
Kommentar zum NetzDG:
Der nächste anti-digitale Wahnsinn
W&V-Digital-Chefredakteur Holger Schellkopf rechnet mit dem umstrittenen "Facebook-Gesetz" ab.

Foto: W&V
Sie haben es also wirklich schon wieder getan. Eine gute Woche, nachdem der Bundestag den Staatstrojaner auf die Reise geschickt hat, wurde mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz der nächste anti-digitale Wahnsinn von der Koalition durchgeprügelt. Wenn der Staatstrojaner, wie von Heribert Prantl in der "SZ" kommentiert, ein Einbruch in das Grundrecht ist, dann gilt dies im Endeffekt wohl genauso in diesem Fall. Mindestens aber ist das NetzDG geeignet, um hinter Meinungsfreiheit und Rechtssystem ein dickes Fragezeichen zu setzen. Man muss sich tatsächlich fragen, ob Justizminister Maas und seine Kollegen es einfach nicht besser wissen, oder ob es ihnen für den vermeintlichen Ruhm, gegen Hass-Kommentare vorzugehen, schlichtweg egal ist, welche Konsequenzen daraus folgen können.
Ein wenig verkürzt ausgedrückt macht dieses Gesetz Facebook und andere Plattformen zu den Richtern ihrer selbst, eine Teilprivatisierung der Rechtsprechung quasi. Die sozialen Medien sollen entscheiden, was in Ordnung ist und was nicht – garniert von der Bedrohung durch horrende Strafgelder. Keine Frage, Verantwortung ist notwendig - aber nicht an der komplett falschen Stelle.
Manchmal hilft es ja, digitale Themen in die analoge Welt zu übersetzen, also vielleicht auch hier. Es ist ja immer die Rede vom digitalen Stammtisch Social Media. Nehmen wir also mal dieses Bild, auch wenn gerade Facebook wohl eher ein Festzelt ist oder ein Stadion. Wenn aber an so einem Stammtisch oder im Festzelt jemand dumme Nazi-Sprüche klopft oder sonst strafrechtlich relevante Dinge erzählt, dann wird dafür sinnvollerweise zunächst mal nicht der Wirt bestraft. Diesem Wirt ist auch nicht gesetzlich vorgeschrieben, er müsse kontrollieren, was die Leute an seinen Tischen reden. Aber, und damit kommen wir zum Thema Verantwortung, wenn jemand zum Wirt oder zum Sicherheitsdienst etc. geht und genau so eine Geschichte meldet (oder eine Handgreiflichkeit usw.), dann muss er eingreifen, sonst bekommt er ein Problem.
Genau diese Mechanik sollte auch bei den sozialen Medien greifen und ja, da ist aktuell leider noch jede Menge Luft nach oben. Bedauerlicherweise ist das Gesetz aber gerade in dieser Hinsicht handwerklicher und inhaltlicher Unsinn. Stattdessen wird es dafür sorgen, dass die Anbieter im Zweifel auch Beiträge löschen, die keinerlei strafbare Aspekte haben – schlichtweg, um der Gefahr zu entgehen, dafür haftbar gemacht zu werden – oder um eigene geschäftliche Interessen zu verfolgen.
Das kann Posts von normalen Nutzern ebenso treffen wie Social-Media-Kampagnen von Unternehmen, die möglicherweise mit etwas ungewöhnlichen Motiven arbeiten. Unter dem Strich öffnet dieses Gesetz der Willkür Tür und Tor. Es ist einmal mehr ein Gesetz, das beweist, wie wenig diese Bundesregierung mit digitalen Themen umgehen kann. Es ist ein Gesetz, gegen das gerade die Kreativen aus der Werbe- und Marketingbranche auf die Barrikaden gehen müssten.