OWM:
Die To-Do-Liste der Tina Beuchler: "Alle Mann, warm anziehen!"
Tina Beuchler, Mediachefin von Nestlé Deutschland, ist erst seit wenigen Wochen Vorstandsvorsitzende der OWM. Ohne die obligatorischen 100 Tage abzuwarten, teilt sie aus und fordert. Etwa so unbequeme Dinge wie den Media-ROI, Transparenz und Veränderungen im Mediageschäft. Damit spricht sie W&V-Blogger "Mr. Media" aus der Seele, der allen Branchenseiten rät: "Zieht euch warm an!"
Sie ist erst seit wenigen Wochen Vorstandsvorsitzende der OWM, der Organisation der Werbungtreibenden im mächtigen Markenverband. Tina Beuchler, im Hauptberuf Mediachefin von Nestlé Deutschland, kennt sich aus im nicht immer leicht zu durchschauenden Mediageschäft. Und sie teilt aus. Ohne die obligatorischen, ersten 100 Tage abzuwarten.
In einer Welt, in der nur zehn Prozent der CEOs die Arbeit ihrer Marketingmanager schätzen, sich die Mediennutzung dramatisch wandelt und die Anforderungen an die Wirkung und Effizienz der Werbekampagnen höher nicht sein könnten, tritt Tina Beuchler eine Mammut-Aufgabe an. Da lohnt es zu wissen, welche Aufgaben sie sich vorgenommen hat.
Interessieren dürfte das vor allem die Chefs der Mediaagenturen, die sich - das zeigte sich jüngst wieder bei der Fusionsankündigung von Publicis und Omnicom - besonders gern eigennützige Ziele setzen. Denn es war John Wren, CEO von Omnicom, der zu Protokoll gab: „Wir werden in großem Umfang Werte schaffen für Aktionäre.“ Wren zählt bestimmt auch zu den CEOs, die von diesem Marketing nicht viel halten…
Das bleibt nicht ohne Folgen
Zurück aber zu Frau Beuchler. Denn der Boden, den ihr Vorgänger Uwe Becker bereitet hat - und das, was sie nun fordert, hat mehr Gewicht als das Geschwafel der Agenturen. „Das bleibt nicht ohne Folgen“, sagt sie in ihrem ersten Interview als OWM-Chefin in "Horizont". Gemeint war der rückläufige ROI, der nach ihrer Aussage „zum Teil deutlich“ leidet. Schon bei dieser Aussage müssten allen Agenturmanagern die Haare „zum Teil deutlich“ zu Berge stehen. Möglicherweise auch die ihrer eigenen Mediaagentur, die sich ausgerechnet das Thema ROI auf die Fahne geschrieben hat.
Was bisher nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wurde, ist nun Gewissheit: Der Media-ROI sinkt. Gäbe es nur eine einzige Aufgabe, der sich die Mediaagenturen zu widmen hätten, dann wäre es wohl den Return on (Media) Investment ihrer Kunden zu sichern und zu steigern. Oder fällt Ihnen spontan eine wichtigere ein?
Man muss es den Profis in manchen Agenturen vielleicht noch einmal ganz langsam erklären: Die Kunden investieren Geld in ihre Kampagnen, um etwas zurück zu bekommen. Echt wahr. Weder ist das Geld dazu da, um Dienstleister zu bereichern, noch um KPIs wie GRPs oder „Cost-per-Somethings“ zu kaufen, wenn sie keinen oder nur homöopathischen Einfluss auf die Kampagnenwirkung besitzen.
Wenn Frau Beuchler den ROI mit Nachdruck einfordert, dann müssen sich die Agenturen warm anziehen. Und die Medien gleich mit.
Den Misserfolg effizienter machen
Gleichzeitig - und jetzt wird Frau Beuchler konkreter - habe die „zunehmende Komplexität und Fragmentierung der Medienlandschaft einen Einfluss auf die Wirksamkeit von Kampagnen“. Unterstellen wir einmal, sie meint damit einen nicht wirklich positiven Einfluss. Eigentlich sollte die Fragmentierung der Medien - und mit ihr so sensationelle Erfindungen wie Targeting und Real Time Bidding - das Erreichen individueller Zielgruppen erleichtern und erfolgreicher machen. Nur den Misserfolg effizienter zu machen, war dann leider doch nicht das Ziel.
Das Gegenteil ist gefordert: Tina Beuchler meint zu Recht Kampagnenerfolg UND Effizienz. Derweil sinken jedoch die Klickraten. Und jede weitere Automatisierung, die die Mediaagenturen mit aller Kraft forcieren, wird höchstens dazu führen, dass sich die Mediapläne, Software-gesteuert, noch mehr gleichen wie ein Ei dem anderen. Auch Trading (das gewinnträchtige Verscherbeln von auch minderwertigem Medien-Inventar durch Agenturen - d. Vf.) hält sie für einen Irrweg und lehnt es kategorisch ab.
Offenbar erwartet man im Kundenverband von den Agenturen gänzlich andere Lösungen. Als Mediaagentur würde ich mich vorsorglich schon einmal warm anziehen.
Oh, oh, Veränderungen…
Vom Thema „Transparenz“ hatte man lange nichts mehr gehört. Was die Agenturen längst als erledigt abgehakt hatten, ist jedoch nie von der Agenda runter genommen worden. Zu früh gefreut. Für Tina Beuchler ist Transparenz sogar eines der Top-Themen. Die Refinanzierungssysteme der Mediaagenturen seien nicht (!) im Interesse der Werbungtreibenden, die am Ende ohnehin die Rechnung bezahlen. Vieldeutig formuliert sie: „Und für mehr Transparenz bedarf es Veränderungen“. Man müsse sehen, wie weitreichend. Wir können nur spekulieren, was genau sie damit meint. Aber zumindest darf man ihr unterstellen, dass sie mit „weitreichend“ nicht meint, dass sich - wie in der Vergangenheit - rein gar nichts für die Kunden ändert.
Nun dürften es die CFOs in den Mediaagenturen sein, die sich warm anziehen müssen. Zum Beispiel, wenn sie sich vor Sir Martin Sorrell, Maurice Lévy und John Wren kleinlaut dafür verantworten müssen, dass ihnen die bösen Kunden ihre finanziellen Goldesel streitig machen.
ROI… Kampagnenwirksamkeit… Media-Effizienz… Transparenz… Refinanzierungssysteme… Veränderungen…! Viel länger muss die To-Do-Liste der Organisation der Werbungtreibenden nicht sein, um den Mediaagenturen ab sofort schlaflose Nächte zu bereiten.
Die OMG, der Mediaagenturverband, selten verlegen um eine nichtssagende Antwort, wird alles von sich weisen. Stets sei man bemüht, den Kampagnenerfolg der Kunden zu steigern - und investiere unvorstellbare Summen, um die großartige Leistung der Mediaagenturen für ihre Kunden nachhaltig zu sichern. Zudem biete man seit jeher absolute Transparenz. Spätestens wenn Sie diese Pressemitteilung lesen, wissen auch die letzten Kunden, dass die im OMG verbandelten Mediaagenturen weder zuhören, noch die Bedürfnisse oder gar die Forderungen ihrer Kunden ernstnehmen.
Das verspricht ein heißer Herbst zu werden. Und für die Mediaagenturen ein historisch kalter Winter.
Ich freue mich auf Tina Beuchler. Der OWM hat sie verdient.