Oberstes Ziel einer gesamtheitlichen Datenpolitik müsse sein, Deutschland und Europa als Datenstandort zu etablieren, der im internationalen Wettbewerb bestehen kann. "Es wird dringend Zeit, dass unsere Entscheider den Wert einer zukunftsgewandten Datenpolitik für unser Land erkennen. Hier waren bereits positive Tendenzen erkennbar – die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen aber sind leider unklar und widersprüchlich, hier brauchen wir dringend Klarheit."  

Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) richtet seinen Blick ebenfalls auf die noch ausstehende E-Privacy-Verordnung. Die Mitglieder des ZAW würden die Ankündigungen des Koalitionsvertrags beim Wort nehmen, wonach sich die künftige Regierung für eine E-Privacy-Verordnung einsetzen wolle, "die im Einklang mit der EU-Datenschutz Grundverordnung steht und den Spielraum für Innovation und digitale Geschäftsmodelle erhält."

Daneben hält der ZAW zu Gute: "Union und SPD haben sich angesichts der besonderen Bedeutung der Werbung als Garant für den Bestand der Medien und deren Finanzierung dazu verpflichtet: Alle künftigen nationalen und europäischen Gesetzgebungsvorhaben werden hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Medienangebote durch Werbeverbote überprüft, und zwar noch stärker als früher. Diese Vereinbarung gilt es dann auch umzusetzen – produkt- und medienübergreifend", sagt ZAW-Präsidenten Andreas Schubert.

Die Details im Koalitionsvertrag 

Noch ist der Koalitionsvertrag im Entwurfsstadium, er wurde noch nicht unterschrieben. Dies setzt unter anderem die Zustimmung der SPD-Basis voraus. Das Thema Digitalisierung findet sich an diversen Stellen wieder und umfasst sowohl den Datenschutz, Bitcoins und sogar eine einheitliche Plattform für Uber, DriveNow, Bahn und Car2go.

Im Text steckt außerdem eine Warnung an Check24 und Co und die Andeutung, dass Verbände wie etwa die UEFA ihre Champions League-Rechte künftig europaweit ausschreiben kann und digitale Inhalte nicht mehr an Grenzen halt machen sollen. Hier die zentralen Passagen aus mehreren Stellen im 177 Seiten starken Papier zum Thema Digitalisierung:

Anspruchsvolle Ziele

  • eine flächendeckende digitale Infrastruktur von Weltklasse,
  • die Vermittlung von digitalen Fähigkeiten als Schlüsselkompetenz für alle Altersgruppen,
  • eine Arbeitswelt, die Menschen im digitalen Wandel befähigt, sichert und mehr Lebensqualität ermöglicht,
  • eine Regulierung, die Wettbewerb und Wettbewerbsfähigkeit schafft,
  • mehr Sicherheit im Cyberraum,
  • mehr Bürgernähe durch eine moderne, digitale Verwaltung,
  • einen Rechtsrahmen, der Bürgerrechte garantiert, einen Ausgleich von Freiheit und Sicherheit leistet und gleichzeitig mehr Innovationen ermöglicht.

Infrastruktur und Investitionen

"Wir werden die Einrichtung einer Digitalagentur prüfen, die die Bundesregierung als nachgeordnete Behörde in der Umsetzung der Maßnahmen unterstützt. Dazu gehören z. B. die Telekommunikations- und Plattformregulierung oder Marktbeobachtung.

Die Einführung digitaler Arbeitsprozesse wie die E-Akte führen zu mehr Transparenz. Dadurch können zum einen Steuerungsinstrumente zur Optimierung entwickelt werden und zum anderen besteht die Sorge vor dem gläsernen Mitarbeiter. Daher wollen wir Klarheit über Rechte und Pflichten der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schaffen sowie die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten sicherstellen (Beschäftigtendatenschutz).

Wir wollen, dass Unternehmen etwa mit Hilfe eines „One-Stop-Shop“ und mehr Transparenz in der Förderlandschaft schnell und unbürokratisch gegründet werden können. Wir werden Hürden für den Gründungsprozess abbauen und prüfen Anpassungen im Insolvenzrecht.

Wir wollen mehr privates Kapital sowie institutionelle Anleger für Investitionen in Startups. Gemeinsam mit der deutschen Industrie wollen wir die Auflage eines großen nationalen Digitalfonds initiieren.

Nun machen wir an allen öffentlichen Einrichtungen des Bundes sowie in der Deutschen Bahn in Zügen und Stationen offene und kostenfreie WLAN-Hotspots verfügbar."

Datennutzung und Datenschutz

"Freier und sicherer Datenaustausch mit anderen Wirtschaftsräumen ist eine Grundvoraussetzung für den Erfolg der deutschen und europäischen Digitalwirtschaft. Wir wollen den transatlantischen Datenaustausch auf Grundlage des EU/US-PrivacyShield erhalten. Gleichzeitig werden wir uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen, entsprechende wirksame Abkommen

Wir wollen ein hohes Schutzniveau für die Vertraulichkeit von Kommunikationsdaten bei der E-Privacy-Verordnung und zugleich den Spielraum für Innovation und digitale Geschäftsmodelle erhalten. Wir wollen erreichen, dass z. B. Start-ups und Unternehmen bei digitalen Innovationen einen beratenden Ansprechpartner für Datenschutzfragen erhalten und deutschlandweit geltende Entscheidungen einholen können.

Wir wollen ein Innovationsboard auf EU-Ebene einrichten, um konkrete Vor- Entwurf schläge zur Weiterentwicklung der Europäischen Datenschutzregelungen zu erarbeiten. Wir wollen uns für eine Stärkung der Kompetenz der Nutzerinnen und Nutzer sowie für mehr Transparenz und "Privacy by Default" und "Privacy by Design" auf Seiten der Anbieter einsetzen und die Entwicklung von innovativem Einwilligungsmanagement fördern und unterstützen.

 Wir setzen uns für eine innovationsfreundliche Anwendung der Datenschutzgrundverordnung ein. Verbraucher müssen ihre persönlichen Daten einfach und unkompliziert von einer Plattform zu einer anderen Plattform transferieren können. Daher wollen wir die Datenportabilität und Interoperabilität sowie die Rechte der Nutzer stärken. Diskriminierungsverbote der analogen Welt müssen auch in der digitalen Welt der Algorithmen gelten.

Wir setzen uns für Transparenz bei Online-Vergleichs- und Beratungsportalen ein. Wir werden zeitnah eine Daten-Ethikkommission einsetzen, die Regierung und Parlament innerhalb eines Jahres einen Entwicklungsrahmen für Datenpolitik, den Umgang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen vorschlägt. Die Klärung datenethischer Fragen kann Geschwindigkeit in die digitale Entwicklung bringen und auch einen Weg definieren, der gesellschaftliche Konflikte im Bereich der Datenpolitik auflöst.

Wir werden uns auf EU-Ebene außerdem für eine E-Privacy-Verordnung einsetzen, die im Einklang mit der EU-DatenschutzGrundverordnung die berechtigten Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern und Wirtschaft angemessen und ausgewogen berücksichtigt."

Wettbewerb und ein Level Playing Field in Europa

"Die Wettbewerbsfähigkeit Europas hängt entscheidend von der Verwirklichung des einheitlichen digitalen Binnenmarkts ab. Deshalb wollen wir grundsätzlich auf einseitige, nationale Regulierungen verzichten, um die europaweite Umsetzung von digitalen Geschäftsmodellen zu erleichtern. Wir streben an, die Freizügigkeit von Daten als fünfte Dimension der Freizügigkeit zu verankern.

Wir wollen, dass Mobilität über alle Fortbewegungsmittel (z. B. Auto, ÖPNV, E-Bikes, Car- und Ride Sharing, Ruftaxen) hinweg geplant, gebucht und bezahlt werden kann und führen deshalb eine digitale Mobilitätsplattform ein, die neue und existierende Mobilitätsangebote benutzerfreundlich miteinander vernetzt. Um dies zu erreichen, müssen einheitliche, offene Standards entwickelt und eingehalten werden. Damit können Echtzeitdaten über Verkehrsträger und -situation frei und zwischen allen öffentlichen und privaten Betreibern von Verkehrssystemen und Anbietern von Informationssystemen ausgetauscht werden, um die Einführung von bundesweiten eTickets zu ermöglichen.

Wir werden auch im Trilog die Revision der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste in enger Abstimmung mit den Ländern vorantreiben und die gemeinsamen Ziele (insbesondere die Einbeziehung von sozialen Netzwerken) zur Schaffung eines Single Market im Audio-Visuellen-Bereich umsetzen. Die Weiterentwicklung des Urheberrechts auf europäischer Ebene soll im Sinne eines fairen Ausgleichs der Interessen gestaltet werden.

An der gesetzlichen Verankerung der Netzneutralität halten wir fest. Netzneutralität und diskriminierungsfreier Netzzugang sind entscheidend für das offene und freie Internet sowie für Teilhabe, Innovation und fairen Wettbewerb. Die nach europarechtlichen Vorgaben möglichen Ausnahmen vom Prinzip der Netzneutralität müssen eng begrenzt bleiben. Sie müssen streng beaufsichtigt werden. Die Einschränkung der Netzneutralität kann auch die inhaltliche Vielfalt beeinträchtigen. Daher soll die Regulierungsbehörde eng mit den Medienanstalten der Länder zusammenarbeiten und diese in die Aufsicht über die Medienvielfalt einbeziehen.

Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu "filtern", lehnen wir als unverhältnismäßig ab. Negative Auswirkungen auf kleinere und mittlere Verlage müssen vermieden werden. Die Daten-Souveränität werden wir auf europäischer Ebene im Rahmen der E-Privacy-Verordnung stärken."

Kampfansage an Facebook, Amazon, Google und Co.

"Wir wollen die bestehenden Technologieprogramme für anwendungsnahe Forschung zur Förderung digitaler Spitzentechnologien wie Quantencomputing, Robotik, autonome Systeme, Augmented Reality (3D Virtualisierung), Blockchain, Visible Light Communication und Smart Home fortführen und ausbauen. Gleichzeitig werden wir gemeinsam mit unseren französischen Partnern ein öffentlich verantwortetes Zentrum für künstliche Intelligenz errichten.

Wir brauchen eine Modernisierung des Kartellrechts in Bezug auf die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaftswelt. Wir wollen das Wettbewerbsrecht für digitale Geschäftsmodelle ergänzen. Gleichzeitig wollen wir im Wettbewerbsrecht alle Voraussetzungen dafür schaffen, in Deutschland und Europa die Entstehung von Digitalkonzernen zu ermöglichen, die international eine wettbewerbsfähige Größe erreichen. Um Eckpunkte für entsprechende Reformen zu entwickeln, setzen wir eine Kommission "Wettbewerbsrecht 4.0" ein. Wir streben die Harmonisierung und Zusammenführung der rechtlichen Grundlagen im Digitalbereich an.

Wir wollen die Einrichtung einer Digitalagentur prüfen, die die Bundesregierung als nachgeordnete Behörde in der Umsetzung der Maßnahmen unterstützt. Dazu gehören z. B. die Telekommunikations- und Plattformregulierung oder Marktbeobachtung.

Unser Ziel sind starke deutsche und europäische Akteure der Plattformökonomie, deshalb wollen wir vorhandene Hemmnisse abbauen. Wir setzen uns für ein level playing field ein, dazu gehören auch die Rechte von Beschäftigten und Verbrauchern. Dazu werden wir die Mitwirkung der Plattformen einfordern.

Auch eine kohärente Regulierung und Aufsicht sollen dazu beitragen, Deutschlands Rolle als einer der führenden Digitalisierungs- und FinTech-Standorte zu stärken. Um das Potential der Blockchain-Technologie zu erschließen und Missbrauchsmöglichkeiten zu verhindern, wollen wir eine umfassende Blockchain-Strategie entwickeln und uns für einen angemessenen Rechtsrahmen für den Handel mit Kryptowährungen und Token auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen. Die Möglichkeiten der bargeldlosen Zahlung sollen im digitalen Zeitalter erweitert werden. Anonymes Bezahlen mit Bargeld muss weiterhin möglich bleiben."

lp/mit dpa


Autor: Leif Pellikan

ist Redakteur beim Kontakter und bei W&V. Er hat sich den Ruf des Lötkolbens erworben - wenn es technisch oder neudeutsch programmatisch wird, kennt er die Antworten. Wenn nicht, fragt er in Interviews bei Leuten wie Larry Page, Sergey Brin oder Yannick Bolloré nach.