Monsters of Content Marketing:
Definizilla oder warum zu enge Raster dem Content Marketing nur schaden
Bernd Krämer, Geschäftsführer von Cream Colored Ponies, stellt in der Reihe "Monsters of Content Marketing" die größten Hürden-Monster des Content Marketing vor. Heute: Definizilla.
Die Zielgruppe rüstet auf. Sie zäunt Rechner und Smartphones mit Adblocker-Stacheldraht ein, um unerwünschte Werbeangriffe abzuwehren. Auch die großen Internet-Player wie Google, Amazon oder Facebook erweitern ihr Arsenal, stärken ihre Macht als Gatekeeper und schneiden Marken und Handel den direkten Zugang zur Zielgruppe ab.
In diesem Krieg müssen sich Marken einen neuen Weg zu den Nutzern bahnen, damit sie nicht von Adblockern abgefangen oder zum Opfer der Algorithmen der Big Player werden. Ihnen bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder machen Marken ihre Produkte so perfekt oder günstig, dass sie zwangsläufig von Google, Amazon & Co. empfohlen werden. Oder sie müssen ihre Kommunikation so interessant und wertvoll gestalten, dass sich die Zielgruppe freiwillig mit ihnen und den Produkten beschäftigt.
Mit dem Ziel, die Kommunikation ihrer Auftraggeber interessanter zu machen, sind fast alle Agentur-Typen in den vergangenen drei Jahren ins Content-Marketing eingestiegen – egal, ob Werbe-, Social-Media-, PR-, Suchmaschinen-Agentur oder Corporate-Publisher. Damit helfen sie aber nicht nur. Sie sorgen auch für reichlich Verwirrung, denn jeder Player hat seine eigene Definition von "Content Marketing".
Einige dieser Definitionen sind gut und praxistauglich. Andere sind theoretisch. Und manche sogar echte Show-Stopper – sie verhindern den Erfolg von Content-Marketing.
Mit der falschen Definition wird Content-Marketing zur Geldverbrennungsmaschine.
Exakt definiert. Präzise abgegrenzt. So mögen wir Deutschen das. Die Abgrenzung von Content-Marketing sorgt aber oft für Probleme. Ein Beispiel: Wer für das vielversprechende, neue "Content Marketing" ein Team aufbauen möchte, muss es von bereits bestehenden Abteilungen der Marketing-Organisation abgrenzen. Heißt: Das neue Team braucht Ziele, die noch nicht von anderen Teams bearbeitet werden.
Welches Ziel bleibt in so einem Fall aber für Content Marketing? Markenkommunikation? Nein, das ist meist schon Aufgabe der Werbeabteilung. Produktkommunikation? Auch schon weg. Kundenbindung? Vergeben. Durch den Abgrenzungsfleiß bleiben fürs Content Marketing oft nur klägliche Reste des Zielkatalogs. Mit ebenso kläglichem ROI.
Ein Beispiel aus eigener Erfahrung: Ein Neukunde kam zu uns. Er brauchte "Content Marketing" und wir begannen, seinen Website-Content auf links zu drehen, denn seine Website hatte ein Reichweiten- und Konvertierungs-Problem.
Wir taten zunächst das, was wir in unserem Verständnis von "Content Marketing" immer tun. Wir fragten uns: "Was will die Zielgruppe wissen?" und führten deshalb eine Google-Analyse durch. Mit den gewonnenen Insights machten wir uns daran, die Produktinhalte der Website so umzuschreiben, dass sie exakt die Fragen der Zielgruppe auf ihrem Weg zur Kaufentscheidung beantworteten. So wollten wir sicherstellen, dass Suchmaschinen-Reichweite und Abschlussrate steigen.
Dann, plötzlich: ein Projektstopp. Von höherer Stelle auf Kundenseite hieß es: "Das ist kein Content Marketing." Man habe Lifestyle-Inhalte rund um Rotwein, Golf und Segeln erwartet – die Zielgruppe sei schließlich wohlhabend. Was wir machen sei Produkt-Content. Also nur "Online-Marketing", aber definitiv kein "Content Marketing".
Was ist schief gegangen? In diesem Moment prallten zwei völlig verschiedene Definitionen von Content Marketing aufeinander.
Auf der einen Seite die Definition unseres Kunden, der Content Marketing als "Kanal" begreift und nicht übers Produkt sprechen will, weil er der Werbeabteilung nicht in die Quere kommen möchte.
Auf der anderen Seite unsere Definition, die Content Marketing nicht als Kanal, sondern als Strategie versteht: Man kommuniziert effizienter, wenn man dem Interesse der Zielgruppe gerecht wird – und zwar ganz gleich, ob es dabei um Produkt- oder Lifestyle-Themen geht.
Dieses Missverständnis ist kein Einzelfall: Solche von Abgrenzung getriebenen Definitionen trifft man oft. Selbst auf Wikipedia. Dort steht, dass Content Marketing "im Gegensatz zu werbenden Techniken […] nicht die positive Darstellung des eigenen Unternehmens mit seinen Produkten in den Mittelpunkt" stellt.
Wofür soll sich ein Unternehmen aber sonst einsetzen, wenn nicht für die eigenen Produkte und die eigene Marke? Und was ist falsch daran, diese Inhalte in den Mittelpunkt zu stellen? Absolut gar nichts. So lange man eine Bedingung erfüllt: Die Zielgruppe nicht nerven.
Deshalb: Schluss mit der Abgrenzung. Marken sollten statt dessen lieber in eine Friedensmission in Richtung Zielgruppe ziehen, und ihre Kommunikation auf allen Kanälen so gestalten, dass sich die Zielgruppe freiwillig und gerne damit beschäftigt. Peace.
Die 2010 von Bernd Krämer in Hamburg gegründete Agentur Cream Colored Ponies begleitet und berät Marken auf ihrem Weg vom Werbungtreibenden zum Medium. Mit disziplinübergreifenden Teams aus Kreativ-, SEO-, Social Media- und weiteren digitalen Spezialisten entwickelt Cream Colored Ponies datengetriebene Content-Strategien und kreatives Content-Marketing für Kunden wie Entega, Red Bull und Tesa. Krämer war zuvor bei Jung von Matt und heimste zahlreiche Auszeichnungen wie Cannes-Löwen und D&AD Pencils ein.