#MeToo und die Folgen:
Deutsche Sender gehen Hinweisen auf Übergriffe nach
Nach den Vorwürfen gegen Regisseur Dieter Wedel hat das Aufbegehren von Frauen gegen sexuellen (Macht-)Missbrauch und Diskriminierung auch hier konkrekte Auswirkungen.
Bis zum Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Regisseur Dieter Wedel blieb es in Deutschland sehr ruhig, was die #MeToo-Bewegung angeht. Nun hat das Aufbegehren von Frauen gegen sexuellen (Macht-)Missbrauch und Diskriminierung auch hier konkrekte Auswirkungen. Los geht es, wie in Amerika, auch in Deutschland in der Filmbranche.
Unter dem Druck immer neuer Anschuldigungen von Frauen, die inzwischen von sexueller Belästigung bis zur Vergewaltigung reichen, trat Wedel am 22. Januar als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele zurück.
Nun wenden sich die Sender, die mit Wedel zusammengearbeitet haben, ebenfalls den geschilderten Fällen zu. #MeToo hat, wie es scheint, den Umgang mit dem Thema beeinflusst.
ProSiebenSat.1 arbeitet am Präventionskonzept
So prüft der Privatsender Sat.1 jetzt, ob es interne Hinweise auf frühere Vorwürfe gegen den TV-Regisseur Dieter Wedel wegen sexueller Übergriffe gab. Man nehme die aktuellen Vorwürfe gegen Wedel sehr ernst und habe eine Untersuchung angestoßen, teilte Sat.1 in München mit. Wedel führte bei dem erfolgreichen Sat.1-Mehrteiler "Der König von St. Pauli" Regie.
"ProSiebenSat.1 lebt eine Unternehmenskultur, die jegliche Art von Diskriminierung, sexueller Gewalt und Machtmissbrauch untersagt", so der Sender. "Als Konzern haben wir eine moralische Verantwortung, unsere Mitarbeiter und die Mitwirkenden an unseren Produktionen vor sexueller Diskriminierung und Machtmissbrauch zu schützen." Deshalb würden auch bereits bestehende Vorkehrungen noch einmal überprüft. Das Ziel sei, Übergriffe so weit wie möglich auszuschließen beziehungsweise unmittelbar aufzuarbeiten.
Zuvor hatte schon die Produktionsfirma Bavaria Film angekündigt, die Zusammenarbeit mit Wedel zu untersuchen. Bavaria Film beziehungsweise Bavaria Fiction hatten mit Wedel "Der König von St. Pauli" und "Die Affäre Semmeling" realisiert.
Auch der Saarländische Rundfunk (SR) teilte vorige Woche mit, eine "Task Force" solle aufarbeiten, wie der Sender mit den 1981 erhobenen Vorwürfen gegen Wedel umgegangen sei. Die Schauspielerin Esther Gemsch, die für die von der damaligen SR-Tochterfirma Telefilm Saar (TFS) produzierte Serie "Bretter, die die Welt bedeuten" engagiert worden war, hatte in der Wochenzeitung Die Zeit einen mutmaßlichen Vergewaltigungsversuch Wedels 1980 geschildert. Ihre Vorwürfe sind in einem internen SR-Bericht dokumentiert. Man wisse leider nicht, warum damals niemand darauf reagiert habe, räumte der Sender ein.
Til Schweiger setzt sich für Sicherheit ein
Für Schauspieler und Filmproduzent Til Schweiger steht fest, dass die Diskussion um sexuelle Gewalt in der Film- und Fernsehbranche Konsequenzen haben muss. Bei den Dreharbeiten zu seinem neuen Film soll es deshalb zwei Vertrauenspersonen geben, an die sich Crewmitglieder im Falle von sexuellen Belästigungen wenden können. "Jeder, dem so etwas widerfährt, ist sein Leben lang traumatisiert", sagte Schweiger am Mittwochabend in der ZDF-Talkshow Markus Lanz über Opfer sexuellen Missbrauchs.
Der Schauspieler hat Verständnis dafür, dass sich Frauen erst Jahre nach solchen Taten öffnen: "Wir müssen sagen: 'Wir verstehen, warum ihr so lange gelitten habt und so lange nicht den Mut hattet.' Und nicht sagen: '20 Jahre hattet ihr die Chance und jetzt haltet die Klappe.'"
Von Wedel sei bekannt gewesen, dass er zumindest "ein Menschenquäler ist", sagte Schweiger. In vielen Fällen gehe es gar nicht um Sex, sondern um die Demonstration von Macht. Die Schauspielerin Brigitte Karner sieht Wedels Verhalten ähnlich: "Er hat seine Macht brutal missbraucht, und man hat es ihm gestattet", sagte die Österreicherin am Mittwochabend bei Stern TV. In den 1990er-Jahren hatte in "Der große Bellheim" gespielt. Wedel habe sie schikaniert und beleidigt, nachdem sie Avancen abgelehnt habe. Karner kritisierte, dass es Verantwortliche gegeben habe, die ihm gestattet hätten, seine Macht zu missbrauchen. Es müsse darüber geredet werden, warum Produzenten oder Leute beim Sender immer wieder geschwiegen hätten.
Condé Nast mit Code of Conduct
Beim internationalen Verlag Condé Nast ist indes der bereits angekündigte "Code of Conduct" in Kraft getreten. Er soll "allen Mitarbeitern, Dienstleistern und Geschäftspartnern" ein Regelwerk an die Hand geben, "das im Rahmen von (Foto-)Produktionen ein sicheres und respektvolles Arbeitsumfeld gewährleisten soll".
Condé Nast weiter: "Vor dem Hintergrund der in den vergangenen Monaten bekannt gewordenen Vorwürfe bzgl. sexueller Belästigung in der Modebranche will Condé Nast so einen Beitrag zur Schaffung eines verbindlichen Branchenstandards leisten." Jonathan Newhouse, Chairman und CEO, sieht sein Medienhaus dazu verpflichtet "mitzuhelfen, Lösungen für das Problem der sexuellen Belästigung in unserer Branche zu finden".
Meanwhile in Hollywood: David Schwimmer
Derweil dreht sich MeToo auch in der US-Filmbranche weiter: Der Schauspieler David Schwimmer (The People vs. O.J. Simpson, Friends), der sich aktuell durch Skittles-Teaser zum Super Bowl blödelt, unterstützt die #MeToo mit seinem Hashtag #ThatsHarassment. Schwimmer wendet sich explizit gegen sexuellen Missbrauch am Arbeitsplatz - egal welchem Arbeitsplatz. Gemeinsam mit der Filmemacherin Sigal Avin hat er bereits vor einem Jahr sechs Kurzfilme gedreht, die sich mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz befassen. Die veröffentlicht er jetzt erneut, gemeinsam mit The Ad Council. Neu dazugekommen ist eine Kontaktnummer, an die sich Betroffene wenden können.
Schwimmer: "Ich verstehe, warum sich im derzeitigen Klima Männer mit Aussagen zu MeToo sehr zurückhalten - was schade ist, denn ohne Dialog geht nichts voran." Das sollen seine Videos ändern. Die werden unter anderem auf Bildschirmen in New Yorker Taxis gezeigt.
Im Film "The Boss" steht Schwimmer selbst vor der Kamera. Der schildert eine recht alltägliche Situation ... die nicht normal sein sollte. Deren Alltäglichkeit das eigentliche Problem ist.
Persönliche Stellung nimmt David Schwimmer in einem offenen Brief, in dem er erzählt, dass unter anderem seine Mutter, eine Anwältin, sexuell bedrängt und diskriminiert worden sei - das solle seiner Tochter nicht widerfahren.
Ein wichtiger Baustein sei Veränderung im Arbeitsumfeld. "Ich möchte sicherstellen, dass jeder Arbeitgeber und jede Firma versteht, was sie tun kann, um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern", schreibt Schwimmer. "Wenn jede Firma mitmachen würde, wäre das ein guter Anfang vom Ende sexueller Übergriffe, die Frauen seit Generationen erdulden mussten." (sh/dpa)