Das neue Mediationsgesetz: die Suche nach der Schnittmenge
Nicht mehr Prozess und Urteil, sondern Mediation soll künftig in Deutschland vermehrt für Rechtsfrieden sorgen. Die Anhänger des Mediationsgesetzes sind sich sicher, dass damit die Streitkultur verändert wird. Ob dies auch für die Kommunikationsbranche zutrifft, erklärt im Interview der Münchner Experte Rupert von Katzler.
Mit dem „Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“, das noch in diesem Jahr in Kraft treten soll, schlägt der Bundestag ein neues Kapitel in der deutschen Rechtsgeschichte auf: Die Politiker setzen auf Friedensschlüsse der Kontrahenten statt auf kämpferische Auseinandersetzungen. Diese wird es dennoch nach wie vor geben, die Gerichte werden nicht abgeschafft. Kommt es zum gerichtlichen Verfahren, muss künftig in der Klageschrift angegeben werden, ob eine Mediation stattfand.
Damit sollen Bürger und Anwälte für die Möglichkeiten einer außergerichtlichen Problemlösung sensibilisiert werden. Aber auch im Prozess selbst haben die Parteien die Chancen, noch auf die (kostengünstigere und meist schnellere) Mediation zurückzugreifen, wenn ihnen der Richter ein solches Verfahren vorschlägt.
Zum Procedere gehört auch der Mediationsvertrag, in dem verbindlich festgelegt ist, dass alles, was in einer Mediation zu Tage kommt, in anderen Verfahren nicht eingesetzt werden kann. Der Mediator ist „allen Parteien gleichermaßen verpflichtet“. Mit der unter seiner Leitung von den beiden Kontrahenten selbst erarbeiteten Lösung – kein Urteil – lässt sich juristisch ebenfalls etwas anfangen: Es kann – wie ein Urteil – vom Gericht oder dem Notar als Titel für „vollstreckbar“ erklärt werden.
Für die deutsche Werbe- und Kommunikationswirtschaft ist die Mediation nur zum Teil eine Option. Die Zentrale zur Bekämpfung des Unlauteren Wettbewerbs beispielsweise kann über die Abmahnung Konflikte im Vorfeld klären, während der Deutsche Werberat zwischen werbenden Unternehmen und Konsumenten vermittelt. „Man sollte von oben nur regeln, was unten nicht funktioniert“, lautet denn auch das Credo von Volker Nickel. Der ZAW-Geschäftsführer setzt in einem Fall dennoch auf die juristische Lösung - die vergleichende Werbung, wie sie von der EU-Kommission geduldet wird. Nickel: „Wir hoffen auf viele rechtliche Entscheidungen, damit sich hier mal der Nebel endlich lichtet.“
Zum Mediator sind viele geeignet, ein Anwalt, ein Richter oder ein sonstiger Experte. Er fällt kein Urteil, sondern „versucht die Schnittmenge der Parteien auszuloten, um auf dieser Basis die Chancen für eine außergerichtliche Lösung des Problems zu finden“, wie der Münchner Mediator und Anwalt Rupert von Katzler das Procedere im Interview erklärt:
Herr von Katzler, mit einem Mediationsverfahren wäre der Konflikt Kirch/Deutsche Bank schon längst aus der Welt?
Ganz bestimmt nicht, denn es liegt immer an den Parteien, ob es zu einer Mediation kommt oder nicht. In diesem Fall hätte eine Konfliktlösung via Mediation von wohl keine Chance gehabt.
Weil Leo Kirch sie gar nicht wollte...
Wie es um Herrn Breuer steht, weiß ich nicht, aber bei Herrn Kirch ist es doch wohl eher so, dass er mit dem Prozess lediglich davon ablenken will, dass er mit seiner Firma pleite gegangen ist.
Wo läge denn der Vorteil – sagen wir mal für Herrn Kirch – wenn er sich in die Mediation statt vor das Münchner Landgericht begeben hätte?
Kirch will Öffentlichkeit, weil er glaubt oder glauben machen will, dass Breuer an seiner Pleite schuld ist. Deshalb ist Mediation für ihn nicht geeignet. Der Vorteil von Mediation ist ja gerade, dass die Konflikte nicht vor laufenden Kameras und Mikrofonen stattfinden, eine Mediation ist eine reine Privatveranstaltung, die ihre ganz besondere Qualität auch durch den Mediationsvertrag erhält, in dem verbindlich festgeschrieben, dass nichts, was in dieser Mediation bekannt wird, in einem anderen Verfahren – egal welcher Art – eingesetzt werden kann.
Gilt das auch für den Fall einer missglückten Firmenübernahme?
Natürlich. Gerade solche Fälle eignen sich besonders für Mediation, weil es hier in der Regel um sensible Daten geht, die nicht an die große Glocke gehängt werden sollen; die Mediation stellt sicher, dass der Konflikt unter Ausschluss der Öffentlichkeit beigelegt werden kann.
Das heißt, dass der Schutzraum der Vertraulichkeit auch die Chance für einen Neustart gibt?
Auf jedem Fall. Es ist ja auch nicht so, dass mit der Beendigung eines Streites das Leben enden würde. Manchmal ist es auch der Fall, dass die Beteiligten nach dem Streit vielleicht noch zusammenarbeiten wollen oder müssen. Und außerdem: Wie oft stimmt der Satz, dass man sich im Leben immer zwei Mal trifft? Man sollte sich nicht täuschen: Mediation besitzt in unserem System – auch wenn der Bundestag erst jetzt verbindliche Spielregeln aufstellt – schon eine gewisse Tradition. Sie wird öfter genutzt als wir alle denken. Bei den großen Konflikten in der Wirtschaft, von denen wir überhaupt nichts hören, wo es um 50, 100 und mehr Millionen geht, ist sie an der Tagesordnung, zumindest wird über sie als Problemlöser sehr, sehr häufig nachgedacht.
Hat man da Zahlen?
Ich kann da nur ein Beispiel anbringen: Bei der ICC (International Chamber of Commerce) lag im Jahr 2008 der durchschnittliche Streitwert bei Mediationsverfahren bei über 55 Millionen Euro, während er bei den ICC-Schiedsverfahren lediglich bei zehn Millionen Euro lag.
„Vertraulichkeit“ heißt natürlich auch „Gesichtswahrung“.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Mediation bedeutet die Herstellung einer „win-win“-Situation, der „Kuchen“ wird vergrößert – es gibt in aller Regel nicht das Nullsummenspiel, bei dem einer gewinnt und der andere verliert.
Wenn Sie statt auf Prozesse auf Mediation setzen – graben Sie sich damit nicht das Wasser ab, denn Prozesse bedeutet ja auch Medienrummel und fette Honorare?
Das ist ein Irrglauben. Es geht allein um die Frage, welche Streitkultur haben wir: Will ich dem anderen eins über die Rübe ziehen oder will ich in konstruktiven Gesprächen eine sinnvolle und vor allem dauerhafte Lösung herbeiführen? Um nichts anderes geht es.