Cannes Lions:
Direct und Promotion: Rückkehr zum Kernbusiness
Mit Direct, Promo & Activation, Glass, Print & Publishing und Radio eröffnete das Kreativfestival Cannes Lions die Woche an der Croisette. Das Ergebnis in den Trendkategorien Direct und Promo ist aus deutscher Sicht mau. Dafür faszinieren die Grands Prix-Arbeiten.
Das Ergebnis hätte sicher besser ausfallen können. In den Trendkategorien Direct, Promo & Activation gewinnen deutsche Agenturen lediglich neun Löwen; darunter keinen einzigen goldenen. Einen Glass Lion, mit dem Cannes Arbeiten für mehr Gendergerechtigkeit auszeichnet, gab es gleich gar nicht.
Das Ranking führt bislang ganz klar DDB an, die mit ihrer Arbeit für Pink Ribbon Deutschland, einer Initiative gegen Brustkrebs, zweimal Silber (Gewinnerliste Promo) und dreimal Bronze (Gewinnerliste Direct) gewinnen.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass DDB-Kreativchef Amir Kassaei noch vor wenigen Tagen den Kollegen von "Horizont" erzählt hatte, der ganze Awardzirkus spiele für seine Agentur keine entscheidende Rolle mehr. Jetzt, nach dem ersten Tag in der Festivalwoche, gewinnt DDB die meisten Löwen von allen.
Direct, Promo & Activation sind die wichtigsten Kategorien in Cannes, sie setzen in jedem Jahr die Trends. Arbeiten, die hier Anfang der Woche ausgezeichnet werden, punkten in der Regel auch in den übrigen Disziplinen. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass die Festivalleitung die Pressekonferenz für Direct und Promo zusammengelegt hat. Allerdings hat das schlicht auch organisatorische Gründe. Das Festival wächst und wächst, will Geld verdienen. Längst kann sich Cannes nicht mehr leisten, sich jeder Kategorie einzeln zu widmen.
Aus Deutschland punkten neben DDB noch Ogilvys "Mein Kampf gegen Rechts", Serviceplans Aktion für Metros ("The Daily Catch"), BBDO für Smart ("Most open test drive") und Thjnk für "Mission to the moon" von Audi.
Warum die Deutschen seit ein paar Jahren so schlecht abschneiden? Promo-Jurorin Jo Marie Farwick, Gründerin von Überground, und Direct-Juror Cosimo Möller, ECD von Serviceplan in München, haben dafür keine Erklärung. "Hier gewinnen halt nur die Allerbesten", sagen sie. Und der kulturelle Hintergrund deutscher Arbeiten sei international oft nicht so leicht zu verstehen. Für Ogilvys "Mein Kampf gegen Rechts" beispielsweise musste Möller eine regelrechte Brandrede vor den Kollegen halten. "Die fand ich so klasse, diese Arbeit. Das ist eine wirklich clevere Idee und hat einen Impact." Doch gegen die Phalanx englischsprachiger Juroren war nicht immer leicht anzukommen.
Insgesamt ist in diesem Jahr ein Trend zum Kernbusiness zu beobachten. In Cannes geht es endlich wieder um Werbung. Werber wollen nicht mehr die Welt verbessern, sondern Produkte verkaufen. Die Jurypräsidenten der Direct- und Promo-Kategorie, Rob Reilly (McCann) und Mark Tutssel (Leo Burnett) bestätigen sich da gegenseitig. Im Fokus steht die Marke, das Geschäft, der Abverkauf. Dafür, so Tutssel, brauche es einen tieferen Sinn, eine gute Idee, eine große Marke und eine große Kampagne.
Die Grands Prix in beiden Disziplinen spiegeln das wider. Bei Direct gewinnt das schwedische Fremdenverkehrsamt mit "The Swedish Number" von Ingo in Stockholm, bei Promo & Activation die Kampagne "Opt Outside" der Outdoormarke REI von Venables, Bell & Partners aus San Francisco.
Um 250 Jahre Meinungsfreiheit zu feiern, hat sich Schweden eine eigene Telefonnummer zugelegt. Es ist die 0046 771 793 336. Egal, wer diese Nummer anwählt - er wird mit einem Schweden verbunden, irgendeinem Schweden: für einen Chat, ein Gespräch, jedenfalls eine Kommunikation, die direkter nicht sein könnte, eins zu eins, alte Schule. Schwedens Image in der Welt hat diese Aktion nachhaltig positiv beeinflusst und die Übernachtungszahlen nach oben getrieben (die W&V-Redaktion hat die Nummer übrigens hier selbst ausprobiert).
Noch beeindruckender ist die "Antiwerbung" der US-Outdoormarke REI zum Black Friday, traditionell ein Einkaufstag in den USA. Das Unternehmen hatte seine Shops geschlossen und dazu aufgerufen, den Tag mit der Familie draußen in der Natur zu verbringen. Eben: "Opt Outside". Der Buzz war groß. "Wer seitdem an Outdoor-Klamotten denkt, kauft REI", glaubt Reilly.
In Indien hat Unilever für seine Teemarke Brooke Bond Red Label eine eigene Band gegründet - bestehend ausschließlich aus Transgendern. Die "6 Pack Band" brach dabei mit Gender-Stereotypen, war in Indiens Medien omnipräsent und hat die Popkultur des Landes um eine Facette reicher gemacht. Und eine Debatte ausgelöst, die, so berichten Betroffene, ganze Familien wieder zusammenbrachte - im Idealfall bei einem Glas Brooke Bond Tee. Für diese Arbeit gab es den Glass Grand Prix.
Cannes ist wieder im Geschäft: Nicht nur das Festival, auch Kunden und Kreative aus aller Welt.
Die Löwen in den Kategorien Promo & Activation, Direct und Glass wurden am Montag Abend im Palais des Festivals verliehen.