Startup-Kolumne::
Das geht viral: Covid-19 erklärt das Startup-Phänomen
Was hat der Coronavirus mit dem exponentiellen Wachstum von Startups zu tun? Und was ist daran gut? Diese Fragen beantworten Nico Lumma und Christoph Hüning vom Next Media Accelerator bei W&V.
Deutschland ist fest in der Hand des Coronavirus aka Covid-19 und wenn alles so läuft, wie es sich die Panikmacher in ihren kühnsten Träumen vorstellen, dann werden viele Menschen in Deutschland endlich mal verstehen, was exponentielles Wachstum bedeutet. Das ist gut für die Startup-Branche, so bizarr das jetzt auch klingen mag, denn bislang hadern wir Menschen damit, zu verstehen, wie exponentielles Wachstum aussieht und was für Auswirkungen Viralität haben kann. Auch wenn es seit Ende der 90er Jahre Tech-Startups in Deutschland gibt, verstehen immer noch zu wenig Menschen, wie das Wachstum aussieht und warum es sich von herkömmlichen Firmen unterscheidet.
Nach unserer Definition von Startups haben diese immer einen Kern, der auf Technologie basiert und schnelleres Wachstum ermöglicht, weil viele Prozesse eben nicht von Menschen, sondern von der Maschine und ihren Algorithmen durchgeführt werden. Dadurch haben Tech-Startups, wenn alles gut läuft, immer eine ähnliche Verlaufskurve: Erst wird in die Entwicklung der Technologie investiert, dann werden Kunden gewonnen und ab einem bestimmten Punkt X treten Skaleneffekte auf, die dafür sorgen, dass die Grenzkosten abnehmen, das Startup wächst und gedeiht und das auf Technologie basierende Geschäftsmodell seine Vorteile ausspielen kann. Am Anfang sieht das Wachstum aber oftmals weitaus schlechter als zum Beispiel das einer Agentur aus, da lineares Wachstum auch ohne große Investitionen in Technologie erfolgen kann. Sobald dann aber die Skaleneffekte greifen, weil Kunden über Lock-in Effekte gehalten werden oder weil Kunden andere Kunden ebenfalls vom Produkt überzeugen, dann greift das exponentielle Wachstum. Für jeden verkauften Beratertag muss die Agentur einen Berater*innentag als Kapazität vorhalten, für jedes verkaufte Auto muss ein Auto gebaut werden. Aber eine stabile SaaS-Lösung kann ohne zusätzliche Kosten quasi beliebig oft verkauft und auch genutzt werden.
Auf dem Weg dahin wachsen die meisten Startups also erstmal kaum, machen Verluste, da sie in die Technologie investieren, machen dann noch mehr Miese, um die ersten Kunden zu erreichen, werden dabei gerne belächelt, so lange bis - plopp - das Wachstum anzieht und der monatliche Umsatz sprunghaft nach oben schnellt. Das ist dann der Moment, an dem sich etablierte Marktteilnehmer am Kopf kratzen, weil sie bislang das Startup nur belächelt haben und sich nicht vorstellen konnten, dass hier eine ernsthafte Konkurrenz entstehen könnte oder es gar nicht erst wahrgenommen haben.
So geht es uns auch gerade mit Covid-19. Denn im Vergleich zu der guten alte Influenza-Grippe mit aktuell 95.000 Infizierten in Deutschland, sieht Corona, oder wie Fachleute sagen: Covid-19, mit derzeit ein paar hundert Infizierten in Deutschland echt mickrig aus. Wir können uns dabei nicht vorstellen, was es bedeutet, wenn 1 Infizierter im Durchschnitt 2,3 Menschen anstecken kann und jeder davon wiederum 2,3. Wir können bevorzugt linear denken, aber dass von 200 auf 400 eine Verdoppelung darstellt, die dann auf 800 springt und schon 7 Tage später bei über 100.000 Fällen liegen kann, das können wir uns nicht vorstellen.
Und so hat selbst der Coronavirus sein Gutes: Wir fangen an, exponentielles Wachstum zu begreifen. Gründer*innen von Startups werden dankbar sein, denn in Zukunft können sie einfach sagen: "Wir wachsen wie Covid-19!" wenn sie nach ihrer Wachstumsprognose gefragt werden.