Kolumme von Norbert Möller:
Design gegen die Krise
Terror, Krisen, Streiks: Es steht nicht gut um Paris. Aber für unseren Design-Kolumnisten Norbert Möller gibt es neben der Fußball-EM noch einen weiteren Lichtblick....
Bald rollt wieder der Ball. Die Europameisterschaft steht vor der Tür und mein Terminkalender bekommt auf einen Schlag neue Einträge: Man will ja auf keinen Fall aus Versehen bei einem wichtigen Spiel im Flieger sitzen oder in einer Bahnhofskneipe stranden. Da ist es besser, der Spielplan wird bei der Organisation von Meetings und Schulterblicken berücksichtigt.
Und bald wird damit auch Paris wieder im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen, wo gerade leider die French Open im Regen versinken. Die Weltmetropole hat in letzter Zeit ja einiges hinnehmen müssen: verstörende Terroranschläge, politische Krisen und Streiks. Man könnte beinahe meinen, der anhaltende Dauerregen stünde symbolisch für die allgemeine Stimmung in der Stadt. Meine französischen Kollegen bestätigen mir, dass Paris in einer Depression steckt, die mit liebenswerter Melancholie nichts mehr zu tun hat: Der Staatspräsident ist unbeliebt, es sind aber auch keine Alternativen in Sicht. Der ökonomische Aufschwung bleibt aus, teilweise gibt es Krawalle auf den Straßen und der Ausnahmezustand nach den Terroranschlägen raubt dem Leben in der Stadt seine Heiterkeit.
Kleine Hoffnungsschimmer liefert immerhin das Design. Das Logo für die Olympia-Kandidatur von Paris 2024 erfreut das Gestalterherz und vor einigen Wochen präsentierten auch die Tourismusbüros der Stadt ein neues Erscheinungsbild, das erstaunlich gut gelungen ist.
Sobald es um die Darstellung von Paris geht, spielt der Eiffelturm irgendwie eine tragende Rolle. Der Kitsch ist dann nicht weit – und die Agentur liefert hier in ihrer Herleitung ja auch einige Beispiele dessen, was es zu vermeiden galt. Beim neuen Logo für das Pariser Fremdenverkehrsbüro ist das A in der Wortmarke daher auch nicht figürlich dem Eiffelturm nachempfunden, sondern das Wahrzeichen wird reduziert konstruiert als Buchstabe eingesetzt. Die Größe im Wortbild und der kleine Bogen im A-Querstrich machen es trotzdem eindeutig erkennbar. Das Informations-"i" spielt in der Wortmarke auch eine Rolle, wobei der kleine i-Punkt einen Luftsprung zur abschließenden Höhe des Eiffelturm-A’s macht. Und zu guter Letzt ist die ganze Wortmarke wohltuend gesperrt.
Es ist ein ernsthaftes aber auch ein heiteres Logo. Es ist klassisch modern aber auch ein wenig retro und erinnert an die 20er Jahre, an die Zeit des Konstruktivismus. Die weiteren Anwendungen sind gekonnt spielerisch: Die Kommunikation für das Stadtticket arbeitet mit den i-Punkten als Zielkoordinaten. Für die weitere Kommunikation wird das Logo plakativ als Silhouette eingesetzt und mit charmanten Illustrationen gefüllt. Es ist ein fröhliches Layout. Und das tut gut. Als ich das Logo vor zwei Wochen zum ersten Mal sah, hatte ich spontan einige Assoziationen: intelligent, charmant, klassisch, retro und modern. Kurzum: So wie Paris selbst ist. Ich bleibe dabei.
Der Autor: Norbert Möller ist seit 2003 Executive Creative Director der Peter Schmidt Group und leitet deren Corporate Design Team am Standort Hamburg. Zu den von ihm betreuten Marken und Unternehmen zählen unter anderem Linde, Henkel, Kühne+Nagel, die Postbank, REWE, die Stadt Hamburg und das Goethe Institut. Möller studierte Visuelle Kommunikation an der HfBK Braunschweig und arbeitet seit 1992 bei der Peter Schmidt Group, darunter von 1999 bis 2003 als Geschäftsführer.