RTL Group :
Fremantle kooperiert mit Vice - für das TV von morgen
Der RTL-Group-Produktionsarm FremantleMedia schafft zusammen mit dem Medien-Phänomen Vice ein Food-Vertical - Testlabor für junge TV-Inhalte.
Inhalte, Inhalte, Inhalte: Sie sind das Ziel einer neuen Kooperation zwischen dem RTL-Group-Produktionsarm FremantleMedia und dem expansiven Medienimperium Vice mit seiner begehrten jungen Zielgruppe. Zum Auftakt soll Anfang April eine noch namenlose Sammelplattform - ein "Vertical" - rund um Food-Themen für junge Nutzer online gehen. Mit drei Wirkungsstätten: London, Berlin und New York. Beim "American Idol"-Produzent steht die Produktion von Inhalten im Vordergrund, von Vice kommt unter anderem ein passendes Werbenetzwerk und existente Kult-Formate wie die "Munchies", die Antwort auf fade TV-Köche. Klar ist: Das Vertical ist auch ein Testlabor für neue TV-Inhalte. Laut Vice-Präsident Andrew Creighton sollen gemeinsam "hunderte Stunden an Inhalten" entwickelt und produziert werden. Dann wird Vice die Produktionen rund um Essensthemen – Videos, Artikel, Rezepte – digital verbreiten, inklusive einer eigenen Seite, einem YouTube-Channel und Apps. FremantleMedia indes wird zusehen, dass die gut abgefragten Bewegtbildinhalte weltweit im TV verteilt werden. Die beiden Unternehmen tun sich für das Fernsehen von morgen zusammen.
Das Food-Netzwerk ist nach Creightons Angaben eine "signifikante Investition für beide Unternehmen". Bis zu 60 Mitarbeiter sollen daran mitwirken, zwei Drittel der Einnahmen gehen demnach an Vice. Vor allem aus Werbung soll sich das Projekt finanzieren. Beide Unternehmen gehen davon aus, dass sie zum Start im April eine Reihe von Kunden mit an Bord haben werden. "Markenartikler" hätten ihre Teilhabe schon zugesagt, heißt es. Die Vermarktung wird in erste Linie bei Vice liegen, bei größeren Partnern und umfangreichen Werbedeals wird das Team der Bertelsmann-RTL-Group-Tochter zur Seite stehen. Wichtige Sponsoren-Plattformen rund um das Food-Imperium will Creighton unter anderem im April auf der Fernsehmesse MipTV präsentieren. Überhaupt zeigen sich Vice und Fremantle offen für neue Werbeideen.
FremantleMedia wird die Inhalte auf zwei Wegen in den TV-Vertrieb bringen. Funktioniert eine Bewegtbildreihe im neuen Vertical gut, wird sie übernommen, womöglich erweitert und dann an die Fernsehsender gebracht. Die andere Variante sieht vor, die für die digitale Plattform entwickelten Ideen oder Shows zu nehmen und sie für das Fernsehen neu zu produzieren. In beiden Fällen ist gewährleistet, dass FremantleMedia die Reaktionen des potenziellen Publikums bereits kennt: Sie werden zuvor auf der neuen digitalen Food-Plattform getestet. FremantleMedia ist mehr als startbereit: "Wir haben bereits einige starke Idee, die schnell den Weg ins TV finden könnten", betont Keith Hindle, CEO der noch jungen US-FremantleMedia-Division "Digital and Branded Entertainment". Warum ein Food-Vertical (übrigens die neunte Sammelplattform von Vice)? Über zwei Jahre haben Vice und FremantleMedia die Zusammenarbeit geplant, irgendwann wurde der Bereich Essen ausgewählt. Vice ist hier kein unbeschriebenes Blatt: Die 1994 als Printtitel gestartete Medienmarke zählt den "Food-Bereich" auf Vice.com zur Nummer drei nach Zugriffszahlen. Für gestreamte Videos der Vice-Online-Serie "Munchies" stehen Haubenköche wie Anthony Bourdain vor den Töpfen.
Die Vice-FremantleMedia-Ehe ähnelt dem Vorgehen mancher Printtitel im Food-Bereich: Es wird gedruckt, was im Netz rege geteilt wird. So liegt etwa der einstige reine Blog "Sweet Paul" seit 2012 auch als Printtitel am Kiosk. Schöne Bildsprache, leckere Rezepte und kreative DIY-Ideen funktionieren – so heißt das Rezept in Heft und Web. Darüber hinaus empfehlen diverse Studien seit geraumer Zeit, dass sich TV stärker an den Bedürfnissen der Zuschauer ausrichten müsse. Sie zu kennen – dabei helfen Internet und Social Web.
Der Schulterschluss mit Vice ist klug gewählt: Die Vice-Welt mit ihrer Kernzielgruppe der 18- bis 35-Jährigen umfasst inzwischen ein kostenloses Printmagazin mit einer Auflage von weltweit 1,2 Millionen Exemplaren. Dazu gehören mehrere Online-Plattformen mit weltweit 4,5 Millionen Unique Usern, 600 Stunden Videoinhalten und TV-Programm, lizenziert bei 50 TV-Stationen weltweit. Nicht nur auf HBO sendet Vice nun regelmäßig. Auch "Spiegel", BBC oder das ZDF und viele andere kaufen Vice-Inhalte als Lizenzware, um sie auf ihren Plattformen zu zeigen. Vice kommt zudem auf mehr als fünf Millionen YouTube-Views in einer Woche. Zum Konzern gehören eine Inhouse-Werbeagentur, ein Musiklabel, eine Event-Agentur, Bücher und Kinofilme. Die Umsätze explodierten von 64 Millionen Euro (2010) auf 200 Millionen Euro im Jahr 2013, ein Viertel steuert das Geschäft mit TV-Lizenzen und Auftragsproduktionen bei. Wichtige Säulen sind auch das Agenturgeschäft und die Medienvermarktung.