
Volkswagen:
Gläserne Manufaktur wird Symbol für Elektro-Marke VW
Stromer statt Spritfresser: Die einstige Phaeton-Vorzeigefabrik von VW in Dresden wandelt sich zum Zentrum für Elektromobilität. Dort wird künftig der E-Golf gefertigt - ein sichtbares Zeichen für die Neuausrichtung der Marke. Auch BMW arbeitet an der Transformation.

Foto: Volkswagen
Nach Monaten des Stillstands kommt Bewegung in die Gläserne Manufaktur von Volkswagen in Dresden: Die Fließbänder aus Holz, auf denen einst der Luxuswagen Phaeton durch die Hallen schwebte, werden umgerüstet und runderneuert. Nach Monaten des Bangens und Hoffens steht fest: Von April 2017 an werden in der Fabrik in Glas-Optik wieder Autos gefertigt, dann rollt hier der neue E-Golf vom Band. VW-Sachsen-Chef Siegfried Fiebig spricht von "elektrischer Aufbruchstimmung", Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) von einem "neuen Zeitalter der Industriegeschichte".
Ins Projekt kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt Bewegung: Volkswagen hat gerade verkündet, dass das Unternehmen im Rahmen des so genannten Zukunftspakts allein in Deutschland bis 2025 bis zu 23.000 Stellen streichen werde. Weltweit sollen bis zu 30.000 Jobs wegfallen. Der gesamte Volkswagen-Konzern beschäftigt insgesamt mehr als 624.000 Menschen, 282.000 davon in Deutschland - ein Teil davon bald im Bereich E-Mobilität.
Dresden soll nun - neben Wolfsburg - zum zweiten Produktionsstandort für den neuen E-Golf werden. 35 Autos pro Tag sollen zunächst montiert werden. Wie sich die Stückzahl weiter entwickelt, hängt von der Nachfrage ab. Ausgelegt ist die Manufaktur für bis zu 100 Fahrzeuge am Tag. Zum Vergleich: Der VW-Konzern hat im vergangenen Jahr mehr als zehn Millionen Autos gebaut - rein rechnerisch also mehr als 27.000 am Tag.
Gefahren wird die Manufaktur zunächst im Ein-Schicht-Betrieb. Damit kehrt ein Teil der Beschäftigten, die nach dem Phaeton-Aus auf andere VW-Standorte verteilt wurden, nach Dresden zurück. Genaue Zahlen nannte Volkswagen nicht. Zuletzt waren noch rund 100 der ehemals 500 Mitarbeiter in der Manufaktur beschäftigt. "Wir erwarten, dass noch weitere Schritte folgen", so der Dresdner Betriebsratsvorsitzende Thomas Aehling.
Mehr als 20 Millionen Euro investiert Europas größter Autobauer in eine flexible Montage am Standort Dresden und in den Umbau der Manufaktur. Die flexiblen Produktionslinien machen es möglich, erst einen Phaeton zu bauen und danach einen Golf, erklärt Fiebig. Die lackierte Karosse wird angeliefert und in mehr als 300 Arbeitsschritten zusammengesetzt - unter den Augen der Besucher. Volkswagen will zudem gemeinsame Projekte mit Dresdner Forschungseinrichtungen zum Thema E-Mobilität anstoßen und im nächsten Jahr ein eigenes Forscherteam aufbauen.
Zentrum für Elektromobilität
Die einstige Luxus-Vorzeigefabrik von VW wandelt sich zu einem Zentrum für Elektromobilität - und ist damit zugleich ein Symbol für die Neuausrichtung der Marke. VW-Entwicklungsvorstand Frank Welsch spricht in Dresden von einem "Neuanfang mit starker Signalwirkung". Volkswagen will sich nach dem Abgas-Skandal neu aufstellen und unter anderem die Elektromobilität massiv ausbauen. Bis 2025 soll die Elektroflotte des Konzerns auf 30 Modelle anwachsen.
Noch hält sich die Nachfrage aber in Grenzen, Reichweite und Preis schrecken viele Autofans ab. So stößt etwa die von großen Hoffnungen begleitete Elektroauto-Kaufprämie bisher auf verhaltenes Interesse. Seit Anfang Juli können Kunden rückwirkend für Fahrzeuge, die vom 18. Mai an gekauft wurden, beim zuständigen Amt Bafa die Förderung beantragen. Für reine "Stromer" gibt es 4000 Euro und für Hybridwagen 3000 Euro. Bis Ende Oktober gingen gerade einmal 5782 Anträge ein. Den Angaben zufolge rangieren E-Fahrzeuge von Volkswagen mit 575 Anträgen auf dem vierten Platz - hinter BMW, Renault und Audi.
Entwicklungsvorstand Frank Welsch gibt sich optimistisch, mit dem neuen E-Golf zu punkten. So habe man mit einer Reichweite von 300 Kilometern einen kritischen Punkt verbessert. "Damit ist das Auto auch eine Alternative für Pendler." Welsch betont, dass Europas größter Autobauer von einer wachsenden Nachfrage nach E-Fahrzeugen ausgeht. "Wir verlagern nichts, wir legen etwas obendrauf", sagt Welsch mit Blick auf den neuen Fertigungsstandort. "Ich freue mich auf den neuen E-Golf made in Dresden."
BMW-Chef: "Elektromobilität ist kein Hype"
Auch aus Sicht von BMW-Chef Harald Krüger ist der Durchbruch von Elektro-Autos nicht aufzuhalten. "Elektromobilität ist kein Hype, sondern ein Transformationsprozess", sagte Krüger am Donnerstag in Berlin beim Wirtschaftsgipfel der "Süddeutschen Zeitung". Es gehe auch um neue globale Wertschöpfungsmodelle. Jeder Hersteller benötige bis zum Jahr 2020 in seiner Flotte einen bestimmten Anteil von Elektro-Autos als Beitrag zum Abbau des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2). Elektromobilität sei allerdings ein Marathon, sagte Krüger. Bisher habe man davon noch nicht einmal die Hälfte zurückgelegt.
Elektromobilität gehe zudem Hand in Hand mit autonomem Fahren. Das autonome Fahren werde nur schrittweise und kontinuierlich und nicht auf einen Schlag kommen. Ab 2020 seien die nächsten Schritte zu erwarten. Es werde aber noch "eine ganze Zeit lang dauern", bis ein völlig autarkes Fahren möglich sein werde. Krüger hatte jüngst angekündigt, 2017 den Absatz von Elektro-Autos um zwei Drittel zu steigern. 2017 werde ein Verkauf von 100.000 elektrifizierten Autos angestrebt nach 60 000 im laufenden Jahr.