Josef von Ferenczy: Besuch bei einer Medien-Legende
Dort, wo die Gärten so groß sind wie Fußballfelder und die Zäune so hoch wie Lichtmasten lebt Josef von Ferenczy. Aber nach einer beispiellosen Medienkarriere ist der heute 91-Jährige praktisch mittellos. W&V hat den einstigen Grandseigneur der Branche besucht.
Dort, wo die Gärten so groß sind wie Fußballfelder und die Zäune so hoch wie Lichtmasten – im vornehmen Vorort Grünwald –, lebt Josef von Ferenczy zurückgezogen. W&V Society hat den 91-Jährigen, den die Mächtigen dieses Landes einst als Medienzar, Strippenzieher, Brückenbauer, Erfinder des Medienmanagements oder der „atmosphärischen PR“ titulierten, Mitte September besucht, nur wenige Tage vor dem Tod seiner geliebten Frau Katharina.
Er empfängt in seinem Arbeitszimmer, das im ersten Stock der Villa liegt. Am Konferenztisch, wo Größen wie Willy Brandt, Jassir Arafat, Hans-Dietrich Genscher und Michail Gorbatschow mit ihm saßen und über den Dialog zwischen Ost und West, Ferenczys Lieblingsthema, sprachen. Das Bärtchen getrimmt, die Haare frisch frisiert. Für den Besuch hat er einen ungarischen Coiffeur kommen lassen. Eitelkeit kennt schließlich kein Alter. Ferenczy ist ein aufmerksamer Mensch, herzlich, teilnehmend, auf der Hut. Und dennoch ist er nicht mehr der Mann, der er einst war. Die Wände sind tapeziert mit Erinnerungsfotos aus besseren Tagen. Das Band läuft. Er lehnt sich zurück in seinen bequemen Stuhl, den er seit einem Schlaganfall ohne fremde Hilfe nicht mehr verlassen kann, und holt aus, wie jemand, der zu viel Zeit und zu wenig Zuhörer hat.
Ferenczys Zeitreise beginnt in Ungarn. Er war noch klein, als der Vater die Familie verließ – adlig geboren und doch mittellos von einem Tag auf den anderen. Nicht einmal ein Bett gab es für ihn. Nachts musste er in der Küche auf dem Blechtisch schlafen; angebunden, um im Schlaf nicht herunterzufallen. Als junger Mann kommt er nach München und erkennt schnell, was das junge Deutschland braucht: bunte Geschichten für das breite Publikum. Sein Aufstieg als Medienzar beginnt. Ferenczy war aber nicht nur Strippenzieher der Medien, er war auch Manager im diplomatischen Dienst. Die Konferenz "Dialog der Gegensätze", bei der es um den Fall des Eisernen Vorhangs ging, hat er initiiert.
Sein Aufstieg war beispiellos, sein Abstieg ist es auch. Mitte der neunziger Jahren sterben seine beiden erwachsenen Söhne durch Krankheit. Partnerschaften für die Leitung seiner Agentur sind fatal gescheitert. 2001 muss er Insolvenz anmelden und seinen Besitz veräußern, auch sein Haus in Grünwald. Er hat es zum halben Marktwert verkauft und dafür das Bleiberecht für sich und seine Frau, mit der er 60 Jahre verheiratet war, ausgehandelt. Die fünfjährige Frist für das Wohnrecht lief Ende September aus. Der Eigentümer hat bis Mai nächsten Jahres verlängert. Um den Geldtopf nachzufüllen, aus dem die Auslagen für die Rundum-die-Uhr-Betreuung bestritten werden, hat er sich zu einem Private Sale entschlossen.
Das renommierte Auktionshaus Neumeister bringt im Dezember Stücke aus der guten Zeit – darunter auch Schmuck und Porzellan – unter den Hammer. Wertvolle Gemälde und Drucke müssen das Haus verlassen: Der komplette Eingangsbereich hängt voll mit Bildern von Warhol, Dalí und Chagall. Alle mit Nummern versehen. Es sieht aus, als wäre der Kuckuck durchs Haus geflogen. Die Stücke werden derzeit katalogisiert. Die Antwort auf die Frage, wie es überhaupt soweit kommen konnte, bleibt er schuldig. Nur so viel: Resignieren gibt es nicht. Für ihn nicht nur eine Frage des Charakters, auch des Glaubens.
Den guten Gott hat er nie infrage gestellt, nicht einmal in den dunkelsten Momenten. Und so versucht er tapfer, sein Leben zu meistern und weiter nach vorne zu blicken. Zwei ungarische Pflegerinnen kümmern sich um ihn. Zuletzt sorgten sie allerdings in erster Linie für seine Frau, die ihr Bett nicht mehr verlassen konnte und bis kurz vor ihrem Tod zu Hause lebte. Der ehemalige „Doyen des Dialogs“, der früher zwischen München, Paris, London, Moskau und Peking pendelte, hat heute viel Zeit.
Seine Gedanken kreisen um die Menschen, die er zurückgelassen hat, aber vor allem um jene, die ihn zurückgelassen haben. Vormittags sitzt er an seinem Konferenztisch und liest die Presse, hält sich auf dem Laufenden. Schreibt Gedichte. An die tausend Stück hat er in den vergangenen zehn Jahren verfasst. Im Erdgeschoss wird unterdessen in der Küche gewerkelt. Verführerische Gerüche wabern durchs Haus. Es gibt Gulasch, dazu ein kleines Glas Bier. Alkoholfrei für den Diabetiker. Das ist der Genuss seiner späten Jahre. Anschließend zieht er sich zu einem Schläfchen zurück. Am Nachmittag telefoniert er. „Wenn das Telefon geht. Es ist oft abgeschalten, weil die Rechnung nicht bezahlt ist.“
Er hat einen gerichtlich bestellten Betreuer, der sich um das Notwendigste kümmert. Im Flur beispielsweise funktioniert derzeit nur noch ein einziges Lämpchen. Der Betreuer wird jemanden vorbeischicken, der die Glühbirnen austauscht. Auf die Frage, was seine kleinen Freuden des Tages seien, antwortet Josef von Ferenczy ohne zu zögern – und noch nicht ahnend, was ihm nur Tage später bevorsteht: „Wenn ich die Hand meiner Frau halten kann.“
Das Porträt von Josef von Ferenczy ist in der aktuellen W&V Society erschienen. Die komplette Ausgabe gibt es auch für das iPad zum Download.