Bewertungsportale:
Ein Hotelier wehrt sich gegen Trip Advisor & Co
Bewertungsportale sind in den vergangenen Jahren immer mächtiger geworden. Doch die Geschäftsmodelle von Jameda, Trip Advisor oder Yelp stehen mehr und mehr in der Kritik. Die Bewerteten wollen sich nicht mehr alles gefallen lassen.
Eigentlich hat Marco Nussbaum keinen Grund, sich über Trip Advisor zu beschweren. Vier Hotels betreibt der Chef der Kette Prizeotel derzeit in Bremen, Hannover und Hamburg, dort an zwei Standorten. Und in allen Städten gehören die außergewöhnlichen Design-Hotels zu den am besten bewerteten Unterkünften.
In Hamburg steht sein Hotel auf Platz 15 von 323 Hotels. In Hannover werden sogar nur zwei von 159 Hotels besser bewertet als Nussbaums Zwei-Sterne-Haus. Und doch ist Nussbaum unzufrieden mit der Situation bei der weltweit größten Bewertungsplattform. "Trip Advisor ist von einem reinen Bewertungsportal zu einem Wettbewerber um den Gast geworden. Sie verdienen an unserem Namen mit. Das muss sich ändern", sagt Marco Nussbaum im Vorfeld der Internationalen Tourismusbörse in Berlin (ITB), die an diesem Mittwoch beginnt.
Das Jameda-Urteil verändert Geschäftsmodelle
Hotelier Nussbaum ist nicht der einzige, der sich an der immer größeren Dominanz von Bewertungsportalen stört. Im Februar war eine Kölner Hautärztin vor dem Bundesgerichtshof (BGH) mit einer Klage gegen die Ärzteplattform Jameda erfolgreich. Auf der können die Nutzer Schulnoten an die 275.000 gelisteten Ärzte verteilen. Wehren können sich die Mediziner nur in Einzelfällen - wenn sie nachweisen, dass unrichtige Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden. In einem Urteil von 2014 bestätigte der BGH, dass Arztbewertungen durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind und es ein "ganz erhebliches" öffentliches Interesse an ärztlichen Leistungen gibt. Doch das jüngste Urteil zielt in eine andere Richtung. Die Richter erklärten einen Teil der Jameda-Vermarktung für unzulässig.
Demnach dürfen auf Profilseiten von Ärzten keine Werbeanzeigen von anderen, möglicherweise konkurrierenden Ärzten angezeigt werden (Az: VI ZR 30/17). Diese Leistung war bislang in den Premiumpaketen von Jameda enthalten, die Ärzte auf der Plattform erwerben können. Doch unabhängig davon, ob man zahlender Kunde von Jameda ist oder nicht: Als Werbefläche für die Konkurrenz muss das eigene Profil nun nicht mehr herhalten. Laut BGH widerspricht das dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Mediziner. Die Klägerin dürfe unter diesen Umständen verlangen, dass ihr Profil gelöscht werde.
Nichts gegen Kundenbewertungen, aber .....
Jameda reagierte unmittelbar nach der Verkündung des Urteils und stoppte die umstrittenen Werbeanzeigen. Dadurch können auch weiterhin alle niedergelassenen Ärzte in Deutschland gelistet werden. "Ansonsten läuft unser Geschäftsmodell unverändert weiter", erklärt Jameda-Sprecherin Anne Schallhammer gegenüber W&V. Das BGH-Urteil könnte allerdings Signalwirkung für andere Branchen haben.
Bezahlte Premiumpakete sind ein wesentlicher Bestandteil aller Bewertungsplattformen. Es gibt sie auf Reise- und Gastroportalen wie Trip Advisor, Holiday Check oder Yelp. Aber auch Kununu”, das Bewertungsportal des Karrierenetzwerks Xing, bietet Arbeitgebern die Möglichkeit, ihre Profile gegen Bezahlung besser darstellen zu können. Zumindest ein Teil dieser Praxis wird durch das Jameda-Urteil nun in Frage gestellt. Hotelchef Marco Nussbaum sagt: "Das Urteil ist Wasser auf unsere Mühlen."
Er sieht sich bestärkt in seinen Versuchen, die Hoheit über sein Unternehmen auf den Bewertungsplattformen zurückzugewinnen. Gegen die Kundenurteile hat er dabei überhaupt nichts, sieht sie sogar als positiv: "Die Rückmeldung unserer Gäste hilft uns ja, unser Angebot zu verbessern. Was nicht geht, ist, dass sich immer mehr Plattformen zwischen uns und den Gäst drängen und von unserer erbrachten Leistung profitieren wollen." Auch Trip Advisor platziert auf dem Profil der "Prizeotels" die Angebote konkurrierender Hotels.
Spätere Klage nicht ausgeschlossen
Darüber hinaus können Reisende auf Trip Advisor auch eine Unterkunft buchen. Entweder direkt, dann kassiert das Portal je nach gewähltem Bezahlmodell eine Provision in Höhe von 12 oder 15 Prozent. Oder es läuft über ein angeschlossenes Buchungsportal wie Booking.com, HRS oder hotel.de. Was der Nutzer nicht mitkriegt: Darum, welches Portal ihm als erstes angezeigt wird, findet im Hintergrund eine digitale Auktion statt. Der Höchstbietende erhält den besten Platz in der Rangliste. Und so verdient Trip Advisor auch an dieser Stelle mit.
Es ist ein wildes Ringen um den Gast; und die Profilseiten der Hotels sind die Arena. Damit soll Schluss sein. Auf der ITB will Nussbaum das Gespräch mit Trip Advisor und dem ähnlich operierenden Portal Holiday-Check suchen. Sein Ziel: Die Bewertungen können bleiben. Buchungen und andere Services über die Hotelprofile soll es nicht mehr geben. Falls die Gespräche nicht zum gewünschten Ergebnis führen, schließt Nussbaum eine Klage nicht aus.
"Die ganze Plattform-Ökonomie ist ein großes Problem"
Auch Verbraucherschützer sehen die Bewertungsplattformen inzwischen sehr kritisch. Tatjana Halm, Referatsleiterin Markt und Recht, bei der Bayerischen Verbraucherzentrale findet: "Die ganze Plattform-Ökonomie ist ein großes Problem. Für den Verbraucher ist kaum nachvollziehbar, ob Bewertungen echt oder gefälscht sind. Dort, wo Transaktionen stattfinden, versteht der Kunde irgendwann nicht mehr, mit welchem Dienstleister eigentlich ein Vertrag geschlossen wurde." Anfang April will das Marktwächter-Team der Verbraucherzentrale Bayern darum eine Studie zur Zuverlässigkeit von Bewertungsportalen veröffentlichen.
Trip Advisor Deutschland reagiert auf die aktuellen Entwicklungen zurückhaltend. Ob das Jameda-Urteil Konsequenzen für das eigene Geschäft habe, könne man erst bewerten, wenn die endgültige Urteilsbegründung vorliegt, heißt es auf Nachfrage. Solange verweist das Portal auf die vielen, kostenfreien Tools, mit denen die Unternehmen ihre Präsenz auf Trip Advisor gestalten und auf Bewertungen reagieren können. Es könnte allerdings sein, dass diese Tools allein bald nicht mehr ausreichen und die Plattformen den Bewerteten wieder mehr Kontrolle über ihre Profile geben müssen.