Das Beste, was Männer sein können:
Gillette reagiert auf Gleichberechtigung - und erntet Shitstorm
Unter anderem infolge von #MeToo will der Rasiererhersteller seinen Beitrag zum modernen Männerbild leisten. Das kommt in der Zielgruppe nicht nur gut an.
"The Best A Man Can Get" - sinngemäß: "Das Beste, was ein Mann kriegen kann" - ist Geschichte (bei uns hieß der Slogan "Für das Beste im Mann").
Ihren 30 Jahre alten Claim gibt die Marke Gillette aus dem Konzern Procter & Gamble auf und geht mit der Zeit. Einer Zeit, in der unter anderem aufgrund der #MeToo-Bewegung wieder mehr über moderne Rollenbilder gesprochen wird.
Dazu will der Rasiererhersteller seinen Beitrag leisten. An "The Best Men Can Be", sinngemäß "Das Beste, was Männer sein können", will Gillette mit diesem neuen Markenclaim appellieren. Die Kampagne der Agentur Grey New York hinterfragt aktiv Stereotype und Erwartungen an Männer. Das umfasst alle Kommunikationskanäle, von Werbemotiven über Social Media und die Wortwahl. Produktion: Somesuch; Regie: Kim Gehrig.
Darüber hinaus kündigte Gillette an, als Teil der Kampagne bis 2021 jährlich 1 Million Dollar an Non-Profit-Organisationen in den USA zu spenden, die Programme umsetzen, um Männer zu inspirieren und weiterzubilden.
Der Spot ist ebenso mutig wie höchste Zeit. Und nicht ohne Risiko: Einige Vertreter der Zielgruppe fühlen sich von dem Spot angegriffen, der Männer unter anderem mit Mobbing und Belästigung in Verbindung bringt und gleich zu Beginn den Begriff "toxische Männlichkeit" zitiert.
Seinen alten Slogan liest Gillette zwar als einen Ansporn, der sich an Standards orientiere, die Männer zu erreichen suchten. Aber in der heutigen Zeit entstehe leicht der Eindruck, dass Männer nicht das beste Bild abgeben. Das teilte die Marke auf ihrer Webseite mit.
Gillette sieht viele von ihnen "an einem Scheideweg, gefangen zwischen der Vergangenheit und einer neuen Ära der Männlichkeit". Veränderungen seien notwendig, wie ein Anfang gemacht werden könne, sei oft nicht so klar. Außerdem verunsichern uns Veränderungen. Hier sieht Gillette seine Rolle: Es will Männer bei diesem Prozess ermutigen und unterstützen. Und seine Verantwortung wahrnehmen.
Das passt zu den immer häufiger laut werdenden Forderungen auch aus der Branche, dass Marken heutzutage Haltung zeigen sollten. Haltung eckt bisweilen aber auch an.
Es ist an der Zeit anzuerkennen, dass Marken wie unsere Einfluss auf die Kultur haben.
"Als Unternehmen, das Männer dazu ermutigt, die beste Version ihrer selbst zu sein, haben wir eine Verantwortung dafür, eine positive, erreichbare und gesunde Version dessen zu fördern, was es heißt, ein Mann zu sein." Procter & Gamble steht auch hinter Kampagnen wie Always "Like a Girl" und "Strong is Beautiful" für Pantene.
Bei den Überlegungen zum Männerbild für Gillette ist nun also der Claim "The Best Men Can Be" herausgekommen - und ein Spot, der die Richtung deutlich macht.
"Wir laden alle Männer ein, diese Reise gemeinsam mit uns anzutreten - und danach zu streben besser zu werden, uns besser zu machen und und gegenseitig dabei zu helfen, besser zu sein", verspricht die Unternehmensmitteilung. Ziel sei, neue Vorbilder für Jungen zu schaffen.
Der Mut wird nicht von allen honoriert
An der Reise werden offenbar einige nicht teilnehmen: Gillette erntete viel Kritik und Boykottaufrufe im Social Web. Darüber ist das Unternehmen nicht überrascht. "Wir haben die Debatte erwartet. Eigentlich ist eine Diskussion nötig. Wenn wir nicht darüber reden, glaube ich nicht, dass sich etwas ändern wird", zitiert CNN Business den Nordamerika-Markenverantwortlichen Pankaj Bhalla.
Seit der Veröffentlichung am 13. Januar in den USA wurde der Werbespot auf Youtube mehr als 3 Millionen Mal abgerufen. Und sammelte 260.000 Daumen nach unten (Daumen hoch: 42.000) und mehr als 70.000 Kommentare, viele davon aufgebracht (desgleichen bei Twitter und Facebook: Hier gab es 26.000 erboste Emojis vs. 24.000 Herzen und Daumen hoch). Einige Nutzer äußern aber auch Zuspruch.
Während der Vorbereitung zur neuen Kampagne hat Gillette untersucht, wie Männer und Frauen in den USA unter dem "besten Mann" verstehen. Die Befragung unterstreicht die Bedeutung von "Soft Skills", besonders für Väter. Großartige Männer seien vor allem ehrlich (sagten 64 Prozent aller Befragten), moralisch integer (51 Prozent), sie arbeiten hart (43 Prozent) und respektieren andere (41 Prozent). Das Wichtigste für einen tollen Mann sei es, ein guter Vater zu sein (95 Prozent). 96 bzw. 95 Prozent der befragten Frauen und Männer sagten, ein toller Mann sei ein gutes Vorbild für andere und handle, wenn jemand in Not sei.