
#refugeeswelcome:
Flüchtlinge in Deutschland: Wie Unternehmen helfen können
Die Flüchtlingsströme nach Deutschland lösen Ängste und Aggressionen aus, aber auch eine Welle der Hilfsbereitschaft. Damit die Integration gelingt, sind dauerhaft große und gemeinsame Anstrengungen nötig. Und zwar von allen Kräften der Gesellschaft. Was können Unternehmen und jeder Einzelne in der Branche tun? Wir haben Anregungen gesammelt.
In ihren Heimatländern sehen sie keine Zukunft mehr, deshalb nehmen hunderttausende Menschen die meist lebensgefährliche Flucht auf sich, lassen sich von Schleppern ausnehmen und riskieren ihren Tod und den ihrer Familien, um nach Europa zu gelangen. Das Bild des kleinen, toten Jungen an der türkischen Küste steht stellvertretend für sie alle. Sein Schicksal schockiert die Welt.
Tausende verzweifelte Menschen zieht es nach Deutschland, wo sie sich eine sichere Zukunft und Perspektive erhoffen. Nicht nur aus Menschlichkeit tut Deutschland gut daran, Flüchtlingen diese Perspektive auch zu gewähren und sie dabei tatkräftig zu unterstützten. Sondern auch um die eigene Zukunft zu sichern. "Die aktuelle Flüchtlingswelle ist eine riesige Chance für Deutschland", sagt Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky.
Der Direktor des Trendforschungsinstituts 2b Ahead ThinkTank hält sie für ein "unerwartetes Geschenk", das den Deutschen ihren Lebensstandard auf Jahre hinaus sichern wird. Denn diese Menschen können eine drohende Lücke auf dem Arbeitsmarkt schließen. "All jene Deutschen die heute Angst und Vorbehalte haben, werden schon in zehn Jahren von der Leistung dieser Flüchtlinge leben. Die älteren Deutschen werden schon mit 67 in Rente gehen können und nicht erst mit 75. Die jüngeren Deutschen werden erheblich weniger Steuern und Rentenversicherungsbeiträge zahlen müssen, als ohne Flüchtlinge", sagt der Zukunftsforscher.
Auf die große Chance für Deutschland weist auch Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" hin, der von der Politik eine Beschleunigung der Asylverfahren verlangt.
Die Flüchtlingswelle wird unsere Gesellschaft verändern. Im Idealfall hin zur Stärkung einer pluralistischen, offenen, toleranten Gemeinschaft, die es verstanden hat, für die gesamte Bevölkerung das Beste aus der Integration zu ziehen. Und die den Rassisten und Hetzern gelebte Toleranz und Menschlichkeit entgegensetzt. Doch dafür sind dauerhaft große und gemeinsame Anstrengungen nötig. Und zwar von allen Kräften der Gesellschaft.
Was gelingen kann, wenn die Not groß ist, zeigen die vielen ehrenamtlichen Helfer, aber auch Behörden, Polizisten und Rettungskräfte, die seit Monaten Enormes leisten. Alleine in Hamburg engagieren sich über 2.000 Freiwillige in den über 90 Flüchtlingsunterkünften. In Pankow gibt es einen regelrechten "Ansturm der Hilfsbereiten". Mitunter ist das Engagement so groß, dass Spenden abgelehnt werden müssen, wie in München, wo kurzfristig Tausende Flüchtlinge am Hauptbahnhof zu versorgen waren. Hand in Hand, spontan über die Netzwerke organisiert, bereiteten auch die Münchner den erschöpften Flüchtlingen einen menschenwürdigen Empfang.
Wo Hilfe nötig ist, entsteht bei vielen der Wunsch zu helfen. Aber es muss auch sinnvoll sein. Was können Werbungtreibende, Vermarkter, Medien, Unternehmen, Blogger, jeder Einzelne tun? Wir haben Anregungen gesammelt:
Update: Viele nützliche Links bietet ein Special von Stiftung Warentest
Ehrenamt
Ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer hätten Kommunen und Städte schon längst vor der Mammut-Aufgabe kapitulieren müssen. Und tatkräftige Helfer sind weiterhin im ganzen Land gesucht. Vor allem Übersetzer, denn Flüchtlinge brauchen Orientierung und Informationen, um sich in der ungewohnten Umgebung zurecht zu finden. Und sie müssen ihre Rechte kennen. Die Organisationen suchen auch Mentoren für Flüchtlinge, die sie zu Behörden oder zum Arzt begleiten, Paten für Jugendliche, Pädagogen, Helfer in Kleiderkammern, etc.
Das Ehrenamt braucht Spenden. Und Zeit. Beides können Unternehmen bereitstellen. Etwa, indem sie freiwillig Mitarbeiter für einige Stunden ehrenamtliches Engagement freistellen, auch wenn es keinen gesetzlichen Anspruch darauf gibt.
Der Carlsen Verlag macht es vor:
Daumen hoch für den @carlsen_verlag!! #refugeeswelcome pic.twitter.com/RI4jZyqvcf
— Stefanie Leo (@Buecherkinder) 28. August 2015
Ansprechpartner
Hilfsorganisationen
Gemeinden, Ordnungsämter
Flüchtlingsräte der Städte und Länder
Eine Sammlung von Flüchtlingsprojekten gibt es unter
http://wie-kann-ich-helfen.info und bei ProAsyl.
Weitere Links für Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten:
München:
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/fluechtlinge-in-muenchen-wo-ihre-hilfe-gebraucht-wird-1.2631422
http://www.save-me-muenchen.de/
https://willkommen-in-muenchen.de/
http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Sozialreferat/Fluechtlinge/Helfen.html
Berlin
http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/index.php
https://netzwerkfluechtlingeberlin.wordpress.com/
Nordrhein-Westfalen
Hamburg
http://www.hamburg.de/hh-hilft/4384088/hamburg-hilft/
Frankfurt
Köln
http://www.drk-koeln.de/sie-wollen-helfen/ehrenamtskoordination-soziale-arbeit.html
Unterkünfte
Viele Erstaufnahmeeinrichtungen sind vollkommen überlastet, so berichtet etwa der bayerische Flüchtlingsrat von unhaltbaren Zuständen in Passau. Die Ordnungsämter und Flüchtlingsräte freuen sich über jeden Hinweis oder die Bereitstellung von freiem und ungenutzten Raum, der für die Unterbringung von Menschen geeignet ist.
Wer privat Flüchtlinge unterbringen will, kann zum Beispiel den Vermittlungsservice www.fluechtlinge-willkommen.de nutzen. Ansonsten sind die Ordnungsämter Ansprechpartner.
Sachspenden
In Flüchtlingsunterkünften wird vieles benötigt, unter anderem Spielzeug, Kleidung, Hygiene- und Gesundheitsartikeln, Bustickets, Telefonkarten, Aufladestationen, Sanitäranlagen oder Möbel. Auch Flüchtlingsambulanzen sind oft nur unzureichend ausgestattet. Auch gibt es viel Renovierungsbedarf. Viele Flüchtlingsheime liegen weit außerhalb der Zentren, benötigen Fahrräder, Transporter oder Fahrdienste. Da können sich Unternehmen vielfältig einbringen.
Die Flüchtlingshelfer bitten jedoch darum, vorher unbedingt nachzufragen, was konkret gebraucht wird. Denn auch die Logistik muss organisiert werden. Viele Flüchtlingsräte stellen deshalb konkrete Bedarfslisten auf ihre Webseiten. Auch regionale Zeitungen und Hörfunksender wie Radio FFN veröffentlichen Listen, zum Beispiel auf Facebook.
Perspektive bieten
Flüchtlinge, die bleiben dürfen, brauchen eine berufliche Perspektive. Und hier sind vor allem Unternehmen gefragt, die Ausbildungsplätze und Praktika anbieten. Oder Schulprojekte fördern.
Warum es sich etwa für kleine und mittelständische Betriebe lohnt, Flüchtlinge zu beschäftigen, erklärt dieses Papier der Bundesagentur für Arbeit. Es beschreibt auch die Fördermöglichkeiten und Unterstützung für Betriebe. Etwa im Rahmen der "Integrationsrichtlinie Bund". Die darüber geförderten Projektverbünde unterstützen Flüchtlinge, aber auch Betriebe in Fragen des Aufenthalts- und Sozialrechts und begleiten bei Bedarf auch während der Beschäftigung. Ebenso können interkulturelle Trainings für die Belegschaft vermittelt werden.
Unternehmen können sich auch an den Kosten für Deutschkurse beteiligen. Denn an den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderten und geforderten "Integrationskursen" können Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge nur teilnehmen, wenn sie auch hohe Kosten selber tragen.
Einen Vermittlungsservice bieten die Designer Philipp Kühn und David Jacob: Ihre Online-Arbeitsbörse Workeer.de bringt Flüchtlinge und Arbeitgeber zusammen und informiert über die rechtliche Situation.
Auch Ideen sind gefragt, wie Integration gelingen kann. Das Stipendienprogramm "ANKOMMER. Perspektive Deutschland" der KFW-Stiftung wendet sich etwa an angehende Startups und Initiativen, die ein bundesweit anwendbares Konzept für die Integration von Flüchtlingen erarbeiten sollen.
Unterstützung mit Geld- und Sachspenden verdienen auch Initiativen wie Refugees on Rails, die Talentierten erste Programmierer-Fähigkeiten vermitteln wollen.
Wie gut verschiedene Nationalitäten zusammenarbeiten, erklärt McDonald's in dem aktuellen Video "Willkommen in Deutschland" (#VielfaltIstChance).
Helfern helfen
Polizisten, Rettungskräfte, ehrenamtliche Helfer und Behördenmitarbeiter werden mit viel menschlichem Leid und leider auch Anfeindungen konfrontiert. Ihnen kann man zwischendurch einfach mal danken und Unterstützung anbieten. So wie die Spediteure, die spontan einer Kleiderkammer aus der Misere helfen:
Während der Staat noch politische Lösungen verhandelt, ergreifen HH #Spediteure Eigeninitiative: http://t.co/RIXtLwFPfh
#refugeeswelcome
— Wer Schon (@nichterfasst) 3. September 2015
Oder wie die Privatsender Antenne Thüringen, Landeswelle Thüringen und Radio Top 40, die am 4. September gemeinsam die Initiative "Wir sagen Danke" starten. Eine groß angelegte Spotkampagne wird Thüringer Menschen, Firmen, Einrichtungen oder Organisationen vorstellen, die menschliche Anteilnahme zeigen und Flüchtlingen helfen.
Wer konkret mit Know-how unterstützen will, kann sich bei der Initiative "Startsocial" engagieren: Sie vermittelt gemeinnützigen Initiativen Beratung bei Profis aus der Wirtschaft.
Geldspenden
Es gibt unzählige Möglichkeiten, Geld für Flüchtlingsinitiativen zu spenden. Auch hier helfen Flüchtlingshilfen und -räte dabei, die Spenden sinnvoll zu koordinieren. Flüchtlingshelfer regen etwa an, bei Jubiläumsfeiern, Geburtstagen oder Weihnachten auf Kundengeschenke zu verzichten oder Gäste um Spenden zu bitten.
Am besten wissen die Menschen selbst, was sie benötigen. Also auch den direkten Kontakt suchen. Ansprechpartner hier sind die Flüchtlingsinitiativen vor Ort.
Einige Links:
Die "Aktion-Deutschland-hilft" sammelt Geldspenden für Flüchtlinge. Es fließt nicht nur an verschiedene Hilfsorganisationen in Europa und Deutschland, sondern auch in Herkunftsländer.
Für die Rechte von Menschen auf der Flucht setzt sich die Stiftung Pro Asyl ein. Sie begleitet Flüchtlinge in ihren Asylverfahren und steht ihnen mit konkreter Einzelfallhilfe zur Seite.
Eine von vielen privaten Initiativen:
Die Initiative #Bloggerfuerfluechtlinge von Nico Lumma, Stefan Paul, Karla Paul und Paul Huizing hat bereits über 90.000 Euro gesammelt. Der Spendenstand wird transparent auf der Website anzeigt.
#AktionArschloch: Die 22 Jahre alte Anti-Nazi-Hymne "Schrei nach Liebe" von den "Ärzten" ist heute noch so aktuell wie damals. Grund genug für Fans, diese Aktion zu starten und das Lied wieder in die Charts zu hieven. Die Einnahmen aus den Downloads fließen an Pro Asyl.
Sich klar bekennen
Zu einem der höchsten Güter einer Demokratie gehört die Meinungsfreiheit. Sie ist ein mächtiges Instrument, das aber auch Rassisten und Hetzer nutzen, um auf Märschen und in Hasskommentaren ihr Weltbild zu verbreiten. Ändern wird man diese Menschen kaum, aber jeder Einzelne kann die Vision von Deutschland und Europa mitgestalten, und das Bild dieser Gesellschaft, das in die Welt und die sozialen Netzwerke getragen wird.
Viele Bürger, Prominente, Agenturen, Unternehmen und Fußballvereine setzen sich bereits klar und deutlich in der Öffentlichkeit für ein weltoffenes, vielfältiges Deutschland und gegen Fremdenfeindlichkeit ein. Unter anderem unter diesen Hashtags und Initiativen:
#Refugeeswelcome
In den Farben getrennt, in der Sache vereint, @s04! #refugeeswelcome https://t.co/epSvODvUG3
— Borussia Dortmund (@BVB) 1. September 2015
1 Mio. EUR! FC Bayern hilft Flüchtlingen http://t.co/aSqzpWc861 via @sport1 #miasanmia #fcb #KiyiyaVuranInsanlik #refugeeswelcome
— Thomas Rudolf (@thomasrudolf) 3. September 2015
Amazing, inspiring scenes at Germany's football grounds this weekend. "Refugees welcome"
Via @markito0171 pic.twitter.com/Fm4s9nDRJ0
— paulkirby (@paul1kirby) 30. August 2015
Die meistgesuchten Begriffe im kostenlosen Online-Arabisch-Wörterbuch von @langenscheidt. https://t.co/KqxMiX2yYm pic.twitter.com/kBBXXh2IWT
— Jörgen Camrath (@uniwave) 1. September 2015
NO child should have to die for politicians to realize they have a DUTY to protect #refugees. #refugeeswelcome pic.twitter.com/vWh8vWApzp
— AmnestyInternational (@amnesty) 3. September 2015
Sie sind da! Und morgen an ganz vielen Kiosken, wo es @BILD gibt: unsere Aufkleber #refugeeswelcome - Wir helfen! pic.twitter.com/4ZC0YPYDHW
— Kai Diekmann (@KaiDiekmann) 3. September 2015
#Mundaufmachen
Das ist die geniale Antwort von @OettingerBier auf Fremdenhass. #Oettinger #mundaufmachen
http://t.co/StGJTDEUrA pic.twitter.com/qvqtiWEFxJ
— HuffPost Deutschland (@HuffPostDE) 2. September 2015
Ich finds wichtig: #MundAufmachen Hass im Netz: "Dagegen halten - Mund aufmachen" - Anja Reschke | NDR https://t.co/XLcuerVU6q via @YouTube
— Thomas Metze (@onkeltomb) 6. August 2015
"Sind sie zu bunt, bist du zu braun". Ein klares Statement von Fisherman! Gut so! #mundaufmachen pic.twitter.com/ySNtGkO7mr
— Carlo Badini (@carlobadini) 28. August 2015
Starke Ansage von @officiallyjoko & @damitdasklaas! Alle, die das anders sehen --> entfolgt uns auch! #mundaufmachen https://t.co/QPEcRThrsG
— ZDF (@ZDF) 26. August 2015
Recht auf Menschenrecht (eine Initiative von Raphael Brinkert und Jung von Matt/Sports) mit mittlerweile über 10.000 Facebook-Followern.
Jeder hat das Recht auf #Menschenrecht! Unterstütz die Aktion @Menschenrechte
Infos: recht-auf-menschenrecht.de pic.twitter.com/hf8OMRrumD
— Paul van Dyk (@PAULVANDYK) 2. September 2015
Jeder hat das Recht auf #Menschenrecht! #DDB unterstützt die Aktion von @menschenrechte cc @FabianRoser u. @cabac pic.twitter.com/rcEwF5BccB
— DDB Germany (@DDB_Germany) 2. September 2015
Auch Roland Bös von @scholzfriends unterstützt "jeder hat das Recht auf #menschenrecht" Danke! pic.twitter.com/vg2gWVyKnD
— Menschenrecht (@menschenrechte) 31. August 2015
So viele Menschen,so viele Unterstützer!THX @DOSB @BeneHoewedes @aperto @GWAnews für dieses Bild für @menschenrechte pic.twitter.com/3TyD8HhMBx
— Khoa Toan Nguyen (@khoa_toan) 1. September 2015
#auchichbindeutschland von der Deutschlandstiftung Integration
#Gegenstimmen
Demonstrationen
Überall in Deutschland gibt es Initiativen und Bürgerbewegungen, die Demonstrationen gegen Rechte und Rassismus organisieren. Wer auf der Straße Flagge zeigen will, hier einige Anlaufpunkte, stellvertretend für viele:
http://www.netz-gegen-nazis.de/category/tags/demonstration