Content Marketing:
Die Zukunft braucht Strategie und Struktur
W&V-Kolumnist Karsten Lohmeyer mit den aus seiner Sicht fünf wichtigsten Antworten auf die Frage: Wie geht es weiter, wenn das so weitergeht? Was jetzt für das Content Marketing wichtig ist.
Was macht man eigentlich, wenn die Welt plötzlich eine andere ist? Für viele Agenturen sah die Antwort in den ersten Tagen der Corona-Krise so aus: Wir gehen einfach mal ins HomeOffice und zeigen dann in möglichst coolen Social-Media-Posts, wie superduper digital wir sind. Auch ich habe mich daran beteiligt. Doch schon kurz nach dieser kollektiven Selbstbeweihräucherung für eine in unserer Branche eigentlich völlig selbstverständliche Arbeitsweise, kam die wirklich wichtige Frage in Agenturen und Marketingabteilung auf: Wie geht's weiter, wenn das so weitergeht?
Da nicht jede Marketingabteilung oder Agentur auf Maskenschneiderei oder Beatmungsgeräte umsatteln kann, sollte sich spätestens jetzt jeder mit der Zukunft beschäftigen. Hier meine 5 Cent dazu, was jetzt fürs (Content) Marketing wichtig ist:
Raus aus dem Krisenmodus - strategisch werden
Erstmal ein Kompliment. Was viele Kommunikations- und Marketingabteilungen und deren Agenturen in den vergangenen Wochen geleistet haben, verdient echte Anerkennung. Aber nachdem jetzt klar sein sollte, dass uns Corona und Covid-19 mindestens noch das Jahr 2020 beschäftigen wird, wird es allerhöchste Zeit, strategischer zu werden. Denn alle vor März 2020 formulierten Kommunikations- und Marketingstrategien sind hinfällig.
Es geht darum, die Antwort darauf zu finden, was und wie man in Corona-Zeiten kommunizieren möchte und was man angesichts gekürzter Budgets überhaupt noch kann. Wer jetzt keine – möglichst flexible und anpassungsfähige – Strategie entwickelt, steht regungslos am Strand und blickt gebannt auf den herannahenden Tsunami.
Make-or-Buy-Entscheidung treffen
Viele Agenturen haben in den vergangenen Jahren sehr gut davon gelebt, dass sie Arbeiten übernommen haben, die genauso gut hätten inhouse erledigt werden können. Doch immer mehr Unternehmen werden sich jetzt fragen müssen, was sie in Zukunft vielleicht insourcen sollten. Eine für uns Agenturen und Freelancer sehr unangenehme, ja existenzbedrohende Make-or-Buy-Entscheidung. Aber aus Unternehmenssicht sehr nachvollziehbar, weil sie Arbeitsplätze sichert und Budgets schont. Wenn die Budget-Kürzungen kommen bzw. sich verfestigen, wird über kurz oder lang jedes Unternehmen vor dieser Entscheidung stehen und zumindest die Agenturlandschaft nach dem Prinzip “Survival of the fittest” deutlich verkleinern und optimieren. Doch um dies zu tun, ist dringend Punkt 3 meiner Liste notwendig.
Know-how aufbauen
Viel ist in den vergangenen Wochen darüber geschrieben worden, wie Corona Deutschland über Nacht digitalisiert hat. Das ist natürlich falsch. Denn nur, weil man an einer Videokonferenz per Microsoft Teams oder Zoom teilnehmen kann und den heimischen Küchentisch zum Schreibtisch umfunktioniert hat, ist man noch lange nicht digital. Digitales (Content) Marketing erfordert eine Vielzahl von Fähigkeiten, die man nicht über Nacht lernt – und die insbesondere in über Jahre gewachsenen Großstrukturen nicht vorhanden sind. Wenn man sich jetzt aber aus budgetär-strategischen Gründen entscheidet, digitale Marketingaufgaben intern zu erledigen, müssen also unbedingt intern Fähigkeiten aufgebaut werden. Kein Wunder, dass gerade fast jede Agentur digitale Schulungen anbietet. Tue ich ja auch …
Digitale Strukturen und Tools aufbauen
Corona ändert gerade die Arbeitsweise in vielen Berufen. Doch oft hält die aktuelle Soft- und Hardware-Ausstattung nur mühsam Schritt. Jetzt ist es an der Zeit aufzurüsten, die richtigen digitalen Tools zu finden und eine digitale Arbeitsweise einzuführen, die das HomeOffice auch langfristig erträglich macht. Ein Projektmanagement mit Zettel und Papier ist nun kaum mehr praktikabel. Und auch Excel stößt an seine Grenzen. Jetzt ist die Zeit der digitalen Planungs- und Kommunikationstools von Trello, Jira und Meistertask über Slack, WhatsApp und Threema bis hin zu Zoom, Skype, Google Hangout und Microsoft Teams. Auch eine sichere Cloud für alle Dokumente ist ein Muss. Und damit schlägt auch die Stunde der Datenschutzexperten. Denn ausgerechnet die Tools, die am meisten Spaß machen, sind oft nicht datenschutzkonform.
Handeln und Chancen nutzen
Ist eigentlich gerade alles schlecht? Na ja, das ist sehr abhängig von der Branche. Marketingverantwortlicher oder Dienstleister bei einem Luftfahrtunternehmen oder Reisekonzern zu sein, ist sicher gerade sehr, sehr spannend – um es positiv auszudrücken. Andere Branchen haben in meinen Augen gerade auch kurzfristig echte Chancen. Insbesondere, wenn sie über digitale Vertriebswege wie einen Onlineshop verfügen. Digitales Anzeigen-Marketing von Facebook und Google Ads bis Outbrain und Taboola ist zur Zeit so günstig wie lange nicht mehr, weil viele große Marken ihre Kampagnen-Budgets eingefroren und noch nicht wieder hochgefahren haben.
Wer jetzt schlau und passend zur Zeit Kampagnen startet, kann damit eigentlich nur erfolgreich sein. Wo doch in diesen Tagen immer noch die Menschen zuhause vor dem Computer, Tablet oder Smartphone sitzen. Nun ist auch die Zeit, Größe zu beweisen. Wer gerade seinen Beitrag für unsere Gesellschaft leistet, der darf auch damit werben und seine Marke dauerhaft positiv aufladen, finde ich. Also mehr About You und weniger Adidas.
P.S. Was übrigens besonders viele Karma-Punkte bringt: Punkt 2 meiner Liste ignorieren und in den Zeiten der Krise fest zu Agenturen und Freelancern zu stehen.