Der ewige Thommy – warum Gottschalk bei RTL scheitern wird
Thomas Gottschalk will zurück auf die große Primetime-Bühne. RTL gibt ihm die Chance. Es ist die letzte, denn nicht Gottschalk wird profitieren - sondern allein RTL.
Nein, einfach ist das bestimmt nicht. Einzusehen, dass es Zeit ist aufzuhören. Weil es sonst peinlich wird. Weil sonst das letzte Fünkchen Glaubhaftigkeit verloren geht. Thomas Gottschalk fehlt es an dieser Einsicht. Er, der Show-Titan, der sich mit 62 Jahren immer noch die blonden Rest-Locken aufdreht und den Verzehr von Jogi-Bussis empfiehlt, will nach seinem Quotentod am ARD-Vorabend wieder auf die große Bühne in der Samstags-Primetime. Weil ihn das Publikum dort sehen will – glaubt er. RTL bietet dem ewigen Thommy mit einem Jury-Sitz in der Casting-Show "Das Supertalent" die Chance dazu.
Gottschalk geht zu RTL – das ist in der vergangenen Woche medial zur TV-Sensation stilisiert worden. Auf den ersten Blick ist es ja auch eine Win-Win-Situation. Gottschalk gewinnt, weil er sich in ein gemachtes Nest setzen und auf Anhieb wieder ein Mainstream Massenpublikum erreichen wird. Bei durchschnittlich 31 Prozent lag der Marktanteil der letzten Supertalent-Staffel bei den Werberelevanten. Und RTL gewinnt, weil Gottschalk ein wichtiger Faktor einer Neuausrichtung ist, die derzeit offenbar ihren Anfang nimmt. "RTL ist lange Zeit gut mit der Strategie gefahren, lauter als die anderen Sender zu sein. Aber irgendwann wird das Publikum taub", sagt Christoph Schwab, Head of Research der Berliner Goldmedia Custom Research. "Insofern ist es richtig, in Zukunft stärker auch auf andere Sender-Stärken wie die Nähe zum Publikum zu bauen." Und dafür steht kein anderer Moderator mehr als Schlossbesitzer Gottschalk: Er wird immer noch als einer zum Anfassen wahrgenommen. Der nette Fernsehonkel, der zwar oft zotig, aber doch immer irgendwie anständig ist.
Genau daran aber wird die Ehe Gottschalk-RTL scheitern. Das öffentlich-rechtliche Anstands-Gesicht und der private Quoten-Krawall á la Mit-Juror Dieter Bohlen – diese Gegensätze haben einen gewissen Anfangsreiz, ja. Eine Chance auf ein Happy End gibt es aber nicht. Und am Ende wird allein Gottschalk der Verlierer sein. "Hier demontiert sich Deutschlands größte Moderatoren-Marke selbst – und das mit atemberaubender Geschwindigkeit", sagt Jan Pechmann, Geschäftsführer der Strategie- und Markenberatungsagentur diffferent. "Gottschalk muss jetzt eine ganz erhebliche Anpassungsleistung vollbringen und sich mit der Marke RTL synchronisieren", so Pechmann. Und weil RTL eine so effiziente Medienmarke sei, werde Gottschalk schnell zu spüren bekommen, dass für Star-Allüren kein Platz ist. Es sei denn, sie seien gerade relevant für die Format-PR. Siehe: die "Bild"-Schlagzeilen der letzten Tage. An einem Tag wird gemutmaßt, Bohlen schmeiße wegen Gottschalk hin, am anderen meldet er sich mit einem Dementi zu Wort. "Bild" ist Teil der Inszenierungs- und Vermarktungsmaschine. "Bei RTL haben sich alle unterzuordnen. Das gilt in Wahrheit auch für Dieter Bohlen. Da muss Gottschalk erst einmal runter vom hohen Ross des Show-Titanen", ist sich der diffferent-Chef sicher.
Konkret heißt das: Gottschalk bleibt künftig nichts anderes übrig, als ob er unter Penis-Malern oder Möchtegern-Musikern ernsthaft "Talent" entdecken will. Er, der zu ZDF-Zeiten gern und oft gegen solch eine Art von Unterhaltung gewettert hat. Glaubhaft macht ihn das nicht. "Und mangelnde Authentizität nimmt einem das Publikum schnell krumm. Insofern muss das Supertalent gottschalkiger werden", sagt Goldmedia-Forscher Schwab. Alle Beteiligten werden deshalb gerade auch nicht müde zu betonen, dass Das Supertalent mit Gottschalk keine Freak-Show mehr sein werde. Aber: "Für die Quote sind ja leider eben die schrägen Charaktere wichtig, daher wird auch die kommende Staffel nicht ohne die gewohnte Mischung des Casts ausgestrahlt werden", glaubt Jörg Balensiefer, Director TV Forecast & Services der Omnicom Media Group Germany. Ein Gottschalk allein macht eben noch keine Quote. Und nachdem die in der vergangenen Staffel etwas gelitten hat, geht es allein darum, sie wieder zu steigern. Gerade auch, weil die Werbeblöcke laut Omnicom-Mann Balensiefer 2011 "etwas schlechter ausgebucht" gewesen seien als noch im Vorjahr. Wenn sich das mit Gottschalk nicht ändert - dann beim nächsten Mal halt wieder ohne ihn.