Sein Aufstieg war beispiellos, sein Abstieg ist es auch. Mitte der neunziger Jahren sterben seine beiden erwachsenen Söhne durch Krankheit. Partnerschaften für die Leitung seiner Agentur sind fatal gescheitert. 2001 muss er Insolvenz anmelden und seinen Besitz veräußern, auch sein Haus in Grünwald. Er hat es zum halben Marktwert verkauft und dafür das Bleiberecht für sich und seine Frau, mit der er 60 Jahre verheiratet war, ausgehandelt. Die fünfjährige Frist für das Wohnrecht lief Ende September aus. Der Eigentümer hat bis Mai nächsten Jahres verlängert. Um den Geldtopf nachzufüllen, aus dem die Auslagen für die Rundum-die-Uhr-Betreuung bestritten werden, hat er sich zu einem Private Sale entschlossen.

Das renommierte Auktionshaus Neumeister bringt im Dezember Stücke aus der guten Zeit – darunter auch Schmuck und Porzellan – unter den Hammer. Wertvolle Gemälde und Drucke müssen das Haus verlassen: Der komplette Eingangsbereich hängt voll mit Bildern von Warhol, Dalí und Chagall. Alle mit Nummern versehen. Es sieht aus, als wäre der Kuckuck durchs Haus geflogen. Die Stücke werden derzeit katalogisiert. Die Antwort auf die Frage, wie es überhaupt soweit kommen konnte, bleibt er schuldig. Nur so viel: Resignieren gibt es nicht. Für ihn nicht nur eine Frage des Charakters, auch des Glaubens.

Den guten Gott hat er nie infrage gestellt, nicht einmal in den dunkelsten Momenten. Und so versucht er tapfer, sein Leben zu meistern und weiter nach vorne zu blicken. Zwei ungarische Pflegerinnen kümmern sich um ihn. Zuletzt sorgten sie allerdings in erster Linie für seine Frau, die ihr Bett nicht mehr verlassen konnte und bis kurz vor ihrem Tod zu Hause lebte. Der ehemalige „Doyen des Dialogs“, der früher zwischen München, Paris, London, Moskau und Peking pendelte, hat heute viel Zeit.

Seine Gedanken kreisen um die Menschen, die er zurückgelassen hat, aber vor allem um jene, die ihn zurückgelassen haben. Vormittags sitzt er an seinem Konferenztisch und liest die Presse, hält sich auf dem Laufenden. Schreibt Gedichte. An die tausend Stück hat er in den vergangenen zehn Jahren verfasst. Im Erdgeschoss wird unterdessen in der Küche gewerkelt. Verführerische Gerüche wabern durchs Haus. Es gibt Gulasch, dazu ein kleines Glas Bier. Alkoholfrei für den Diabetiker. Das ist der Genuss seiner späten Jahre. Anschließend zieht er sich zu einem Schläfchen zurück. Am Nachmittag telefoniert er. „Wenn das Telefon geht. Es ist oft abgeschalten, weil die Rechnung nicht bezahlt ist.“

Er hat einen gerichtlich bestellten Betreuer, der sich um das Notwendigste kümmert. Im Flur beispielsweise funktioniert derzeit nur noch ein einziges Lämpchen. Der Betreuer wird jemanden vorbeischicken, der die Glühbirnen austauscht. Auf die Frage, was seine kleinen Freuden des Tages seien, antwortet Josef von Ferenczy ohne zu zögern – und noch nicht ahnend, was ihm nur Tage später bevorsteht: „Wenn ich die Hand meiner Frau halten kann.“

Das Porträt von Josef von Ferenczy ist in der aktuellen W&V Society erschienen. Die komplette Ausgabe gibt es auch für das iPad zum Download.


Autor: Lisa Priller-Gebhardt

Sie schreibt als Autorin überwiegend für W&V. Im Zentrum ihrer Berichterstattung steht die geschwätzigste aller Branchen, die der Medien. Nach der Ausbildung an der Burda Journalistenschule schrieb sie zunächst für Bunte und das Jugendmagazin der SZ, Jetzt. Am liebsten sind ihr Geschichten der Marke „heiß und fettig“.