BR Klassik digital?:
Jugendwelle Puls auf UKW: Privatfunk attackiert Fernziel des BR
Das digitale BR-Jugendradio Puls könnte den Weg ins begehrte UKW-Reich finden, wenn BR Klassik den Platz frei macht. Kommerzielle Mitbewerber sind geschockt.
Dass die "SZ" am Mittwoch aus der Tagesordnung des BR-Rundfunkrats für Donnerstag zitiert, das bringt Bayerns Privatfunk auf die Palme. Der Grund: Die Zeitung berichtet über das Fernziel des Bayerischen Rundfunks, BR Klassik mit allen Facetten fürs Digitale umzumodeln und die noch neue digitale Jugendwelle Puls auf den frei werdenden UKW-Platz zu hieven. Denn: Im Funk punktet immer noch, wer über die gute alte Antenne sendet.
Während sich die "SZ" mehr über den Umstand empört, dass die überwiegend älteren Klassikfans so ins Internet gedrängt würden, schwillt den konkurrierenden Privatradiomachern wegen des UKW-Plans für Puls der Kamm. Immer wieder hatte die ARD-Anstalt in den vergangenen zwei Jahrzehnten versucht, ein junges Programm über Antenne zu starten, scheiterte aber stets an der Deckelung auf fünf UKW-Programme. Sogar zusammen mit den Kommerz-Wellen hat der BR einen solchen (vergeblichen) Versuch unternommen, den die Privaten wegen der ohnehin schon taffen Konkurrenzsituation mit landesweitem und lokalem Funk in Bayern fürchten. Puls ist im vergangenen Frühsommer erst einmal als multimediales Projekt im Netz und via DAB+ an den Start gegangen; geübt wird allerdings in UKW mit Hilfe eines Nacht-Fensters auf der Popwelle Bayern 3 am Freitag.
Das Fernziel des BR attackiert Karlheinz Hörhammer. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der privaten landesweiten Antenne Bayern betont gegenüber W&V Online: "Die Kommerzialisierung der Programme des Bayerischen Rundfunks hält weiter an. Der bisher so hoch aufgehängte Grundversorgungsauftrag rückt noch weiter in den Hintergrund. Die noch bessere Gebührenausstattung nach der Umstellung auf die Haushaltsabgabe wird nun genutzt, um weitere massenattraktive Programme auf den Markt bringen zu können", schäumt der Radiomacher.Das attraktive Klassikprogramm werde "in das digitale Ghetto abgeschoben", obwohl man gerade den jüngeren Zielgruppen ein "digitales Nutzungsverhalten" unterstellen könne. Diese Überlegung spielt für den BR anscheinend keine Rolle.
Mit Blick auf den Kampf um Hörer und Werbegelder fügt Hörhammer hinzu: "Mit dieser Maßnahme verfügt der Bayerische Rundfunk über drei massenattraktive landesweite Radioprogramme, welche die Wettbewerbssituation im bayerischen Hörfunkmarkt nachhaltig beeinflussen werden und damit die Existenzchancen vieler privater Hörfunkangebote erheblich beeinflussen." Hörhammer meint Puls, das nach und nach reformierte und verjüngte Bayern 1 sowie Bayern 3. Der Bayerische Rundfunk sei im Gegensatz zu einigen anderen Landesrundfunkanstalten " zu keinerlei Zugeständnissen bereit". Hörhammer sieht das Radioland Bayern in einer "erheblichen Schieflage". Alle gesellschaftlich und politisch relevanten Gremien seien an dieser Stelle gefordert, "dem Expansionsdrang des BR Einhalt zu gebieten".
Ihm zur Seite eilt der gesamtdeutsche Privatfunkverband VPRT mit seinem Radio-Verantwortlichen Klaus Schunk, der moniert: "UKW-Frequenzen werden bei den ARD-Radios mittlerweile wie auf einem Basar hin und her verschoben – und die Politik schaut zu." Ein solcher Programmtausch sei rechtlich höchst fraglich, zumal sich bayerische Landesgesetzgebung und Rundfunkstaatsvertrag widersprechen würden, so Schunk und fügt hinzu. "Kostenneutral ist es jedenfalls nicht, wenn der BR im Telemedienkonzept für die Neugestaltung und Digitalverbreitung der Klassikwelle insgesamt fast 1,2 Millionen Euro Beitragseinnahmen ausgeben will."
Bei so viel Kritik, bevor überhaupt eine Entscheidung gefällt ist kontert der BR: "Puls ist als junge Welle ein ergänzendes Angebot, das sich klar abhebt von privaten Massenwellen. Der BR erfüllt mit Puls seinen gesetzlichen Auftrag, auch Angebote für ein jüngeres Publikum vorzusehen." Und BR Klassik werde durch das geplante digitale Konzept eher gestärkt. Jetzt ist aber erst einmal der BR-Rundfunkrat dran: Er muss am Donnerstag in einem ersten Schritt dem neuen "Telemedienkonzept" für BR Klassik grünes Licht geben. Bis dahin heißt es mit offenem Ausgang: "Der BR erarbeitet aktuell ein umfangreiches Konzept, das im Sommer dem Rundfunkrat vorgelegt wird. Dazu wird es vorab intensive Gespräche mit allen Beteiligten, insbesondere den privaten Rundfunkanbietern, geben."