
Falschmeldungen in Social Media:
Hurrikan-Shooting und ein Hai auf dem Highway: Mit "Irma" kommen die Fakes
Als wäre der Wirbelsturm nicht schon schlimm genug: Im Windschatten von "Irma" tobt in den USA ein Orkan an Falschmeldungen durch das Internet.

Foto: Police Pasco County / Screenshot Twitter
Während Millionen Menschen in Florida vor Hurrikan "Irma" in Deckung gehen, versuchen einige Landsleute im Internet, mit Horrornachrichten und schlechten Scherzen Aufmerksamkeit zu erlangen. Auf Facebook ruft ein Nutzer bewaffnete Mitbürger dazu auf, in die Stadt Jacksonville zu kommen und sich gemeinsam dem Orkan entgegenzustellen. "Lasst uns Irma zeigen, dass wir zuerst schießen", schreibt ein gewisser Ryon Edwards und schiebt ein paar Smileys nach. Mehr als 27.000 Personen kündigen per Mausklick an, bei diesem Spektakel mitmachen zu wollen.
Alles nur ein harmloser Spaß? Nicht für die Polizei im Pasco County an der Westküste Floridas. "Um es klarzustellen: Schießt nicht mit Waffen auf Irma", schreiben die Gesetzeshüter auf Twitter. Offensichtlich hatten sie die Sorge, dass jemand tatsächlich glauben könnte, mit Schüssen den Wirbelsturm irgendwie stoppen zu können.
"Ihr werdet es nicht schaffen, ihn abzuwenden. Außerdem kann das sehr gefährliche Nebenwirkungen haben", warnt der Account "Pasco Sheriff", um sich danach wieder den Evakuierungseinsätzen zuzuwenden. Reichlich genervt vom Wirbel um die "Hurricane Shooter" schiebt die Polizei in Pasco später nach, die beteiligten Facebook-Nutzer sollten sich lieber als freiwillige Helfer in den Notunterkünften nützlich machen.
Als wäre die Zerstörungskraft von "Irma" in den Tagen zuvor in der Karibik nicht schon schlimm genug gewesen, versuchten Nutzer auf Twitter, Instagram, Youtube oder Facebook das Wüten der Naturgewalten auf die Spitze zu treiben. So wurde ein Video millionenfach geteilt, auf dem zu sehen ist, wie ein gewaltiger Sturm einen Bus zum Umstürzen bringt. Allerdings handelte es sich dabei nicht um einen Live-Bericht zu "Irma", sondern um Aufnahmen von einem Zyklon in Indien aus dem Vorjahr.
Längst wird in den sozialen Netzwerken jede Naturkatastrophe oder jeder Terroranschlag von sogenannten Fake News, also Fälschungen und Manipulationen, begleitet. Häufig werden dabei alte Aufnahmen aus dem Internet kopiert und als aktuelle Fotos oder Videos eines Tatortes ausgegeben.
Falschmeldungen können zu Panik führen - wie in München
Auch die Sicherheitsbehörden in Deutschland sind alarmiert. Oftmals kursieren die Fakes zunächst in geschlossenen Messengerdiensten wie WhatsApp. Hinzu kommen noch irrtümliche Wahrnehmungen von Bedrohungslagen, die ebenfalls rasend schnell Verbreitung finden.
Im schlimmsten Fall kann dies zu Panik in der Bevölkerung führen, so wie beim Amoklauf in München im Juli 2016. Damals erhielt die Münchner Polizei nach eigenen Angaben Hinweise auf 71 sogenannte Phantom-Tatorte weit verteilt über das ganze Stadtgebiet. Die Polizei führt dies auf die Masse an Irrtümern oder gezielten Desinformationen zurück, die über die sozialen Netzwerke verbreitet wurden.
Online-Tools entlarven Fake-Fotos
Dabei hilft oft schon der gesunde Menschenverstand, um als Nutzer nicht auf Fakes hereinzufallen. Wer genau hinschaut, erkennt schnell auf Fotos und Videos, dass die Menschen, Autos oder Pflanzen gar nicht zu dem angeblichen Ort passen. Mit wenigen Klicks kann man zudem im Internet prüfen, ob ein Foto in Wahrheit nicht schon viel älter ist - mit der sogenannten Foto-Rückwärtssuche beispielsweise von Google oder Tineye.
Mithilfe dieser Technik lässt sich aktuell leicht entlarven, dass Fotos von einem angeblichen Mega-Verkehrsstau in Florida in Wahrheit von einer Flucht vor einem Hurricane in Texas stammen. Auch der Klassiker unter den Fake-Fotos, der angeblich aus einem Auto heraus fotografierte Hai auf einem überschwemmten Highway, findet bei Hurrikan "Irma" wieder Verbreitung - und verliert mit der Foto-Rückwärtssuche schnell seinen Schrecken. (dpa)
Hurrikan als TV-Ereignis
Der extrem gefährliche Hurrikan "Irma" ist in den USA auch ein gewaltiges Fernsehereignis. Allein der Sender CNN postierte Heerscharen von Reportern in ganz Florida. In Regenjacken und -hosen stemmten sie sich am Sonntag dem Sturm entgegen. Manche Berichte waren wegen starker Windgeräusche kaum zu verstehen, von anderen Reportern war wegen vollgeregneter Objektive nur wenig zu sehen.
Sie berichteten aus umtosten Häfen und von Strandpromenaden, neben entwurzelten Bäumen und umgestürzten Verkehrsschildern, aus menschenleeren Städten und inmitten überfluteter Straßenkreuzungen. Ein Reporter in Miami trug zum Schutz gegen die Wassermassen eine Skibrille. CNN hat sein gesamtes Programm auf den Hurrikan umgestellt. Seit der Nacht war eine oft wiederholte Formulierung von Moderator Chris Cuomo: "Was Sie hier sehen, ist erst das Geringste vom Schlimmsten (the least of the worst)".