Digitaler Wandel:
Drogeriebranche: "Ich vermisse visionäre, differenzierende Geschäftsmodelle"
In Deutschland hat es der Drogeriemarkt schwer, im Onlinehandel Fuß zu fassen. Berater Martin Meinrenken erklärt im Interview, welche Strategien Erfolg versprechen.
Wie geht die Drogeriebranche mit dem digitalen Wandel um? Darüber hat W&V-Autor Moritz Meyer mit Martin Meinrenken gesprochen, seit 2001 im E-Commerce für Unternehmen wie Otto, Kaufhof, Breuninger und diverse Modemarken tätig. Als Partner bei der Hamburger Beratungsagentur Talentformation unterstützt er mit über 170 Experten Unternehmen beim digitalen Wandel des Geschäftsmodells und damit einhergehend der Organisation und technischen Infrastruktur. Mehr über die Strategien der Drogerieketten und die Influencer-Offensiven von dm und Rossmann lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der W&V.
Ist das Online-Geschäft im Bereich Drogerie schwieriger als in anderen Branchen?
Deutschland ist im Drogerie Einzelhandel sicher ein Sonderfall. In kaum einem Land ist die Filialabdeckung so hoch wie hier. Wenn üblicherweise mit wenigen Schritten ein Supermarkt oder eine Drogerie erreicht werden kann, ist es für einen gewöhnlichen, privaten Drogeriekunden nicht bequemer und vor allem auch nicht günstiger, sein Duschgel für 1,49 Euro mit der Zahncreme online zu bestellen. Im Gegenteil: Es ist häufig sogar umständlicher, betrachtet man den Gesamtprozess von der Produktauswahl, Bestellung, Bezahlung, Empfang der Sendung bis hin zur Entsorgung der Transportverpackung. Und für die Händler ist der Prozess bei den geringen Durchschnittswarenkörben durch die Abwicklungskosten deutlich teurer.
Wie kann man es schaffen, unter diesen Rahmenbedingungen ein erfolgreiches Onlinegeschäft aufzubauen?
Man muss sich mehr einfallen lassen, als sein Sortiment "nur" 1:1 online abzubilden. Ich vermisse visionäre, differenzierende Geschäftsmodelle, die den Kundennutzen stärker ins Zentrum stellen und sich durch indirekt wirkende intelligente Geschäftslogiken auszeichnen, die Player wie Amazon, Google, Facebook so erfolgreich gemacht haben. Die meisten Einzelhändler behandeln ihr Online-Business im Grunde aber nur wie eine zusätzliche Filiale. Im Mittelpunkt steht - typisch für den Handel - der transaktionsorientierte Abverkauf von eingekauften Markenprodukten. Im Digitalzeitalter wäre es zudem wichtiger, laufend datenbasiert zu erforschen: Welche (veränderten) Bedürfnisse haben unsere Kunden und mit welchen digitalen Services können wir diese besonders gut und infrastrukturell skalierbar erfüllen? Wie lassen sich diese schnell testen und dann erfolgreich ausrollen? Die dafür notwendige Kultur ist allerdings nicht von heute auf morgen aufzubauen. Hier liegt die größte Herausforderung!”
Aber warum soll man das tun, wenn die Deutschen doch so gerne zu ihrem Laden um die Ecke gehen?
Akut drängt noch kein großer Player mit Macht auf den Online-Markt im Drogeriegeschäft. Das kann sich aber natürlich, mit Blick auf Amazon, ganz schnell ändern. Die Drogisten müssen sich auch fragen, was passiert, wenn das Online-Geschäft von Lebensmitteleinzelhändlern wie Rewe, Edeka oder Amazon sehr stark wächst. Für die wäre es nur logisch, aufgrund der online aufgehobenen Flächenrestriktionen neben Lebensmitteln auch Drogerieartikel als Mitnahmeartikel mit ins Sortiment zu nehmen, um den Kunden möglichst viele Produkte aus einer Hand anbieten zu können. Es gibt also schon ein paar Risiken. Und auf die sollte man vorbereitet sein.