Ibrahim Evsan: "Mit Google Plus stehen wir vor einer Revolution"
Social-Media-Entrepreneur Ibrahim Evsan sieht Google Plus als Teil einer gigantischen Business-Plattform, auf der jeder Nutzer sein eigener Marketing-Spezialist werden kann und jeder Medienmacher sein eigener Verlag. Für W&V Online hat Evsan seine Thesen präzisiert.
"Wir müssen das System ausnutzen, bevor es uns ausnutzt", forderte Ibrahim Evsan kürzlich in einem W&V-Interview über Google Plus. Der Social-Media-Entrepreneur (Fliplife, Sevenload) sieht G+ als Plattform einer neue Web-Wirtschaft: Jeder Nutzer könne dort zu seinem eigenen Marketing-Spezialisten werden, jeder Medienmacher zu seinem eigenen Verleger. Für W&V Online hat Evsan seine These präzisiert.
Google Plus auf dem Weg zum beherrschenden Gesamtsystem
von Ibrahim Evsan
Facebook hat einen mächtigen Konkurrenten bekommen: Google Plus. Der Kampf um die Marktanteile im Social Web wird zu einem Kampf unterschiedlicher Systeme. Facebook ist auf dem Weg, immer „privater“ zu werden, im Sinne von „auf den privaten Bereich“ ausgerichtet. Google Plus aber hat das Potenzial, zu der Business-Anwendung schlechthin zu werden. Eine bislang noch unüberschaubare Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten ergibt sich aus dem Gesamtsystem von Google.
Ein Beispiel: In Google Plus braucht kein Verlag mehr ein ganzes Magazin oder Buch zu vermarkten, es reicht völlig aus, einzelne Artikel oder Kapitel anzubieten. Die Abrechnung erfolgt unter Google Checkout. Jetzt wird deutlich, auf was für eine neue machtvolle Basis Google all seine für sich schon lange etablierten Services wie „Docs“, “YouTube”, „Adword“, „AdSense“, „Analytics“ und all die anderen gestellt hat. Google hat es geschafft, aus den Fehlern von Buzz und Wave zu lernen und das in atemberaubender Geschwindigkeit. Jetzt ist mit Google Plus eine Klammer um das Gesamtsystem geschaffen worden, ein Gesamtangebot, das ein eigenes gesellschaftliches Netz werden kann.
Kaufe ich mir jetzt also ein E-Book bei Google, kann ich meine Meinungen zu diesem Buch sofort mit meinen 3.000 Freunden teilen, in meiner Timeline ist ersichtlich, was ich wann zu welchem Thema zu sagen habe und was mir wichtig ist. Als „Startkapital“ nehme ich meine Follower aus Twitter gleich mit hinüberber zu Google Plus. Den digitalen Supermächten Amazon, Twitter und Apple wird das aus naheliegenden Gründen überhaupt nicht gefallen, weil ihre Geschäftsmodelle alle auf einfache und leicht nutzbare Weise in Google Plus implementiert sind. Zum ersten Mal können wir ein Gesamtsystem nutzen, das all diese Einzel-Services ersetzt, alle anderen Technologien sind über APIs jederzeit „zuschaltbar“.
Der Werbemarkt wurde durch Facebook schon ein wenig umgekrempelt, jetzt mit Google Plus stehen wir vor einer Revolution, weil jeder Google-Plus-Nutzer auch zu einem Marketing-Spezialisten werden kann: Die Instrumente liegen bereit. Das Internet wird mit Google nicht nur „durchsuchbar“, oder „bewerbbar“, sondern man kann in seinem Google Plus-Account alle digital verfügbaren Informationen strukturieren, verknüpfen und neu „verdrahten“. Picasa und Youtube sind für sich allein genommen schon mächtige Instrumente, aber erst die Verknüpfung mit z.B. Google Analytics macht den Erfolg meiner Aktivitäten für mich wirklich sichtbar und damit messbar.
Auch der Zeitpunkt der Vorstellung von Google Plus ist geschickt gewählt, denn es ist ja fast zum Volkssport geworden, den Börsenwert von Facebook zu berechnen. Jetzt wird man bei Facebook diesen Wert sicherlich anpassen müssen: nach unten.
Was sagen Sie zu Ibrahim Evsans These? Die Debatte ist eröffnet: Auf der W&V-Facebook-Seite und im Google-Plus-Profil von W&V-Redakteur Frank Zimmer.