Newsfeed-Revolution:
Es gibt kein Grundrecht auf Facebook-Traffic
.... und 3 weitere Missverständnisse über Social Media und die karitativen Aufgaben von Privatunternehmen. Ein Kommentar von Frank Zimmer
In den 90er Jahren bekam ich ein Gespräch zwischen zwei älteren Männern im Ruhrgebiet mit. Das Thema am Nebentisch war "Gastarbeiter", der Ton klang geringschätzig, aber im Vergleich zu heutigen Wutbürgern geradezu freundlich. Dialektischer Höhepunkt war dieser Spruch:
"Die Türken sind nicht hierher gekommem, um zu arbeiten!"
- (Kunstpause) -
"Die wollen hier Geld verdienen!"
Mit ähnlicher Logik reagieren viele Medienmacher auf die heute kommunizierte Newsfeed-Strategie von Facebook. Hochwertige Inhalte sollen auf einmal weniger wert sein als die persönlichen Empfehlungen von Freunden? Wehrlose Verlage werden indirekt zu kostenpflichtiger Distribution gezwungen?
Da liegt der Verdacht natürlich nahe, dass Mark Zuckerberg gar kein ehrenamtlicher Postbote* ist, sondern ein Unternehmer mit Gewinnerzielungsabsicht. Teufel aber auch.
Vor lauter Digitalisierungsdebatte vergisst man manchmal, dass folgende Grundregeln des Medienbetriebs weiterhin gelten:
1. Es gibt kein Grundrecht auf Traffic. Aufmerksamkeit muss man sich erarbeiten oder dafür bezahlen - oder beides. Egal, ob im Netz oder anderswo.
2. Die Auslieferung von Medien kostet Geld. Printverleger kennen das Prinzip. Oder gibt es Postdienste, Pressegrossisten und Kioskbesitzer, die so etwas umsonst machen? (Namen und Adressen bitte an unseren Vertriebschef mailen).
3. Der Leser entscheidet, was relevant ist. Wir reden doch alle über Customer Centricity. Dann sollten wir akzeptieren, dass Facebook danach handelt.
4. Klappern gehört zum Handwerk. Ja, Facebooks Weltverbesserungsrhetorik ist scheinheilig. Aber auch nicht schlimmer als Markenartikler, die Kindern Kalorienbomben als "Milchschnitte" verkaufen.
*Wortspiel made by Sascha Stoltenow in der W&V Facebookgruppe "Owned Media".