Studie:
Flüchtlingskampagnen steigern die Polarität in sozialen Netzwerken
Wie groß ist die Unterstützung der Asylsuchenden auf Facebook und Twitter im Verhältnis zu Anti-Zuwanderungs-Kommentaren und welche Wirkung zeigen Kampagnen wie #mundaufmachen von Joko & Klaas im Netz? Das untersuchte eine Forschergruppe des Munich Digital Institute.
Mit der steigenden Zahl an Flüchtlingen überschwemmen immer mehr fremdenfeindliche Kommentare die sozialen Netzwerke und diese werden auch nicht alle und sofort entfernt. Diese Problematik beschäftigt unter anderem gerade Bundesjustizminister Maas, der sich hierzu mit Facebook treffen will. Wie groß aber ist die Unterstützung der Asylsuchenden auf Facebook und Twitter im Verhältnis, welche Tonalität haben die Argumente der User und welche Wirkung zeigen Kampagnen wie #mundaufmachen von Joko & Klaas im Netz? Diese Fragen untersuchte das Munich Digital Institute in der "Digital-Analyse Flüchtlings- und Einwanderungsdiskussion 2014-2015".
Die Studie zeigt, dass die Unterstützung für die Flüchtlinge in Facebook-Kommentaren steigt. Im August 2015 waren mehr als die Hälfte klar Pro-Zuwanderung zuzuordnen (51 Prozent), vier Prozent als klar negativ. Der Jahresdurchschnitt für das laufende Jahr liegt bei 36 Prozent klar positiv, sieben Prozent klar negativ. Als Datenbasis dienten dem Forscherteam vom Munich Digital Institute Facebook-Kommentare unter den Seiten von Bild, Welt, Süddeutsche Zeitung, Zeit, FAZ und Tagesschau. Gelöschte Hasskommentare wurden dabei nicht berücksichtigt.
Weiterhin ergab die Analyse, dass die Anzahl der neutralen, informellen und sachlichen Facebook-Kommentare zum Thema Zuwanderung unter den Medienbeiträgen über den ganzen Untersuchungszeitraum hinweg über 90 Prozent lag. Der Anteil sichtbarer vulgärer, aggressiver Kommentare lag konstant unter zehn Prozent. Allerdings fielen auch hier gelöschte Hasstiraden aus der Untersuchung heraus.
Untersucht wurde zudem die Auswirkung von digitalen Pro-Flüchtlings-Kampagnen am Beispiel des Tagesschau-Kommentars von Anja Reschke sowie dem Video "Das wird man wohl noch sagen dürfen #mundaufmachen" der Moderatoren Joko&Klaas. Die Tonalität der Nutzer-Beiträge unter dem Kommentar von Anja Reschke unterscheidet sich dabei vom Jahres-Durchschnitt unter den vorher analysierten Medienbeiträgen insofern, als dass es vor allem weniger neutrale Kommentare hierzu gibt. Außerdem schließt die Forschergruppe aus den Ergebnissen , dass "kontroverse" Beiträge bzw. Beiträge mit einem starken Aufforderungscharakter durch die klare Stellungnahme sowie bewusste Provokation einerseits die negative Tonalität der Kommentare steigert, andererseits aber auch deutlich mehr positive Reaktionen hervorruft.
Die Facebook-Kommentare zum Video von Joko&Klaas im Vergleich zum Reschke-Kommentar zeichnen ein ganz ähnliches Bild. Hier liegt die positive Tonalität beinahe doppelt so hoch wie beim Durchschnitt der redaktionellen Beiträge. Der Unterschied: Joko und Klaas haben als Personen der Unterhaltungsindustrie eine größere Fan-Base. Die Anzahl der negativen und der ambivalenten Beiträge dagegen liegt genau auf dem Niveau vom Reschke-Kommentar. Die Kommentare zu Joko&Klaas weisen aber eine Eigenart auf: Die ambivalenten Kommentare kritisieren das Video häufig für seine Undifferenziertheit und fordern mehr Aufklärungsarbeit von den Entertainern, aber auch Politikern.
Bei der Sachlichkeit zeigt sich im Vergleich zu den Beiträgen unter dem Panorama-Post zu Anja Reschkes Kommentar ein deutlicher Unterschied: Unter den Kommentaren zu Joko&Klaas finden sich mit 21 Prozent deutlich mehr vulgäre Nutzerbeiträge.