Flying Lab der Lufthansa zur South by Southwest:
Filmgucken - oder doch besser konferieren? Lufthansa stellt SXSW-Fluggäste vor die Wahl
Für die SXSW-Besucher hat die Lufthansa einen besonderen Flug organisiert: Beim "Flying Lab" können die Gäste eine Konferenz über den Wolken mitverfolgen. Irmela Schwab ist für W&V nach Austin mitgefolgen.
Das ältere indische Ehepaar guckt stirnrunzelnd auf meine Handtasche. Nacheinander ziehe ich ein paar Dinge heraus und lege sie auf den kleinen Tisch vor mir: Ein Kopfhörer, ein Ladekabel, ein Adopter, zuletzt der Laptop. "The Conference is starting", raune ich ihnen zu. Sie zucken nur die Achseln. Nicht alle im Lufthansa Flug 440 haben die Maschine nach Texas schließlich wegen dem "Flying Lab" gebucht.
Das hat vielleicht die Hälfte. Sie gehören zu den Delegationen, die aus vielen deutschen Bundesländern nach Austin zur South by Southwest (SXSW) reisen, alte und junge Unternehmen, um sich über die neuesten technischen und digitalen Errungenschaften "upzudaten". Mit dem Lufthansa Flying Lab geht das schon gut 24 Stunden, bevor das Festival überhaupt eröffnet, los.
Das Gate Z54 am Frankfurter Flughafen war die erste Station. Menschentrauben stand ab acht Uhr morgen um die kleinen Stehtische herum, trinken Cappuccino und Smoothies, während eine weitere Schlange versucht an der Gadget-Ausgabe auf den letzten Drücker noch Wearables zu ergattern, die man vorbestellen sollte: VR-Brillen, Ringe und Armbänder zu ergattern - alle smart, versteht sich. Das Armband Gemios, das auf Bewegung, Musik und Freunde reagiert. Der Ring und das Armband namens Ringly, das sich über Bluetooth mit dem Smartphone verbindet und mit Licht auf mobile Nachrichten hinweist. Und das Video-Headset Glyph: Darauf kann man sich Filme in HD-Qualität vom mobilen Device angucken. Getestet wird das aber erst an Bord.
Dort sind wir erst gegen zehn. Kurz nach Abflug gibt's eine warme Mahlzeit, Chicken or Pasta. Gefolgt vom Digestif, ein Chantré, den die Stewards großzügig ausschenken. Das indische Paar neben mir sieht weiter den Bollywood-Film auf dem Flugzeug-Screen an. Fliegen - ganz wie man es kennt. Doch das ist er Lufthansa, nicht mehr genug. Man will, so stellt es der Torsten Wingenter, Senior Director Digital Innovation klar, "die digitalste aller Fluggesellschaften sein". Und schon gewährt das Internet-Signal "Flying Lab" Zugang zur Pre-Conference für die SXSW-Fans. Der ersten Sprecher: Alexander Mankowsky, der für Daimler in die Zukunft blickt.
Die Digitalisierung schafft für den Autobauer eine große Wende - genauso wie für die Fluglinie. Der gesamte Spirit der Mobilität steht auf dem Prüfstand. Mobilität als alleiniger Fokus - das war gestern. Heute kommt es auf das Socialising an, schmückt Mankowsky aus. Viel schöner ist es doch, im Auto einen leckeren Kaffee zu trinken. Oder eben während einem zehneinhalbstündigen Flug über die digitale Zukunft zu diskutieren. In acht Vorträgen - per Live-Übertragung!
Da wurde zum Beispiel, man kennt das ja, der Glamour des Silicon Valley hochgelobt. Das Netzwerken, die Offenheit, die Lust sich mit jedem zu unterhalten, und - hört her, liebe AFDler - auch die Einwanderung würde die so erfolgreiche amerikanische Innovationsmaschine ankurbeln. So schildert es Sebastian Blum, Vice President Business Development bei Dedrone. Das Startup aus Kassel kümmert sich jetzt in San Francisco ums Drohnen-Geschäft. Ein aufstrebender, milliardenschwerer Markt.
Zahlen und Fakten mal beiseite: Jetzt wird gespielt! Die Fluggäste probieren die Wearables aus. Als ich meinen Ring über den Finger stülpe, reckt die indische Sitznachbarin neugierig den Kopf. "Wieviel hat der gekostet?", will sie wissen. Keine Ahnung. Gekauft habe ich ihn ja nicht: Die Lufthansa will ihn am Ende der Reise wieder zurückhaben. Schade. Ich weiß zwar nicht, ob ich es wirklich brauche, dass ich über mobile Nachrichten informiert werde und meine Schritte gezählt werden (das kann der Ring auch noch). Auf jeden Fall aber sieht er hübsch aus. Jewell Sparks, die auf einmal vor der Kamera erscheint, hält das Ringly-Armband in die Kamera. Es passt so gut zu ihrem restlichen Schmuck, findet sie.
Die Amerikanerin, die bei der Metro Group die weltweite Innovation verantwortet, war leider die einzige Frau, die neben den gesetzten Speakern schnell nochmal um ein Statement gebeten wurde. Dafür lag die Frauen-Quote bei dem Flug zur Fashionweek nach New York, bei dem das Flying Lab erstmals tagte, offenbar deutlich höher. Doch das nur am Rande. Zurück zur Metro-Managerin, für die Virtual Reality und Augmented Reality die größten Trends bei der diesjährigen South by Southwest sein werden. Und Artificial Intelligence natürlich. Irgendwann kommt dann noch Artifical Consciousness hinzu, wie Felix Petersen, VC bei Faber Ventures, ergänzt. Doch soweit dieses Jahr noch lange nicht. Locker können da noch mal 40 bis 200 Jahre ins Land gehen.
Chatbots sind dagegen wieder ein Trend, der Hand und Fuß hat und bei der Southwest sicherlich hoch und runter diskutiert werden wird. Davon geht Benjamin Broshi, VP New Markets bei der Deutschen Telekom, fest aus. "Die Menschen texten und chatten gerne", erklärt er. Die Kommunikationsroboter könnten Menschen bestens ersetzen - auf der ersten Ebene. Will der Kunde dann eine spezielle Unterstützung oder persönliche Beratung, ist der Mensch gefragt.
Und da ist es wieder: Kreativität macht den Menschen aus. Niemanden sonst. In Austin sei der richtige Ort mehr Craziness zu wagen und neue kreative Wege zu gehen - einfach mal "weird" zu sein. "Wenn andere rechts gehen, geht links", ruft Simon Harlinghausen, Lead Business Transformation Publicis Media EMEA und CEO bei Akom360, den Fluginsassen zu. In Austin bittet man höchstens um Vergebung. Niemals um Erlaubnis.
Nach der Konferenz unterhält man sich in kleinen Grüppchen in den Gängen. Angestoßen wird mit Sekt auf Eis, serviert von den heute doppelt so aufmerksamen Stewards: Das Flying Lab soll schließlich ein außergewöhnliches Erlebnis in Erinnerung bleiben. Und das tut es auch - auch aus einem ganz anderen Grund: Endlich kann man mal in Ruhe über der Gehörte reflektieren. Sich darüber unterhalten, ohne dass SMS, Emails und Notifications dazwischenfunken. Viel digitaler muss es wohl gar nicht sein.