NSA:
Internet-Branche kämpft nach NSA-Skandal um Vertrauen
Die Internet-Branche hat mit den Enthüllungen über die NSA-Überwachung ihre Unschuld verloren. Die Kunden sind verunsichert, der BVDW sieht die Regierung in der Pflicht, doch europäische Daten-Dienstleister wittern einen Wettbewerbsvorteil.
Seit dem Sommer wiederholten Internet-Riesen wie Google, Apple, Facebook oder Microsoft immer wieder, dass der US-Geheimdienst keinen direkten Zugang zu den Servern habe. Das Geschäft der Online-Giganten lebt auch vom Vertrauen ihrer Kunden. Und das ist jetzt erschüttert.
Der Vertrauensverlust trifft vor allem die bisher boomenden Cloud-Dienste, bei denen Daten und Software direkt aus dem Netz abgerufen werden. Hier geben US-Unternehmen wie Google, Amazon und Microsoft den Ton an. Der Branchen-Verein Cloud Security Alliance stellte in einer Umfrage fest, dass jedes zehnte seiner Mitglieder außerhalb der USA Verträge mit amerikanischen Providern von Cloud-Diensten gekündigt habe. Über die Hälfte habe gesagt, dass sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu einem US-Anbieter gehen würden.
Europäische Konkurrenten wittern jetzt ihre Chance. "Die momentane Debatte hilft SAP", sagt der Co-Chef des Software-Riesen, Jim Hagemann Snabe. Man garantiere schließlich, dass die Daten dort verwaltet würden, wo der Kunde es wünsche. Die Walldorfer konkurrieren bei Cloud-Diensten unter anderem mit dem US-Erzrivalen Oracle und Anbietern wie Salesforce.com.
"Wir haben einen Wettbewerbsvorteil", erklärt auch der Chef der Telekom-Dienstleistungstochter T-Systems, Reinhard Clemens. Viele Unternehmen - darunter auch Konkurrenten - fragten, ob T-Systems für sie Dienste in Deutschland nach deutschen Datenschutz-Regelungen betreiben könne. "Dank der NSA-Diskussion verstehen die Menschen, dass man viele Sachen einfach nicht zulassen darf." Ob die "Cloud Made in Germany" das Zeug zum Exportschlager hat, versieht Clemens allerdings vorerst mit einem Fragezeichen.
Der Chef der finnischen Firma F-Secure, Christian Fredrikson mahnt, dass kaum jemand auf Dauer nur für den Standort Europa zahlen werde. "Wir müssen auch die beste Technologie liefern." Die heutige Größe der US-Wettbewerber sei kein entscheidender Vorteil: "Sie sind seit Jahren im Geschäft, müssen damit auch eine Menge älterer Technologien unterstützen. Wir in Europa sind kleiner und wendiger - und gerade in der Software-Branche ist weniger oft mehr."
Die US-Unternehmen gingen im Dezember nach kritischen Worten in Richtung NSA in die Offensive. Acht große Konzerne - darunter Google, Microsoft, Yahoo, Facebook, Twitter - forderten eine weltweite Reform der Internet-Überwachung durch Behörden mit klaren Einschränkungen.
In Deutschland forderte der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) von der Bunderegierung, auf den jüngst aufgedeckten Missbrauch von Cookies zu geheimdienstlichen Überwachungszwecken zu reagieren. Im Rahmen des geplanten NO-SPY-Abkommens sollte die Ausspähung von Cookies durch den Geheimdienst unterbunden werden.
"Solche Praktiken zerstören das Vertrauen der Nutzer in das Internet und sind damit eine massive ökonomische Bedrohung für die digitale Wirtschaft", erklärt Matthias Ehrlich, Präsident des BVDW.
In den USA gibt es immer neue Prognosen, wie groß die Einbußen für amerikanische Tech-Unternehmen am Ende werden könnten. Ende November schätzte eine Forschungsgruppe der Industrie, dass sich die entgangenen Umsätze bis 2016 auf 35 Milliarden Dollar addieren könnten. Zuvor waren auch schon 100 Milliarden Dollar höhere Schadenschätzungen im Umlauf.
Nach den neuesten Enthüllungen soll sich die NSA in die Daten-Pipelines zwischen den Rechenzentren von Google, Yahoo und möglicherweise auch Microsoft eingeklinkt haben. Und während die Vordertür der riesigen Server-Farmen wie ein Banktresor geschützt ist, waren die Daten der Kunden im sicher geglaubten Hinterhof unverschlüsselt unterwegs. Eine solche Überwachung wäre empörend und wohl auch illegal, sagte Googles Verwaltungsratschef Eric Schmidt - die bisher schärfste Kritik aus dem Silicon Valley an die Adresse der US-Regierung. (dpa/fm)