
GfK-Kaufkraft-Studie: Die "Sogwirkung" von Städten als Einkaufsort
Viele Menschen kaufen nicht dort ein, wo sie wohnen. Die Marktforscher der GfK ermitteln deshalb in einer neuen Studie, wo die Kaufkraft wohnt und welche Anziehungskraft deutsche Städten und Gemeinden als Einkaufsort haben. Interessanterweise liegen dabei nicht unbedingt die Metropolen vorne.
Rund 410 Milliarden Euro setzt der deutsche Einzelhandel jährlich um. Dieser Umsatz verteilt sich im Bundesgebiet höchst unterschiedlich - und ganz anders als die Kaufkraft. Denn die Menschen kaufen oft nicht dort ein, wo sie wohnen, wie die GfK in der Studie Einzelhandelszentralität 2012 ermittelt hat. Die Untersuchung zeigt, wo die Kaufkraft wohnt und welche "Sogwirkung" eine Stadt als Einkaufsort hat. Und sie gibt Hinweise, in welchen Regionen noch Potenzial für den Einzelhandel schlummert.
Dabei schlüsseln die Marktforscher für Bundesländer, Kreise und Gemeinden ab 10.000 Einwohnern die Summen auf, die den Menschen pro Kopf für Einzelhandelsausgaben zur Verfügung stehen. Die regionalen Unterschiede in der prognostizierten Einzelhandelskaufkraft 2012 in Deutschland sind demnach enorm: Sie reichen von knapp 7.100 Euro im Hochtaunuskreis bis rund 4.500 Euro im Eifelkreis Bitburg-Prüm.
Simone Baecker-Neuchl, Marktdatenexpertin von GfK GeoMarketing, erläutert: "Der klassische stationäre Einzelhandel in Deutschland kämpft an vielen Fronten: Mit der Zunahme des überregionalen Preiskampfes durch den Onlinehandel und der Preissensibilität der deutschen Verbraucher allgemein. Dazu kommt die unsichere Lage des Euro samt steigenden Transport- und Handelskosten. Die logische Konsequenz: Der Einzelhändler muss wissen, wie er seine Ware dorthin bringt, wo genügend kaufkräftige Kunden einkaufen. Werbung muss er aber vor allem dort schalten, wo die Zielgruppe wohnt."
Und welche Regionen haben nun eine besondere Sogwirkung? Auf Kreisebene liegt hier der Stadtkreis Straubing bundesweit mit einer Zentralität (siehe Kasten) von 224,2 ganz vorn, Schlusslicht ist der Landkreis Würzburg mit einer "Anziehungskraft" von 57,4. Der Stadtkreis Würzburg hat laut der Studie dagegen eine Zentralität von 186,3, was ihn bundesweit auf Rang 7 bringt. Überwiegend liegen Stadtkreise vorn, denn hier ballt sich der Einzelhandel und verstärkt somit die Sogkraft auf das Umland. Dies wird am Beispiel Würzburg sichtbar: Die Einwohner des Landkreises Würzburg fahren zum Einkaufen meist in die nahegelegene Stadt Würzburg und geben dort den Großteil ihrer Einzelhandelskaufkraft aus.
Die Spitzenplätze im Ranking werden dabei nicht von den großen Einkaufsmetropolen wie Berlin, München oder Düsseldorf belegt. Stattdessen liegen Städte wie Straubing, Weiden oder Passau vorne - Mittelzentren für ein ländlich geprägtes Umfeld. Da auf dem Land meist nur wenige Einzelhandelsangebote zu finden sind, bedienen diese Städte ein großes Einzugsgebiet, in dem relativ viel Kaufkraft steckt. Gleichzeitig haben die Städte selbst eine eher geringe Einwohnerzahl, so dass der Kaufkraftzufluss vom Umland die Kaufkraft der Stadtbewohner deutlich übertrifft.
Anders ist es, wenn Städte über große Einzelhandelsobjekte auf der "grünen Wiese" verfügen, wie Shopping Center oder Factory Outlet Center, die ihre Magnetwirkung oft weit über die regionalen Grenzen hinweg entfalten - ein solcher Effekt ist laut GfK etwa im zehntplatzierten Kreis Zweibrücken erkennbar, dort gibt es ein großes Factory Outlet Center. Das Fazit der GfK: Einzelhändler tun gut daran, Standortentwicklung in Mittelstädten nicht zu vernachlässigen.
Die Top 10 Kreise machen ein knappes Fünftel (18 Prozent) des gesamten stationären Einzelhandelsumsatzes von rund 410 Milliarden Euro in Deutschland aus. Die Einwohner dieser Großstädte lassen einen beträchtlichen Teil ihrer Kaufkraft in der Heimatstadt. Das, was abfließt, wird überkompensiert durch Shoppingbesucher und Touristen von außerhalb. Die Nürnberger Einzelhändler ziehen demnach gut 30 Prozent zusätzlicher Kaufkraft von außerhalb an.
Mit Ausnahme der einwohnerstärksten Städte kaufen die Verbraucher also oft nicht da ein, wo sie wohnen. Die Menschen tragen stattdessen ihre Kaufkraft in das nächste städtische Mittelzentrum, in ein Einkaufszentrum oder gar auf Event-Shoppingtour in eine Großstadt weitab des Wohnorts. Zu wissen, wo die Kaufkraft wohnt, ist für Einzelhändler dennoch wichtig - um wohnortnahe Standorte zu planen oder Werbung zielgerichtet regional zu schalten. Wo sich diese lohnt, zeigt die Tabelle über Einzelhandelskaufkraft:
Weitere Informationen zur Studie gibt es unter www.gfk-geomarketing.de/zentralitaet.