Insolvenz:
Kann eine Preiserhöhung die Abendzeitung retten?
Mutig, aber konsequent: Der Verkaufspreis der "AZ" wird deutlich erhöht, um die Verluste zu reduzieren. Kommuniziert wird das mit einer selbstbewussten Kampagne.
Der Verkaufspreis wird deutlich erhöht, um die Verluste zu reduzieren. Gleich nach den Osterferien am 28. April geht es los. "Wir gehen von 60 Cent auf einen Euro und am Wochenende von 80 Cent auf 1,20 Euro, sagt der Insolvenzverwalter der Münchner "Abenzeitung" (AZ) Axel Bierbach. Die Preiserhöhung betrifft ausschließlich den Einzelverkauf der AZ, die Preise für Abonnenten sind davon nicht betroffen.
Die neuen Preise werden "offensiv und selbstbewusst" mit einer Kampagne kommuniziert. Thema der Werbestrategie: Preisvergleiche mit Alltagsprodukten. Und dazu das Motto "Wir verkaufen uns nicht mehr unter Wert". Die Kampagne entstand bei der "Abendzeitung" inhouse. Auf Plakaten überall im Verbreitungsgebiet der "AZ" sowie in Radiospots und im Internet wird dargestellt, dass der neue Verkaufspreis der Zeitung angemessen ist – nicht zuletzt, wenn man ihn in Relation zum Preisniveau vieler anderer Konsumgüter sieht.
Zudem werden am 30. April prominente Unterstützer auf dem Münchner Viktualienmarkt Abonnenten werben, darunter noch Oberbürgermeister Christian Ude (ab 1. Mai löst ihn SPD-Mann Dieter Reiter ab) und Schauspieler Christian Tramitz.
Die Preiserhöhung ist ein gewagtes Spiel angesichts der Gratiskultur, die die gesamte Printbranche beutelt. Aber auch mutig und konsequent. Die "Abendzeitung" steht mit dem Rücken zur Wand, fuhr Millionenverluste ein und hat nach dem Auflagenschwund der vergangenen Jahre nur noch eine Verkaufsauflage von 100.000 Exemplaren, davon gehen 30.000 an Abonnenten. In den vergangenen Wochen - nach Bekanntwerden der Insolvenz am 5. März - habe man keine Leser verloren, sagt der Saniere der AZ im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (SZ). Das Insolvenzverfahren gibt nun erst einmal die Gelegenheit, Kosten zu senken - und dann hoffentlich einen potenten Investor zu finden. Pro verkaufter Zeitung mache der Verlag laut Bierbach 30 bis 40 Cent Verlust - das könnte die Erhöhung des Verkaufspreises natürlich, sofern die Zahl der Leser weiter stabil bleibt, deutlich abfangen. Gute Argumente zumindest liefert die Werbekampagne für den neuen Verkaufspreis.
Die Kanzlei Müller-Heydenreich, Bierbach & Kollegen, die das Insolvenzverfahren abwickelt, teilt mit: "Diese Entscheidung ist ein weiterer wichtiger Schritt, die strukturellen Verluste des Verlags zu verringern und den Verkauf an einen Investor zu ermöglichen. Zuvor war es dem vorläufigen Insolvenzverwalter bereits gelungen, sich mit der Süddeutschen Societäts-Druckerei GmbH über eine deutliche Reduzierung der Druckkosten für das Blatt zu verständigen."
Bierbach dreht derzeit an einigen Hebeln, um die Leser ins Boot zu holen. Das sind neben der Preiserhöhung (Bierbach: "Wir hoffen, dass der Leser das versteht."), die mindestens 600.000 Euro pro Jahr mehr in die Kasse spülen soll, auch konzeptionelle Schritte. Der Insolvenzverwalter gibt gegenüber der "SZ" an, alle Ideen zu prüfen. Mögliche Modelle seien etwa, nur noch am Wochenende eine gedruckte "AZ" herauszubringen und sich wochentags auf Online zu beschränken, oder sich stärker auf die Positionierung "Stadtzeitung" versus Boulevardblatt zu konzentrieren.
Bierbach: "Die Abendzeitung hat seit 12 Jahren ihre Verkaufspreise trotz gesunkener Auflage und höherer Betriebskosten nicht mehr angehoben – im Gegensatz zu nahezu allen anderen Zeitungen in Deutschland. Die nun getroffene Entscheidung ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein überfälliger und alternativloser Schritt. Die vollständige Sanierung des Verlags wird aber nur unter einem neuen Investor möglich sein. Dazu führen wir derzeit Gespräche mit mehreren Interessenten. Voraussetzung für eine Zukunftslösung ist natürlich, dass Leser und Anzeigenkunden der AZ weiterhin die Treue halten, so wie es in den vergangenen Wochen eindrucksvoll geschehen ist."