flieger aus Berlin nach München. Haben Sie ein schlechtes Gewissen als CO2-Sünder, oder sind Sie mit der Lufthansa geflogen?
Erlinger Nein, nicht mit der Lufthansa, aber schlaflose Nächte bereitet mir das nicht. In der Regel nehme ich allerdings in der Tat den Zug anstelle des Flugzeugs, weil die Bahn weniger Schadstoffe produziert.
W&V Im SZ-Magazin beantworten Sie Woche für Woche die "Gewissensfrage". Rücken Umweltfragen verstärkt in den Blickpunkt?
Erlinger Eindeutig. Seit einiger Zeit befassen sich die Leserzuschriften deutlich häufiger als früher mit Klimawandel und umweltpolitisch korrektem Verhalten. Das Thema ist massentauglich geworden, selbst in privaten TV-Sendern, wo es lange Jahre eher wie Stickstoff wirkte. Das Klima in den Medien ist in dieser Hinsicht offenbar gekippt – siehe ProSieben, die sich nicht scheuen, einen kompletten "Live Earth"-Day mit Öko-Dokumentationen und Konzerten ins Programm zu nehmen.
W&V Der Kulturwissenschaftler Nico Stehr spricht von einer Veränderung der Machtbalance: Verbraucher zwingen Unternehmen zum Umdenken. Ethisches Wirtschaften statt Profit um jeden Preis. Sehen Sie das ebenso?
Erlinger Den Eindruck, dass es diese Macht der Verbraucher gibt, habe ich schon. Aber ich bin mir nicht sicher, dass der neue Wertekanon bis zu den Wurzeln durchdringt. Die einen denken beim Einkauf nach wie vor meist mehr an ihren Geldbeutel, die anderen an den nächsten Geschäftsbericht. Erfreulich ist, dass Verbraucher Konzerne dazu bringen, überhaupt über verantwortungsbewusstes Wirtschaften nachzudenken. Immer noch besser als nix.
W&V Es wimmelt von Werbekampagnen, in denen sich Markenartikler als vorbildliche Unternehmen darstellen. Ist das überzeugend?
Erlinger Ich halte es mit der Bibel: "An ihren Taten sollt ihr sie erkennen." Man muss aufpassen, dass einem nicht Sand in die Augen gestreut wird. Aber wenn ein Konzern verantwortungsbewusst handelt, spricht nichts dagegen, dass er das als Wettbewerbsvorteil nutzt. Mir gibt eher zu denken, dass derzeit ethisches Handeln mit "umweltbewusst" gleichgesetzt wird. Wenn die CO2-Werte nur niedrig genug sind, könnten Konzerne im Moment wahrscheinlich auch Sklaven beschäftigen
Mehr zum Thema in der aktuellen W&V (EVT 21. Juni).