
Körperschutz, Klopapier, Konserven:
Diese Branchen profitieren von der Coronakrise
Die Ausbreitung des Coronavirus hält die Welt in Atem. Viele Industriezweige melden immense Verluste, Aktienkurse fallen ins Bodenlose. Doch es gibt auch Profiteure der Krise. Und das sind nicht nur Toilettenpapierhersteller.

Foto: Rewe
Desinfektionsmittel und Mundschutzmasken sind Bestseller in Zeiten der Coronakrise. Online werden sie zu horrenden Preisen an den Meistbietenden verkauft. Für ein Balea-Desinfektionsgel darf der Kunde bei Ebay schon mal rund 16,60 Euro zahlen. Bei dm kostet das gleiche Produkt 1,95 Euro.
Ebay und Amazon gehen zwar mittlerweile gegen Wucherpreise vor und nehmen überteuerte Angebote von ihren Marktplätzen. Profit aus Notlagen zu schlagen verstoße gegen die Richtlinien der Plattformen. Welche Preisspanne für einzelne Artikel aber als angemessen gilt, bleibt offen.
Hygieneartikel und Fertiggerichte
Sp profitieren dieser Tage vor allem Hersteller von Hygieneartikeln die Desinfektionsmitteln und Toilettenpapier sowie Schutzkleidung von der Corona-Pandemie. Auch beim Discounter Aldi ist man auf den Zug aufgesprungen und bietet seit Kurzem ein Desinfektionsprodukte-Set an - der Run darauf war erwartungsgemäß groß.
Laut Robert Koch-Institut kann man übrigens nur dann von einer "nachgewiesenen Wirksamkeit" eines Desinfektionsmittels ausgehen, wenn auf ihnen der Wirkungsbereich "begrenzt viruzid", "begrenzt viruzid PLUS" oder "viruzid" angegeben ist. Ausschlaggebend für die Wirksamkeit sei vor allem die enthaltene Alkoholmenge in Form von Ethanol und Propanol, laut WHO und der Apothekerzeitung wichtiges Kriterium bei der Auswahl von Desinfektionsmitteln.
Diesen hohen Alkoholgehalt zeichnet das Desinfektionsmittel "Amuchina" aus. Das Reinigungsmittel, das in Italien erstmals in den 1930er-Jahren auf den Markt kam, erlebt momentan einen Boom in Italien. In den ersten zwei Monaten 2020 war die Nachfrage nach Produkten der Marke doppelt so hoch wie im Vorjahr, berichtet Pierluigi Antonelli, Chef der Herstellerfirma Angelini Pharma, der FAZ. Die Produktion sei ausgeweitet worden. „So lange die derzeitige Viruskrise andauert, werden wir die Preise um keinen Cent erhöhen", sagt Antonelli. Außerhalb der Herstellerfirma komme es aber leider zu Situationen, in denen Amuchina gehortet und dann teuer weiterverkauft werde.
Haltbare Lebensmittel und Klopapier
Konserven, Fertigprodukte und Drogerieartikel werden ebenfalls von von vielen Leuten in Massen gekauft, um sich auf Notlagen einzustellen. Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) teilte mit, bundesweit gebe es aktuell "weiterhin eine höhere Nachfrage nach länger haltbaren Produkten und Hygieneartikeln". Ähnlich äußerten sich Kaufland und Real. Rewe betonte allerdings, die Tage, an denen sich der Absatz etwa mit Toilettenpapier verdoppelt habe, seien vorbei. Die Nachfrage nach Konserven, Nudeln und Co sei zwar weiterhin erhöht, doch werde daneben zunehmend mehr Obst und Gemüse gekauft.
Der Discounter Lidl betonte sogar, nach den Vorratskäufen der vergangenen Wochen in einigen Regionen hätten sich die Verkaufszahlen mittlerweile "weitestgehend normalisiert". Aldi Süd berichtete lediglich von einer höheren Nachfrage nach haltbaren Produkten in einzelnen Filialen.
Backmischungen verkaufen sich fast vier Mal so oft wie im Vergleichszeitraum 2019. Auch Reis (+165 Prozent), Mehl (+150 Prozent), Teigwaren (+108 Prozent) und Zucker (+105 Prozent) werden stärker nachgefragt. Fertigprodukte gehen etwa doppelt so oft über den Counter wie üblich. Weniger verkauft werden Spirituosen (-18 Prozent), Zigaretten (-10 Prozent) sowie Bier und Biermixe (-9 Prozent).
Einige Einzelhändler rechnen allerdings damit, dass sich das Interesse der Käufer schon bald auf Genussmittel wie Schokolade oder Alkohol verschieben könnte.
Die Gefahr von Versorgungsengpässen in Deutschland sehen aktuell weder die Handelskonzerne noch die Branchenverbände. Ein Sprecher des Handelsverbandes Deutschland (HDE) betonte: "Bislang sind keine Einschränkungen bei der Warenverfügbarkeit im Handel in Deutschland festzustellen. Die Versorgungslage ist bundesweit normal."
Lieferdienste boomen
Dennoch gibt es weiterhin Hamsterkäufe. Und das nicht nur im Ladengeschäft. Auch bei Lieferdiensten decken sich die Bürger mit Lebensmitteln und Hygieneprodukten auf Vorrat ein. Rewe bestätigt, dass sich im Zuge von Corona analog zum stationären Handel die Nachfrage nach lang haltbaren Lebensmitteln, Konserven und Drogerieartikeln per Lieferservice erhöht habe. Vereinzelt könne die hohe Nachfrage zu Wartezeiten von wenigen Tagen führen.
Auch der Lieferdienst Getnow ist oft ausgebucht. Man habe deutlich über 100 Prozent mehr Nutzer und Neukunden als vor der Ausbreitung, sagt der Firmensprecher gegenüber der FAZ. Per Lifeticker auf der Homepage und einer Facebook-Gruppe informiert das Unternehmen über die aktuellen Lieferzeiten und Warenverfügbarkeiten.
US-Liefer-Start-up Instacart verlegte die Einführung seines Hauslieferdienstes für Lebensmittel vor, um auf die steigende Verbrauchernachfrage vor dem Hintergrund der zunehmenden Angst vor der Verbreitung des Coronavirus in den Vereinigten Staaten zu reagieren. Mit dem Service "Leave at My Door Delivery" wird die Lieferung vor der Haustür abgelegt. So kann sogar der Kontakt mit dem Paketboten vermieden werden.
Auch bestellen die Menschen mehr Essen bei Lieferdiensten wie Lieferando. Die Aktie von Delivery Hero, die zu Lieferando gehören, legte stark zu.
TV gewinnt, Kino verliert
Seit der Ausbreitung des Coronavirus ist außerdem die TV-Nutzung in Deutschland messbar gewachsen. Die Menschen wollen sich ablenken und informieren. Auch Streamingdienste wie Netflix verzeichnen mehr Zuschauer. Wohingegen die Kinobranche mit stark rückläufigen Besucherzahlen zu kämpfen hat. Filmstarts werden sogar verschoben, wie der neue James Bond.
Auch bestellen die Menschen mehr Pornos. Am 8. März 2020 verzeichnete der Anbieter erotik.com höhere Umsätze als am sonst umsatzstärksten Tag des Jahres, dem Black Friday. Dies betreffe sowohl Video on Demand, also Downloads, als auch DVDs. "Es scheint als sicherten sich die User in Krisenzeiten auch Medien, die ohne Internet und in Quarantäne abzuspielen sind", kommentiert ein Sprecher von erotik.com. Laut dem Onlinehändler sind diese Zahlen absolut untypisch für die aktuelle Jahreszeit. Zum Teil gab es DVD-Bestellungen über mehrere Tausend Euro. Die höchste einzelne Bestellung betrug 6700 Euro. Nicht überraschend haben sich Bestellungen aus Nordrhein-Westfalen und Italien fast verdreifacht.
Stay-at-Home-Index
Und es gibt noch mehr Gewinner: Das amerikanische Investmenthaus MKM Partners hat einen "Stay at Home"-Index zusammengestellt, der Aktien beinhaltet, die während der Coronakrise besonders gefragt seien. Dazu zählen beispielsweise Streaminganbieter Netflix, Waffenhersteller Sturm Ruger, Dosensuppenkonzern Campbells, die Kommunikations-App Slack, die Software Teamviewer sowie Home-Fitnessgerätehersteller Peloton.
Auch der Videokonferenzdienst Zoom ist im Stay-at-Home-Index enthalten. Die Aktie des Anbieters wuchs gegen den Markttrend seit dem 21. Februar um mehr als zehn Prozent. In den ersten zwei Monaten 2020 habe das Softwareunternehmen mehr Nutzer hinzugewonnen als im gesamten Jahr 2019, berichtet Bernstein Research.
Pharma und Forschung
Und Natürlich wetteifern Pharmakonzerne und Biotechfirmen um die Herstellung eines Impfstoffes gegen das neuartige Virus. Bevor ein solches allerdings zugelassen wird, dauert es wohl noch eine Weile. Auf der Website des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen ist die Rede von 16 Projekten und neun Unternehmen, die an einem Impfstoff forschen.
Neben der Entwicklung eines Impfstoffes testen Wissenschaftler Medikamente gegen Krebs, Ebola oder HIV auf ihre Wirkung gegen Sars-CoV-2. Sie sind bereits zugelassen und könnten bald eingesetzt werden.
Klima vs Corona
Ein weiterer Gewinner in Zeiten der Corona-Pandemie ist die Umwelt. Was wurde in letzter Zeit über Maßnahmen zum Schutz des Klimas diskutiert. Wie schwierig es sei, diese durchzusetzen. Plötzlich klappt es: Menschen bleiben zuhause, lassen ihr Auto stehen. Satellitenbilder der Nasa zeigen, dass über China die Luft sauberer wird. Was darauf zurückzuführen ist, dass etwa in Wuhan der komplette Verkehr eingestellt und Betriebe geschlossen wurden.
(Katrin Ried mit dpa, Lebensmittel Zeitung)