Gastbeitrag:
Ist YouTube die bessere Podcast-Plattform?
YouTube entpuppt sich inzwischen als mindestens ebenbürtiger Kanal, wenn es um Audio-Inhalte geht. Vielmehr: seine Eigenheiten machen ihn zum optimalen Podcast-Channel. Warum, erklärt YouTube-Experte Simon Kaiser.
Wer an Podcasts denkt, denkt an Spotify, Soundcloud oder Apple Podcast. Doch an YouTube? Dabei werden Audio-Inhalte hier schon gewaltig konsumiert: Einer Studie der University of Florida zufolge hören 70,2 Prozent der Befragten Podcasts auf YouTube – deutlich mehr als auf Spotify (33,9 Prozent) und auf Apple Podcast (32,6 Prozent). Obwohl YouTube einen klaren Fokus auf Videoinhalte legt, nutzen also immer mehr Menschen die Plattform, um Podcasts zu hören. Das lässt aufhorchen.
Müssen Marken ihre Podcast-Strategie überdenken?
Bisher nutzten viele Marken die oben genannten "klassischen" Portale, um ihren Audio-Content zu vertreiben. Der Trend geht jedoch klar in Richtung YouTube. Die Tagesschau präsentiert u.a. ihren Zukunfts-Podcast "Mal angenommen" auch dort und erzielt gewaltige Reichweiten: 160.000 Menschen haben sich bspw. die Folge zu Corona angesehen/angehört.
Ein Zwerg gegen das, was der NDR aktuell mit seinem Podcast mit dem Virologen Christian Drosten von der Berliner Charité erzielt: Mehr als 700.000 Abrufe hat eine einzige Sendung dort.
Wie kommt es zu solchen Podcast-Reichweiten auf YouTube?
YouTube ist die zweitgrößte Suchmaschine der Welt, mehr als 75 Prozent der Deutschen nutzen sie. Wenn sich Menschen über ein Thema informieren wollen, führt sie ihr zweiter Schritt also auf YouTube. Nicht nur für den Long Tail ein riesiger Markt. Und Podcasting ist ein Use Case, bei dem YouTubes Eigenheiten für Content-Produzenten arbeiten. Sie können ihre Reichweite vergrößern, ohne ihre bestehenden Fans abzuschrecken und Geld über die Werbeeinnahmen verdienen. Ein Punkt, der gerade in Zeiten zunehmender De-Monetarisierung für viele Influencer immer relevanter wird.
Die ersten Marken haben herausgefunden, wie man Podcasts auf einer Plattform skalieren kann, die nicht für Audio designed wurde. Sie nutzen den YouTube-Algorithmus, um neue Zielgruppen zu erreichen und ein spannendes neues Medium zu erschließen. Denn viele gehen davon aus, dass der Podcast-Markt in den nächsten Jahren massiv wachsen wird.
Creator verwandeln YouTube in ein Podcast-Netzwerk
Zahlreiche YouTuber – wie Beispielsweise Jay & Arya, Logan Paul oder Corridor Digital – haben im letzten Jahr eigene Podcasts gestartet. Sie veröffentlichen auf den klassischen Audio-Plattformen wie Apple Podcast und Spotify, aber immer mehr bieten auch Video-Versionen an, die auf dafür angelegten YouTube-Kanälen gehosted werden und unglaublich beliebt sind.
Einige der Top-Podcasts auf YouTube sammeln Millionen Aufrufe in wenigen Wochen. Die erfolgreichsten Shows wie Joe Rogan's "Joe Rogan Experience" oder Hila und Ethan Klein's H3 Podcast haben ein begeistertes Publikum, das YouTube-Benachrichtigungen wie einen RSS Feed nutzt, der sie informiert, wenn neue Episoden online gehen. Obwohl die Podcasts auch über Spotify und Apple Podcast verbreitet werden, ist YouTube oft die erste Anlaufstelle.
Der große Vorteil von YouTube: Analytics
Eine Herausforderung beim Aufbau von Podcasts war bisher ein fehlender Algorithmus, der Zuhörern neuen Content vorschlägt, sowie umfangreiche Analytics. So hatten Marken kaum Möglichkeiten, verlässliche Daten über ihre Zielgruppe zu erhalten oder ihren Content auf Basis der Daten weiter zu entwickeln – ein Feld, in dem YouTube seit Jahren umfangreiche Tools zur Verfügung stellt.
Watchtime, Abbruchquoten und Binge-ability können so optimal analysiert werden. Ein weiterer Vorteil ist "Data Driven Storytelling": So können Marken ein intensives Verständnis für das Nutzungsverhalten ihrer Zielgruppen erhalten und Formate präziser entwickeln und auszusteuern.
So funktionieren die erfolgreichen "YouTube-Podcasts"
Um eine größere Reichweite zu erzielen, teilen die YouTuber ihre Shows in mehrere Snippets auf und verteilen sie über verschiedene Kanäle. H3 Podcast, Cody Ko und Noel Miller’s Tiny Meat Gang und The Joe Rogan Experience veröffentlichen die vollen Folgen auf ihrem Haupt-Podcast-Kanal, brechen die gleichen Episoden aber gleichzeitig in kleine Cutdowns auf. Diese gekürzten Highlight-Clips leben auf einem komplett eigenständigen Kanal. Um das Podcast-Publikum auf YouTube zu vergrößern, eignen sich diese Clips hervorragend.
Auf einem Hauptkanal werden neben besonders aufwendigen Folgen vor allem klassische YouTube-Formate veröffentlicht, während sich zwei weitere Kanäle nur um die Podcasts drehen. Einer der Podcast-Kanäle hosted die vollständigen Episoden, ein zweiter ist explizit für Ausschnitte aus den einzelnen Folgen vorbehalten. Wie bei einer YouTube-Video-Strategie empfiehlt es sich, monothematische Kanäle mit regelmäßigen Formaten zu bauen. Ein eigener Kanal für Highlights und Ausschnitte eröffnet Podcastern die Möglichkeit, YouTubes Empfehlungs-Algorithmus zu nutzen, der Content auf Basis von Interessen der Zuschauer vorschlägt.
Wenn in den vollen Episoden mehrere Themen mit einem Gast behandelt werden, interessieren diese nur echte Fans, während die Länge der Episoden und das Fehlen eines stringenten Themas neue Zuschauer abschrecken könnten. Daher sollte man Folgen in 5- bis 20-minütige Highlights aufteilen, die sich jeweils mit einem Thema aus dem Gespräch beschäftigen. Da diese Clips deutlich kürzer sind und über Titel und Thumbnail einen konkreten Aufmacher anteasern, ziehen sie neue Zuschauer viel einfacher an.
Sieht YouTube sich selbst als Podcast Plattform?
Einige Marken haben bereits erkannt, dass YouTube ein wertvolles Tool für Reichweiten-Aufbau von Podcasts ist. Bisher hat YouTube nur wenige Produkt-Änderungen eingeführt, um diesen Trend zu befeuern. Funktionen wie das Hören von Inhalten bei geschlossener YouTube-App (für Abonnenten von YouTube Premium) oder die Möglichkeit, Audio-Only Playback über die Studio-Settings zu erlauben, zeigen aber, dass YouTube den Trend verfolgt. Der Haupttreiber der YouTube-Podcasts kommt aber offensichtlich aus der Creator-Community selbst.
Fazit
Der Podcast-Trend nimmt weiter zu, auch und gerade weil sich neue Plattformen dafür öffnen. Entscheidend dafür, dass Marken viel Zeit mit ihrer Zielgruppe auf YouTube verbringen, sind Story-Telling-Konzepte, die die Hörerschaft binden und den YouTube-Algorithmus für sich nutzen. Marken, die jetzt bei YouTube einsteigen, können frühzeitig eine Community aufbauen und sich dort als Vorreiter positionieren.
Zum Autor: Simon Kaiser, Geschäftsführer und Gründer der YouTuber-Agentur Klein aber und Vollzeit-YouTuber für Markenkanäle. Er berät Unternehmen wie Ebay, Playstation und Vorwerk zu ihren Videostrategien und dabei, wie man YouTube-Kanäle erfolgreich aufsetzt, bespielt und vermarktet. Man sagt, er hätte mehr Begeisterung für YouTube als ein Pausenhof voller Achtklässler …
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