Kommentar:
Jung von Matt demontiert sich selbst
Bei Jung von Matt bleibt kein Stein auf dem anderen. Peter Figge baut die Agentur um. Nicht zu ihrem Vorteil. Ein Kommentar von W&V-Redakteurin Lena Herrmann.
Deutschlands Vorzeigeagentur Jung von Matt erfindet sich komplett neu. Peter Figge löst den Vorstand quasi auf und installiert ein Partner-Board aus 15 Personen. Jeweils für ein Jahr gewählt sollen sogenannte Troikas die Bereiche Kreation, Innovation und Evolution führen. Der bisherige Kreativvorstand Götz Ulmer soll sich in die Reihen der Partner eingliedern, Jean-Remy von Matt, bisher ebenfalls noch im Vorstand vertreten, wechselt in den Aufsichtsrat. Thomas Strerath und Larissa Pohl werden das Führungsgremium ja offiziell Ende August verlassen. Einziger Vorstand und Sprecher der Partner bleibt Peter Figge. Das konzentriert die Macht bei ihm. Schadet aber der Agentur.
Machtkonzentration bei Peter Figge
Das neue Konstrukt soll modern und agil sein, doch vor allem dient es der Machtkonzentration auf eine Person. Künftig hat Figge bei Jung von Matt das Sagen, das Troika-System sorgt dafür, dass die Partner neben Figge Anliegen zwar vorbringen, aber innerhalb des kurzen Zeitraums kaum neben dem Tagesgeschäft auf die Straße bringen können werden.
Klar, das Partnermodell fahren auch andere Agenturen und bieten ihren Mitarbeitern so eine unternehmerische Perspektive - das hilft, langjährige Mitarbeiter dauerhaft an die Agentur zu binden. Aber nirgendwo müssen die Partner in eine Art Wahlkampf treten, um ihre Belange und Interessen in der Agentur durchzusetzen. Gut möglich, dass es dem einen oder anderen schnell zu viel werden könnte. Jung von Matt folgt eher dem Prinzip: Teile und herrsche!
Jungrat als zahnloser Tiger
Genauso seltsam mutet der neu gegründete Jungrat an. Sechs Jung-von-Matt-Mitarbeiter unter 30 sollen in diesem Rat sitzen und zu einer Art Sparringspartner der Partnerrunde werden. Damit will die Agentur zeigen, dass sie am Puls der Zeit sitzt. Doch das Konstrukt wirkt arg konstruiert. Die Partner wählen den Rat Jahr für Jahr neu, genau zweimal darf das Gremium dann am Partnerkreistreffen teilnehmen. Neue Ideen und innovatives Arbeiten fließen so sicher kaum in die Agentur ein. Wichtiger wäre es, den jungen Leuten in der Agentur das Vorankommen auf der Karriereleiter zu ermöglichen.
Die Etablierung sowohl des Jungrats als auch des Partnerkreises nutzt nichts, wenn diese Gremien nicht mit Machtbefugnissen und Entscheidungskompetenz ausgestattet werden, sondern immer der Zustimmung des einzigen Vorstands Peter Figge bedürfen.
Zudem braucht eine Agentur wie Jung von Matt, die seit ihrer Gründung im Jahr 1991 immer auf Kreativität gesetzt hat, einen oder mehrere kreative Köpfe, die nach außen wirken. Bisher war das immer noch Jean-Remy von Matt, der sich aber jetzt aus den Geschäft zurückzieht und damit auch nicht mehr sichtbar sein wird. Peter Figge an der Spitze mag ein guter Manager sein, aber er steht nicht für die kreative DNA von Jung von Matt. Das wird der Agentur in Zukunft fehlen.
Es wäre wichtig gewesen, nach dem Abgang von Strerath und Pohl ein Konstrukt zu etablieren, dass vor allem den kreativen Anspruch der Agentur nach außen trägt. Ein einzelnes Gesicht muss das nicht unbedingt sein, ist vielleicht auch gar nicht mehr zeitgemäß. Aber mit einer starken kreativen Führung, die nicht nach einem Jahr wieder ausgetauscht und abgewählt werden kann, hätte die Agentur nach außen ein wichtiges Signal gesetzt. So sind interne Querelen, Orientierungslosigkeit bei Mitarbeitern und Kunden sowie Unzufriedenheit bei Teilen der Partner und Kollegen schon jetzt vorprogrammiert.
Das neue Konstrukt mag die Zukunft von Peter Figge sichern. Die von Jung von Matt sieht nicht ganz so rosig aus.