Zukunft ohne CEO:
Grey bekommt ein neues Management
CEO Dickjan Poppema tritt Mitte nächsten Jahres ab. Seine Nachfolge aber hat er bereits geregelt: Die Agentur Grey (WPP) in Düsseldorf führen künftig drei Männer, alle von intern.
Sie haben aus der Not eine Tugend gemacht - scheint es. Die Europazentrale von Grey, seit Oktober ist Eduardo Maruri hier federführend, hat sich lange Zeit schwer getan damit, einen Nachfolger für CEO Dickjan Poppema zu finden.
Bis der auf die Idee kam, einfach ein Management-Board zu installieren. Das verfing. Ihm gehören an: der neue COO Daniel Bieber (Geburtsname: Sebastian), 37, der künftig auch den Titel General Manager trägt, Strategiechef Kim Florio, 38, und Fabian Kirner, 40, erster Kreativer. Sie alles sind schon ein paar Jahre bei Grey beschäftigt, Bieber vier, Florio drei, Kirner fünf. Alle drei hatte Poppema geholt.
Der Posten des Chief Digital Officer - André Schieck verlässt Grey demnächst - wird nicht mehr besetzt: "Digitalknowhow haben wir in der Geschäftsführung genug", sagt Florio. "Und wir sehen das ohnehin als integralen Bestandteil unserer Aufgabe." Poppema bleibt noch bis Ende Juni als Non-Executive Chairman in Düsseldorf, um den dreien beratend zur Seite zu stehen. Dann zieht er wie geplant nach Frankreich. Es ist ein geordneter Rückzug: "Ich freue mich auf einen neuen Lebensabschnitt", sagt Poppema.
Seine Zeit bei Grey war schön, jetzt ist aber auch gut.
Die Motivation der Jungen
Seine drei Nachfolger wollen bei Grey ein neues Kapitel aufschlagen, "dieser großen Agenturmarke", wie sie sagen. Im Team wollen sie agieren, auf Augenhöhe, offen, kollegial, auch wenn Bieber offiziell das letzte Wort hat. Ausnutzen will er das nicht: "Wir teilen die gleiche Vision für Grey und arbeiten seit Längerem sehr vertraut miteinander."
Poppema ist froh, endlich eine gute Lösung für Grey gefunden zu haben. Die Agentur war, seit der CEO vor ein paar Monaten seinen Abgang verkündete hatte, wie gelähmt. Die neue Führungsmannschaft ist jung und motiviert, sie wollen die Zukunft gestalten.
Und da ist, ehrlich gesagt, einiges zu tun. Grey hat zu kämpfen. Die gute Bilanz im W&V-Kreativranking - Platz 10 war es dieses Jahr - kann darüber nicht hinwegtäuschen. Die Neuen machen sich da auch überhaupt keine Illusionen. C&A hat die Agentur 2017 verloren und damit 4 Mio. Euro Honorar. War die Lage 2017 noch stabil – Grey musste Lenor (2 Mio. Euro Agenturhonorar) an London abgeben, die Folge: Nullwachstum – sinkt der Umsatz dieses Jahr.
Zurück zum Erfolg mit kreativen Geschäftsideen
"Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Marge", sagt Poppema. Die jüngsten Etatgewinne (u.a. GLS Bank, Zeiss, Wüstenrot, Huawei) konnten den Verlust nicht kompensieren, sämtliche Ziele (plus fünf Prozent Umsatzwachstum, hohe einstellige Marge) wurden verfehlt. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 machte Grey einen Umsatz von 33,5 Millionen. Euro, das war damals ein Plus von 0,6 Prozent; die Marge lag bei knapp unter zehn Prozent.
Nach wie vor gilt: Die Klassik steht unter Druck, das Wachstum tragen vor allem die Spezialunits der Gruppe wie KW 43 (Branddesign), Grey Adventures (Digital Consulting mit Kunden wie Eon, DHL), Grey Shopper und Grey Media. Auch Mitarbeiter musste die Agentur entlassen. Offiziell arbeiten noch 290 Menschen am Platz der Ideen in Düsseldorf (2017: 335); Insider gehen davon aus, dass es deutlich weniger sind.
Was nun? Die Lösung ist die bereits angekündigte Neuausrichtung, die Grey, die Werbeagentur für strategische und kreative Markenführung, auch zu einer Art Creative Company für Brand Experience machen und so zurück ins Relevant Set von Kunden und Talenten bringen soll. Um die Handlungsfelder zu erweitern. "Unsere Kreativität nutzen wir in Zukunft nicht ausschließlich dafür, Kommunikations- und Marketingprobleme zu lösen, sondern Business- und echte Verbraucherprobleme", sagt Bieber.
Greys Arbeiten sollen für den COO vor allem eins sein: "Famously Effective". So lautet das Agenturmotto. Auf der Grundlage von Consumer Insights könnte Grey also demnächst ganze Geschäftsmodelle entwickeln, erweitern oder zumindest konsistente Markenerlebnisse entlang der Customer Journey schaffen.
Das Mittel der Wahl: Silofreie Kollaboration
Die Basis dafür bildet "Borderless". Das ist das Zukunftsprogramm, dass sich Grey global verordnet hat und das ein bisschen Ogilvys "Next Chapter" ähnelt. Beide Networks gehören zur WPP-Holding.
Ganz so konsequent wie Ogilvy geht Grey zwar nicht vor, so bleiben sämtliche GmbHs erhalten, doch die Idee dahinter ist dieselbe: silofreies Arbeiten, Kollaboration über alle Grenzen hinweg, um die Probleme des Kunden schnell und in Echtzeit zu lösen. Was die Agentur selbst nicht leisten kann, decken Partner aus der Agenturgruppe, aber auch externe Firmen ab, etwa Tech-Spezialisten. Und mit den Kunden will man ganz eng kooperieren. So der Plan.
Bieber, Florio und Kirner sind zuversichtlich, dass der Markt die Neuigkeiten gut aufnehmen wird. Sie sind gewillt, neuen Schwung in die Agentur zu bringen, nicht als Bosse, sondern inspirierende Leader, wie sie sagen, Kollaboration vorlebend, aber auch kritischer: Sie wollen alles stärker hinterfragen. "Es braucht neue Impulse", sagt Poppema. "Die haben mehr Kraft als ich allein."
Schon jetzt sei das Feedback positiv. Auch die Mitarbeiter zögen mit, obwohl kein Wandel über Nacht kommt. Schon 2019 wollen sie mit einer erneuerten Grey am Markt stehen – anerkannt bei den Kunden, gefragt bei Talenten als kreativste Networkagentur in Deutschland.
Einfach wird das nicht, aber es ist ein Neuanfang.