Aus wegen Corona:
Die Agentur Polycore macht dicht
Von wegen Purpose. Das Thema Nachhaltigkeit fällt in Zeiten der Pandemie bei vielen Unternehmen dem Sparzwang zum Opfer. Der Agentur für Nachhaltigkeit, Polycore, hat das die Existenz gekostet.
Joko Weykopf und Jannes Vahl geben auf. Vor fünf Jahren haben die beiden die Polycore Werbeagentur GmbH gegründet. "So richtig mit Füllfederhalter und Notar", wie sie sich heute in einem Post auf Facebook wehmütig erinnern. Fortan kümmerte sich Polycore darum, in Unternehmen den sozialern, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeitsgedanken zu verankern.
Corona schafft Purpose? Von wegen!
Wiederholt haben die beiden Agenturchefs darüber mit W&V gesprochen. Zuletzt stellten sie sich Ende April in einem Interview der Frage, was von Corona bleibt, wenn das Virus geht. Haltung, war die Antwort. "Ich rechne damit, dass viele Unternehmen aus dieser Krise lernen und sich mittelfristig damit beschäftigen werden, wofür sie stehen und welchen Wert das eigene Handeln wirklich hat", so Joko Weykopf.
Das war wohl eher ein frommer Wunsch, wie sich jetzt herausstellt. Obwohl doch so viele Unternehmen Anfang des Jahres mit purposegetriebener Kommunikation versucht haben, Verbraucher für sich zu gewinnen. Alles Greenwashing? Die Kunden von Polycore jedenfalls haben sich in den vergangenen Monaten mehr als einmal mit der Begründung abgewandt, das Thema Nachhaltigkeit sei "verschoben".
Pitches wurden auf Eis gelegt, Verträge nicht unterzeichnet, Aufträge nicht erteilt. Am Ende, so Weykopf, sei einfach kein Geschäft mehr dagewesen. Dabei mussten sie in all den Jahren nie Akquise betreiben. "Wir sind durch die Coronakrise hart getroffen und haben beschlossen, den Betrieb einzustellen", schreiben sie auf Facebook:
"Wir hätten auf vier Leute runtergehen können, aber wir wissen nicht, wie lange das mit Corona noch dauert", sagt Joko Weykopf. Außerdem, so beobachtet der Werber, hätten viele Kunden Polycore zwar durchaus für ihr spezielles Knowhow in Sachen Nachhaltigkeit geschätzt. Aber der Ressourcen, der Sicherheit wegen wären sie am Ende doch lieber zu größeren Agenturen ausgewichen. Underdogs hätten es schwer zurzeit, so Weykopf.
Die verbliebenen Kunden hat die Agentur über das Aus informiert, die 12 Angestellten suchen sich neue Jobs. Jannes Vahl wird sich wohl als PR-Berater selbstständig machen, Weykopf selbst denkt über eine Zukunft als Freelancer oder Angestellter einer Agentur nach - ganz klar sei das noch nicht.
Immer mehr Agenturen gehen pleite
Benjamin Minack, Präsident des Gesamtverbands Kommunikationsagenturen GWA, hatte für dieses Jahr eine Konsolidierungswelle vorausgesagt. Die Prognose scheint sich zu bewahrheiten. Wer sich nicht in größeren Verbänden organisiert, verschwindet vom Markt. Polycore hatte Angebote von Agenturen, die sich beteiligen oder sie gar übernehmen wollten - mit Corona hätten sich die Gespräche aber wieder zerschlagen. Jetzt wird die GmbH liquidiert.
Das Thema Nachhaltigkeit indes werde wieder auf die Agenda kommen, glaubt Weykopf. Auch wenn es die Unternehmen derzeit eher wie ein Luxusproblem behandelten. Denn die Verbraucher würden Marken an ihrem Engagement für Mensch und Natur messen - in Zukunft mehr denn je.
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