Markus Hündgen über Influencer Marketing:
Influencer Marketing ist wie Horror: Grausam, aber wir schauen trotzdem hin
"Um es ein für alle mal zu sagen: Influencer Marketing ist tot": Markus Hündgen vom Webvideopreis Deutschland rechnet mit einer Branche ab, die ihn an Zombie-Filme erinnert.
Um es ein für alle mal zu sagen: Influencer Marketing ist tot. Rein postfaktisch gesehen. Aber ehrlicherweise: Es hat nie gelebt. Wie Frankensteins Monster irrlichtet ein aus Marketing-Versatzstücken gebautes Werbe-Monstrum durch sämtliche Medienkanäle. Gehypte Schreie schallen entzückt durchs Media-Dorf, man habe endlich die nächste Evolutionsstufe des Marketing gefunden. Man fühlt sich wie bei einem Mordfeldzug aus dem letzten Slasher-Film. Es ist grausam und unangenehm, und trotzdem schauen wir hin. Oder zahlen sogar noch dafür. Mit Schweiß, Geld und Image.
Wie oft habe ich die letzten Monate gehört: "Hey, warum nennt ihr euch nicht in den Influencer-Preis um?" Unser Webvideopreis ist mittlerweile sieben Jahre alt. Und damit in Internet-Jahren gerechnet schon fast reif für die Midlife-Crisis. Da könnte man ja echt drüber nachdenken, mal eben die Marke weg zu werfen. Mit genug Influencern im (dann fürstlich bezahlten) Gepäck ist das doch heutzutage alles kein Problem mehr. Und wer könnte eher die Influencer-Karte in der Vermarktung spielen, als der Webvideopreis?
Falsch. Auf ganzer Linie. Zum Glück kennen wir noch eine Zeit vor dem Influencer Marketing. Damals, vor dem Aufmerksamkeitskrieg um Reach, Views und Engagement. Als Videomacher im Netz noch Gronkh, LeFloid und Coldmirror hießen. Und nicht "Folie 13, Influencer Nummer 3, Gaming-Bereich für E14".
Nun hilft es nicht, vergangenen Zeiten nachzutrauern. Die Wahrheit lautet: So manche Ex-Videokünstlerin und heutige Schmink-Millionärin verdingt sich eben als wandelnde Litfaßsäule. Eine Innovation von 1854 und heute ebenso innovativ, wie bekannte Menschen, die sich für Geld mit einem Produkt in der Öffentlichkeit zeigen. Daran ist nichts auszusetzen. Nur wo ist dabei die Evolution, nein, sogar Revolution?
Man mag einwerfen: Es ist sehr effektiv! Alle machen es so! Und: aus Gründen!
Kleiner (product-placement-freier) Tipp aus Omas Marketing-Bibel: Guter Inhalt ist guter Inhalt. Und starke Persönlichkeiten sind starke Persönlichkeiten. Und mehr Performance ist nichts anderes als ein extra großes Paar dämonisch drein blickender Augen für Frankensteins Monster. Super, um Kinder zu erschrecken. Nur macht es Influencer Marketing nicht lebendig.
Der Autor: Markus Hündgen gilt als Pionier und Vordenker der deutschen Webvideo-Branche. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Ströer-Beteiligung European Web Video Academy, die den Webvideopreis Deutschland ausrichtet. Im Netz kennt man den früheren WAZ-Journalisten auch als "Videopunk".