Wetten,dass...?:
Haribo, Audi und die Schleichwerbe-Vorwürfe: So äußern sich die Werbekunden
Die Schleichwerbevorwürfe gegen Thomas Gottschalk und das ZDF weiten sich aus. Doch was sagen die Werbekunden dazu? W&V Online hat nachgefragt bei Audi und Michael Cremer, lange Jahre Marketingleiter bei Haribo. Cremer nimmt den Moderator und das ZDF in Schutz.
Jubelarien für Audi und Mercedes,Gummibärchen-Teller in "Wetten,dass...": Thomas Gottschalk, das ZDF und die Vermarktungsagentur Dolce Media sehen sich nicht zum ersten Mal massiven Schleichwerbevorwürfen ausgesetzt. Der "Spiegel" und das "Handelsblatt" veröffentlichten jetzt Details einiger Werbeverträge und stellen ernste Fragen nach der Trennschärfe zwischen erlaubtem Gewinnspiel-Sponsoring und verbotener Schleichwerbung.
Was sagen die Verantwortlichen bei Haribo und Audi zu diesen Vorwürfen und den damaligen Vorgängen? W&V Online hat nachgefragt.
Michael Cremer war von 1996 bis 2000 Werbeleiter und von 2005 bis zu seinem Ausscheiden 2010 Marketingleiter von Haribo. Heute ist er Marketingleiter der Lotterie-Treuhandgesellschaft Thüringen. Mit dem Cremer-Institut für Marken und Unternehmenskultur bietet er außerdem Beratung, ein wichtiges Thema für ihn: Mehr Transparenz im Mediageschäft. In seiner Zeit bei Haribo hat Cremer eng mit dem langjährigen Testimonial Thomas Gottschalk zusammengearbeitet. Im Interview mit W&V Online nimmt Cremer den Moderator und das ZDF in Schutz.
Wie bewerten Sie aus heutiger Sicht die Zusammenarbeit mit "Wetten,dass...?" Wie offen waren Gottschalk, das ZDF und Dolce Media für die Wünsche von Werbekunden?
Cremer: Haribo hatte einen Sponsoringvertrag mit dem ZDF und zu keinem Zeitpunkt mit Dolce Media. Es ging um die Sendung "Wetten dass...?" und dieser Vertrag war streng nach den Richtlinien des Rundfunkstaatsvertrags geregelt. Das ZDF-Justitiariat war da immer sehr genau. Dass Haribo jemals für die Schale mit den Fruchtgummis gezahlt hat, ist eine Legende, von wem auch immer in die Welt gesetzt. Die Schale stand bereits bei Thomas Gottschalk auf dem Tisch, als er noch Testimonial für McDonalds war. Wunscherfüllung für Werbekunden – jedenfalls für Haribo – hat es nie gegeben. Im Gegenteil: Es wurde jede Kleinigkeit, die gegen den Rundfunkstaatsvertrag verstoßen könnte, im Sinne einer konservativen Auslegung geregelt. So wurde auch 2005 die Schale mit den Fruchtgummis verbannt und durch eine mit Keksen ersetzt. Bei einer Scheckübergabe von Haribo für die Aktion "Ein Herz für Kinder" (2009) wurde von den ZDF-Verantwortlichen ausdrücklich untersagt, dass ein Goldbär-Walking-Act den Scheck übergibt. Thomas Gottschalk wollte sich da nicht einmischen, weil er genau weiß, wo die Grenzen sind. Und festzuhalten ist, dass nicht er über den Verlauf einer Sendung entscheidet, sondern die Redaktion.
Gab es entsprechende Verträge auch für Haribo? Hat Haribo für Präsenz in "Wetten, dass...?" gezahlt?
Zu meiner Zeit hat Haribo weder beim ZDF noch bei anderen Sendern für eine "Präsenz" gezahlt. Es gab Präsenter-Sponsoring nach §8 Rundfunkstaatsvertrag. Nicht mehr und nicht weniger.
Waren solche Verträge damals auch mit anderen Sendern gang und gäbe oder waren die vom ZDF schon spezifisch?
Was die Sponsoringverträge nach §8 Rundfunkstaatsvertrag angeht, waren diese spezifisch und zwar immer restriktiv. Das ging bei einer Verpackung sogar soweit, dass diese nur "angeschnitten" gezeigt werden durfte.
Wie bewerten Sie die Vorgänge aus heutiger Sicht? Hat der "Spiegel" recht? Erlaubte das ZDF Schleichwerbung?
Worum geht es im Kern? Es geht im Kern in dem Artikel um Transparenz im Mediageschäft. Damit soll sich der Spiegel und auch die W&V beschäftigen, denn da gibt es eine Menge aufzuarbeiten. Alles andere ist verkürzende Spekulation. Das ZDF hat meiner Meinung nach zu keinem Zeitpunkt Schleichwerbung erlaubt. Das ZDF hat sich an den Rundfunkstaatsvertrag gehalten. Bei der vom Spiegel monierten Schleichwerbung geht es um § 8a Rundfunkstaatsvertrag. Dort ist das mit den Gewinnspielen geregelt. Und da kann ich keinen Verstoß des ZDF erkennen. Gewinnspiele, in denen irgendetwas während der Sendung präsentiert wird, sind erlaubt. Zu keinem Zeitpunkt blieb dem Zuschauer verborgen, dass es Fahrzeuge einer bestimmten Marke zu gewinnen gibt. Und das waren zum damaligen Zeitpunkt eben Audi-Fahrzeuge. Ich will nicht ausschließen, dass es auf höchster Ebene auch Absprachen gab, aber wenn es sie gab, dann war das immer konform mit dem Rundfunkstaatsvertrag. Was als Schleichwerbung wahrgenommen wird, regelt der Rundfunkstaatsvertrag nicht. Der Vertrag legt Normen fest.
Sie sind heute als Berater für Marken tätig. Würden Sie Ihren Kunden eine Präsenz bei "Wetten,dass...?" empfehlen?
"Lustige Musikanten" oder "Wetten dass..?". Die Sendung oder das Format muss zur Marke passen. Wer zum Zuge kommt, entscheiden die Markenverantwortlichen, denn nur diese wissen um den Markenkern. Und den gilt es zu bewahren.
Und was sagt Audi?
Deutlich zurückhaltender äußert sich Audi. Der Ingolstädter Autohersteller löste Mercedes-Benz 2007 als Kooperationspartner von "Wetten,dass...?" ab. Die Details des Vertrages sind nicht bekannt. Der Autohersteller wehrt sich aber gegen die vom "Spiegel" erhobenen Vorwürfe, die Verträge mit Dolce Media enthielten zum Teil detaillierte Regie- und Moderationsanweisungen für die Sendungen: "Audi hatte und hat keinen Einfluss auf die Gestaltung der Sendung und damit auf die Art und Weise, wie die Hauptpreise präsentiert werden", erklärt ein Unternehmenssprecher. Im Sommer 2013 läuft der Vertrag mit Audi aus. Auf die Frage, ob Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit mit der Sendung besteht, heißt es: "Eine Entscheidung steht derzeit nicht an."
Gegenüber der "Zeit" hat ZDF-Intendant Thomas Bellut derweil bestritten, dass "Wetten, dass...?" für Autowerbung missbraucht wurde. "Das ZDF hat in den vergangenen Jahren keine Schleichwerbung betrieben", erklärt er in der aktuellen Ausgabe der Zeitung. Bellut räumt allerdings ein, dass es nach dem Abschied von Thomas Gottschalk als Moderator von "Wetten, dass...?" einfacher sei, "die Regeln einzuhalten". Für Gewinnspiele gebe es klare, rechtliche Regeln, so Bellut. Eine Clearingstelle, die er 2004 eingerichtet habe, kontrolliere deren Einhaltung, auch die Textvorlagen für den Moderator. Wenn sich dieser an den Wortlaut halte, gebe es keine Probleme. Allerdings: "Ein Thomas Gottschalk in einer Livesendung ist nicht kontrollierbar."
Schleichwerbung oder Sponsoring: Was ist erlaubt und was nicht? W&V-Redakteurin Petra Schwegler hat dazu die wichtigsten Infos zusammengefasst: FAQ zu Schleichwerbung.