Digitalmarketing:
Digitale Nachhilfe für Agenturen: Was "Think with Google" wirklich kann
Auf Googles neuer Plattform sollen Agenturen und Werbungtreibende Analysen und Werkzeuge finden, die ihnen beim digitalen Marketing unter die Arme greifen. Was die vollmundig angekündigte Plattform tatsächlich bietet, hat sich W&V Online genauer angeschaut.
Digital hier, Mobile da - und ein Webvideo brauchen wir auch: Die schöne neue Welt reißt uns alle mit. Und überfordert viele. Auch weil sie sich schnell verändert. Da ist Expertenrat gern gesehen. Seit 15. Januar bietet nun Google sebst Hilfe für deutschsprachige Werber: Auf der Online-Plattform "Think with Google" sollen Agenturen und Werbungtreibende jetzt auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz Analysen und Werkzeuge finden, die ihnen beim digitalen Marketing unter die Arme greifen (W&V Online berichtete). Was die vollmundig angekündigte Plattform tatsächlich bietet, hat sich die Redaktion von W&V Online genauer angeschaut.
Bedienung: Aufgeteilt sind die Themen in die Kategorien "Erfolgsgeschichten", "Insights", "Tools", "Thought Leadership", "Kreative Kampagnen" sowie "Produkte". Den Einstieg macht das nicht eben leicht: Ok, "Erfolgsgeschichten" weist ebenso wie "Kreative Kampagnen" auf Fallbeispiele hin, bei "Insights" hilft die Maus, die als Untermenüs "Infografiken" und "Studien" sichtbar macht. Die Werkzeugkiste "Tools" reagiert hingegen nicht auf bloßes Mouseover, sondern gibt ihren Inhalt erst per Klick preis: Übersetzungsmaschine sowie Bekanntes wie Google und Youtube Analytics finden sich hier. "Produkte" schließlich bezieht sich auf die übrigen Angebote, die der Konzern Google in petto hat (Doubleclick, Youtube, Google+ et cetera).
Was aber erwartet den Ratsuchenden unter dem Schlagwort "Thought Leadership"? Eine Art geistige Führung - die der Leser bekommt oder sich aneignet? Dass als Unterkategorien "Artikel", "Interviews" und "Webinare" angeboten werden, ist erst mal weniger hilfreich. Genau das aber gibt es hier: Google-PR-Texte, die "Think with Google" und einige seiner Vorteile vorstellen. Video-Interviews mit Experten, die über Suchmaschinen sprechen.
Das ist hilfreich für alle, die einen Einstieg ins Thema suchen. Ersetzt aber nicht die Lektüre der Fachpresse oder von Blogs, die im Idealfall ohne Google-Brille Vor- und Nachteile abwägt.
Am spannendsten für gerade kleinere Unternehmen und Agenturen, die sich in neue digitale Hilfsmittel einarbeiten müssen, sind die Webinare (Bild unten). Kurze Videos erklären Schritt für Schritt, wie sich Berichte zu Google-Messwerten aus Google Analytics erstellen lassen - zum Beispiel, wie viele Menschen wie lange auf einer Webseite geblieben sind -, oder wie der digitale Reisemarkt mobiles Marketing nutzt. Das ist sehr speziell. Die Filtermöglichkeiten, die "Think with Google" am linken Bildrand anbietet, weisen aber darauf hin, dass hier mit der Zeit zu vielen Branchen und Anzeigentypen (Display, Soziale Medien, Video usw.) Lehrvideos zusammenkommen sollen.
Webinare bei "Think with Google" liefern sehr konkrete Anleitungen. Das Angebot ist aber noch sehr klein.
Zu den vielversprechendsten Werkzeugen, die "Think with Google" auf der Seite hat, zählt aber sicherlich das "Consumer Barometer". Zu finden ist es ja sicher per Klick auf "Tools". Wo die Vorfreude abrupt endet: Hier wird nur kurz erklärt, dass "das globale, interaktive Tool von Google … mit neuen Daten aus dem Jahr 2014 aktualisiert (wurde) und … nun Forschungsdaten aus mehr als 45 Ländern und 10 Produktkategorien" umfasst.
"Consumer Barometer": Verspricht viel, bleibt aber an der Oberfläche.
Benutzen kann man es nicht wirklich: "Mehr erfahren" führt auf die englischsprachige Google-Seite (und wir hatten uns doch so über das deutschsprachige Angebot gefreut). Und dort ploppen unter "Explore key findings …" ein paar hübsche bunte Grafiken auf, die für verschiedene Länder angeben, wie hoch der Anteil der Internet- und der Social-Media-Nutzer dort ist.
Oder der Anteil derer, die vor der Anschaffung eines Fernsehgeräts online recherchiert haben. Hm. Schon besser, aber auch auf Englisch: "Dive into the data with the Graph Builder". Der verrät mir dann, welche Geräte die Menschen in der gewählte Nation nutzen, oder wie viele verschiedene onlinefähige Geräte sie haben und wie oft sie via Tablet Videos schauen. Also kann ich hier Daten, die es eigentlich schon schon gibt, selbst noch mal ausspucken lassen.
Wer, zurück auf der deutschen Seite, dem im Text verborgenen Tipp folgt, unter dem Menüpunkt "Insights" nach dem "Consumer Barometer" zu suchen (wir helfen Ihnen mal: "Infografiken" sollten Sie anwählen), landet immerhin bei einer Datensammlung zum deutschen Markt zum Runterladen (Bild unten). Das ist für den Einsteiger ins Digitalmarketing eine nette Übersicht. Für alle, die schon wissen, dass Online spannend ist, kalter Kaffee. Nur farbenfroher.
Alle Infografiken verkaufen das Konzernangebot: Google kann fast alles, Youtube ist das heißeste Ding seit der Erfindung des Geschirrspülers. Die Auswahl unter "Studien" bietet Marktdaten für verschiedene Bereiche - sofern eines der Themen für Sie relevant ist, mag die eine oder andere Auswertung lesenswert sein. Hier ist auch erstmals die Filterfunktion praktisch, mit der sich die Suche in den vielen Studien eingrenzen lässt (nach Medium, Branche oder sogar Marketingziel).
Was ist jetzt wirklich nützlich? "Kreative Kampagnen" zeigt schöne, wenn auch nicht allzu aktuelle Beispiele, was mit der Kombi digitale Kanäle plus gute Idee möglich ist an Werbung, bei der nicht jeder gleich abschaltet. Auch diese Sammlung lässt sich filtern - das lohnt sich aber noch nicht, weil erst zehn Kampagnen da sind. Was Sie bestimmt ändern werden: Die Besucher der Seite dürfen eigene Kampagnen für das Format einreichen.
Und das "Youtube Ads Leaderboard" (unter "Erfolgsgeschichten") lohnt einen Blick: Jeden Monat ermittelt Google die Youtube-Werbespots mit den meisten Aufrufen.
Vor allem Werbungtreibende könnten die Fallstudien interessieren - oder Agenturen, die in einer vergleichbaren Branche zum Pitch antreten: Die Beispiele aus der Praxis zeigen gut auf, was der Kunde erreichen wollte, welche Maßnahmen er dafür eingesetzt hat und wie sich das auf Bekanntheit, Sympathie oder Umsatz ausgewirkt hat.
Was Google mit seinem Gemischtwarenladen "Think with Google" bezweckt, bleibt einigermaßen diffus. "Das Ziel aller Angebote auf 'Think with Google' ist es, Ihnen dabei zu helfen, Ihre Marketingmaßnahmen zu optimieren. Die Plattform zeigt Ihnen als Werbetreibenden, wie Sie mit Google immer einen Schritt voraus sein und Ihren Geschäftserfolg weiter vergrößern können." So formuliert es Philipp Justus, Vice President, Google Germany, Austria & Switzerland, im Artikel zum Start. Er will offenbar ran die Unternehmen.
Was wir wirklich gefunden haben, ist aber eher weniger konkrete Hilfe. Wer sich ab und an mit Fachartikeln zum Thema Digitalmarketing befasst, ist nämlich dem Angebot schon entwachsen. Da aber jeder weiß, dass er um Digitales und ein Stück weit auch um Google und Youtube nicht mehr herumkommt, lassen sich Spätzünder, Einsteiger und nach wie vor Ratlose mit den hübsch bunt aufbereiteten Themen sicher ködern. Hinter jedem Punkt scheint aber zu stecken, Google als Arbeitserleichterung und unentbehrliches Mittel zum Erfolg darzustellen.
Ein wenig weiter in eine eher düstere Zukunft schaut Agenturchef Mirko Kaminski - und erkennt dort eine Zweiphasenstrategie des Suchmaschinenkonzerns: In Schritt eins, so der Gründer von Achtung, öffne "Think with Google" den Werbeagenturen den Weg ins Google-Universum, weil die Agenturen derzeit immer noch als "Gatekeeper vor dem Werkstor der werbungtreibenden Unternehmen" fungierten.
Im Hintergrund aber rüste Google auf, gründe Unternehmensbereiche, die direkt mit den Unternehmen arbeiten. Kaminski: "Kreativ-Hubs entwickeln direkt Ideen für Kunden – an Agenturen vorbei. Es gibt branchenzugeordnete Beraterteams, die hochrangig besetzt sind und sich ganze Branchen vornehmen. Ganze Teams entwickeln Mediastrategien und Contentideen direkt für Kunden."
Daraus schließt der Agenturchef: Phase zwei der Google-Strategie sei, dass der Konzern "der weltgrößte Hybrid aus Media-, Kreativ-, Content-, CRM- etc- Agentur werden wird, der darüber hinaus auch gleichzeitig selbst noch Medium ist".
Und dann könnte es eng werden für die Agenturen, die Google derzeit mit "Think with" umgarnt.
Google-Sprecher Klaas Flechsig widerspricht der Spekulation, Google wolle Agenturen mittelfristig umgehen: "Google versteht sich als Partner der Agenturen und arbeitet keinesfalls daran, sie überflüssig zu machen. 'Think with Google' soll Inspiration und allgemeine Hilfestellungen in Fragen rund um digitales Marketing geben - eine konkrete Beratung für die Herausforderungen des einzelnen Werbetreibenden kann eine solche Plattform aber natürlich nicht leisten. Dies war und ist nicht unser Anspruch, hier sehen wir die ureigenste Kompetenz von Agenturen."