So leicht bekleidet wie es eben geht, räkelt sie sich vor der Kamera und fabuliert über ihre sexuellen Vorlieben, eine potenzielle Karriere als Pornostar oder die Möglichkeiten der plastischen Chirurgie. Billig? Stehn die Zuschauer drauf. Krasavice gehört inzwischen zu den erfolgreichsten Youtuberinnen in Deutschland. Sie erreichte zuletzt laut socialblade.com mehr als 18 Millionen monatliche Videoabrufe innerhalb von 30 Tagen bei rund 600.000 Abonnenten. Kein Wunder, dass sie als Werbefigur interessant ist. Der Computerspielehersteller Ubisoft ließ sein neustes Spiel "Far Cry Primal" (USK 16) von Krasavice bewerben (Videotitel: "S*X in einer Höhle"), um die begehrte junge, männliche Zielgruppe zu erreichen. Nur eine Geschmacksfrage oder ein Fall für die Sittenwächter?

Technisch gesehen ist Youtube längst erwachsen. Google hat Youtube in Deutschland mit einer Alterskennzeichnung "ab 18" versehen. Entsprechende Filtersoftware erkennt die Videoplattform als nicht für Kinder und Jugendliche geeignet und blockt die Seite. So viel zur Theorie.

In der Praxis sind diese Filterprogramme den meisten Nutzern völlig unbekannt. Zudem sind viele Inhalte auf Youtube ja unproblematisch und können von Kindern und Jugendlichen gesehen werden. Murat Özkilic, Sprecher von jugendschutz.net, würde sich wünschen, dass man auf Youtube einzelne Kanäle mit entsprechenden Alterseinstufungen versehen könnte. Das würde es auch Rechtsunsicherheiten für Kanalbetreiber beseitigen, denn:

"nach Ansicht von jugendschutz.net handelt es sich bei Youtube-Kanälen grundsätzlich um Telemedien im Sinne des Jugendmedienschutzstaatsvertrags. Kanalbetreiber sind als Inhalteanbieter die Hauptverantwortlichen zur Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen."

Zwar lassen sich einzelne Videos als nicht jugendfrei kennzeichnen. Für Kanalbetreiber ist das aber eine wenig reizvolle und darum kaum genutzte Option. Schließlich schaltet man damit auch die Monetarisierung für den entsprechenden Clip ab. Auch das so genannte "Flagging" von anstößigen Inhalten – die Meldefunktion von Youtube – funktioniert auf der Plattform mehr schlecht als recht. Denn warum sollten ausgerechnet die Fans eines Künstlers ein Interesse daran haben, Videos zu flaggen, die sie selber gerne sehen. Was ist also mit dem Let’s Player, der ein Spiel spielt, dass erst ab 18 erhältlich ist? Wie geht man damit um, dass immer mehr Youtube-Sternchen eine Porno-Ästhetik nutzen, um viele Klicks zu generieren?

"Der Jugendschutz wird zunehmend wichtiger. Ein Thema, mit dem auch wir uns beschäftigen. Wir beraten und sensibilisieren unsere Partner unter Berücksichtigung der Spielregeln der jeweiligen Plattformen", beteuert Stephan Schilling, Senior PR & Communications Manager bei Divimove. Einen eigenen Jugendschutzbeauftragten als Ansprechpartner für mögliche Beanstandungen oder Verstöße gibt es bei dem Netzwerk aktuell nicht.

Andere Video-Netzwerke wie Mediakraft oder Studio 71 weisen eine solche Position bereits im Impressum aus. Laut Jugendmedienschutzstaatsvertrag sind geschäftsmäßige Telemedienanbieter mit mehr als 50 Mitarbeitern oder mehr als zehn Millionen Zugriffen pro Monat verpflichtet, einen solchen zu stellen.

Das Thema könnte in Zukunft noch relevanter werden. Wie üblich dauert es auf Youtube nicht lange, bis erfolgreiche Formate übernommen werden. Dank satter Crosspromo von Krasavice ("P*rnostar leckt mich!") kommt die Amateurpornodarstellerin "Lucycat" bereits auf eine Million Views im Monat und mehr als 50.000 Abonnenten, obwohl sie selbst erst neun Videos auf ihrem Kanal hat.

Im November 2015 gelang der drallen Amateurdarstellerin Luna Love auf dem Pornoportal xHamster ein viraler Hit mit ihrem Video "Doggy Bi", einer Parodie auf Youtubes Beautysternchen Dagi Bee. Auch Luna Love hat einen eigenen Youtube-Kanal, der auf den skurrilen Namen "Lunas Wurstbrot" läuft. Zur Zeit folgen ihr mehr als 20.000 Abonnenten.

Bliebe noch Lexy Roxx zu nennen, selbsternannter "geilster Stern am Pornohimmel". Auf Youtube kommt sie auf zur Zeit 80.000 Abonnenten. Wenn sie keine Shopping-Hauls im Sex-Shop macht, klärt sie ihre Zuschauer darüber auf, wie "Analverkehr mit jeder Frau" klappt. Damit, und durch Crosspromo von anderen Kanälen, konnte sie ihre Abrufe zuletzt deutlich steigern. Zwischenzeitlich waren es über eine Million, zur Zeit sind es rund 800.000.

Die Zahlen mögen bei der ein oder anderen noch überschaubar sein. Aber es handelt sich hier nicht um eine Nische abseits des Youtube-Mainstreams. Die Sternchen aus dem Pornomilieu suchen gezielt die Nähe und die Reichweite der etablierten Youtuber. Lucycat tauchte schon in Videos von Szenestar Simon Unge auf. Auch Luna Love und Lexy Roxx kooperierten schon mit anderen Youtubern.

Nun ist das Thema "Sex" auf Youtube beileibe nichts Neues. Zu den Urgesteinen der deutschen Youtube-Szene gehört auch der Kanal "61 Minuten Sex", betrieben von Jan Winter und Gianna Chanel. Die beiden Sexualpädagogen sind quasi das "Dr. Sommer Team" der Youtube-Generation.

Winter, der auch im Jury-Präsidium des Deutschen Webvideopreises sitzt, findet es nicht schlimm, dass Sexualität ein großes Thema auf Youtube ist: "Auch Pornostars haben ein ganz normales Leben. Warum sollen sie auf Youtube nicht über ihren Alltag berichten dürfen?", sagt er und betont, dass es vor allem darauf ankomme, die Medienkompetenz der Zuschauer zu schulen. Jugendschutzsoftware findet er "weitgehend nutzlos".

Wünschenswert wäre etwas anderes: "Wir bräuchten eine bundesweite Kampage, die Lehrer, Eltern und Kinder miteinbezieht und darüber aufklärt, wie Plattformen wie Youtube funktionieren und wie man mit möglicherweise entwicklungsgefährdenden Inhalten umgeht. Es muss darum gehen, die Eigenverantwortung von Jugendlichen zu stärken, so dass sie selber entscheiden können, welche Inhalte sie sehen wollen und welche nicht."

Mit Regulierung allein wird man jedenfalls nicht weiterkommen. Zwar ist eine Revision des Jugendmedienschutzstaatsvertrag noch für dieses Jahr vorgesehen; die letzte Fassung stammt von 2003. Doch ob ein deutsches Paragrafenwerk in der Lage sein wird, die Lebenswirklichkeit junger Menschen abzudecken, darf man getrost bezweifeln. Und zur Zeit gehört zu dieser Lebenswirklichkeit eben auch der Alltag von Pornodarstellerinnen - oder solchen, die es werden wollen.


Autor: Moritz Meyer

Moritz Meyer (Jg. 1981) schreibt hauptsächlich über Online-Video und den digitalen Wandel. Er war schon so häufig im Internet, dass er aus Versehen mal in einem Video von Y-Titty gelandet ist. Wenn er nicht auf Burgen lebt, trifft man ihn meist in Köln. Fun Fact: Liest immer noch Comics von den Teenage Mutant Ninja Turtles.