
Bier:
Die Astra-Story: Wie man ein 08/15-Bier zur Kultmarke macht
Mit lässiger Werbung und coolem Design hat es Astra zur Kultmarke gebracht. Die Information, dass das authentisch wirkende Kiez-Bier längst zum dänischen Carlsberg-Konzern gehört, stört da nur......
Mit unkonventionellen Werbebotschaften und einzigartigem Design hat es das Hamburger Astra-Bier zur Kultmarke gebracht. Dass der Eigentümer der Marke der dänische Bier-Konzern Carlsberg ist, tritt in der Kommunikation wohlweislich in den Hintergrund.
"95 Cent", sagt der Getränkehändler als er die Flasche Astra Urtyp über den Verkaufstresen schiebt. Das Flensburger in der Bügelflasche (ebenfalls 0,33) kostet 20 Cent weniger. Und warum der Preisunterschied? "Ist halt ein so ein In-Bier", rechtfertigt sich der Getränke-Experte. Ach so, ja, alles klar. Zur Frage, ob das Astra denn auch besser schmeckt, kann er jedenfalls nichts sagen. Der Mann mag kein Bier. Seine Kunden schon. Seit zwei Jahren hat der Getränkehändler aus München Astra im Sortiment. Die Nachfrage? "Ganz gut."
Rein optisch betrachtet ist das auch kein Wunder. Auf den Astra-Flaschen klebt seit 13 Jahren ein Etikett, das im Bierregal etwas Besonderes ist. Der Anker mit Herz, entworfen von der Hamburger Design-Agentur Feldmann + Schultchen, visualisiert die Seele des Biers: St. Pauli, Hafenarbeiter-Flair, nicht Premium, sondern anders. Kein Wunder, dass es Menschen gibt, die sich das Astra-Herz auf den Körper tätowieren lassen oder auf dem T-Shirt spazieren tragen.
Ein Szenebier. Eine lokale Größe, die inzwischen bundesweit bekannt ist und Brauereiriesen mit Marken wie Beck’s Konkurrenz macht? Gute Geschichte. Doch die Bavaria St. Pauli-Brauerei, die das Astra-Bier einst erfunden hat, gibt es nicht mehr. 1999 hat Holsten die damals von der Pleite bedrohte Brauerei übernommen, inzwischen steht auf dem ehemaligen Brauereigelände ein Hotel. 2004 stieg dann der dänische Carlsberg-Konzern bei Holsten ein. Seither ist Astra ist also ein Carlsberg-Bier.
An die große Glocke hängen die Bier-Manager diesen Umstand allerdings nicht. Die Zeitleiste auf der vor kurzem ins Netz gestellten Website reiht, beginnend mit dem Gründungsjahr 1647, die wichtigsten Wegmarken der Geschichte auf. Carlsberg taucht da nicht auf. "Astra hat seinen Ursprung in Hamburg und ist in seiner Heimat St.Pauli stark verwurzelt", bemüht sich eine Sprecherin des Bierkonzerns um eine Erklärung. Der Name Carlsberg spiele beim Thema Astra deshalb nur eine "untergeordnete Rolle."
Für den dänischen Bierriesen ist das einstige Hamburger Arbeiterbier, das nicht zuletzt durch den von Philipp & Keuntje entwickelten Werbestil ("Astra. Was dagegen?") zur In-Marke aufgestiegen ist, offenbar ein Gewinn. Der Astra-Umsatz, heißt es bei Carlsberg, sei in den vergangenen Jahren "signifikant gewachsen." Und im vergangenen Jahr hat der Brauereikonzern aus Kopenhagen, der nach Anheuser-Busch, InBev, SAB Miller und Heineken Platz fünf im Weltmarkt belegt, mit Astra richtig Gas gegeben: Da wurde das Werbebudget im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Rund 820.000 Euro hat Carlsberg 2012 in die Astra-Werbung investiert, in diesem Jahr liegt das Budget auf dem gleichen Niveau.
An Mitteln, um das Image als Stammgetränk für Andersdenkende und Lebenskünstler, weiter zu pflegen, mangelt es also nicht. Außenwerbung, mit City Light Postern und Town Walls, bleibt der bevorzugte Werbeweg und auch im Netz will sich Astra weiter bemerkbar machen. Social Media, so heißt es, soll in diesem eine "entscheidende Rolle" spielen um die "nationale Fangemeinschaft zu vergrößern". Mit der Resonanz auf die im vergangenen Jahr eingerichteten Facebook-Seite sind die Astra-Manager jedenfalls zufrieden: Über 170.000 Facebook-Nutzer haben dem In-Bier bisher ein "Gefällt mir" spendiert. Außerdem denkt sich die Stammagentur Philipp & Keuntje, die seit 1999 für Astra arbeitet, immer wieder ausgefallene Aktionen aus. Aktuelles Beispiel: Das „Flaschentheater“, eine etwas andere Aufforderung zum Flaschen sammeln.
400.000 Hektoliter werden im Jahr unter der Marke Astra gebraut – bei Holsten. Am Inhalt der bauchigen 0,33-Liter-Flaschen hat sich trotz der wechselnden Eigentümer nichts geändert. "Das Astra Urtyp", versichert die Carlsen-Brauerei, "besteht nach wie vor aus den Originalspezifikationen der Bavaria St. Pauli-Brauerei." Passionierte Biertrinker lassen sich davon nur bedingt beeindrucken. Beim Expertentreff unter www.bierranking.de kommt Astra Urtyp auf eine schlechte 3. "Ruf ist deutlich besser als der Geschmack", urteilt etwa einer der Tester. Die Bewertung ist allerdings schon ein paar Jahre alt – und der Entwicklung zum Kultbier hat das Test-Urteil keinen Abbruch getan.
tl;dr: Man kann vielleicht nicht jedes 08/15-Bier zur Kultmarke machen. Aber wenn der Kunde eine richtig gute Markenstrategie hat und Corporate Design und Werbung absolut stimmig sind, dann stehen die Chancen schon mal nicht schlecht. Das kann auch ein mitelmäßiges Produkt rausreißen.