Auf Unternehmensseite muss gleichzeitig eine Bereitschaft gegeben sein, die eigene Kommunikation und das Marketing soweit zu öffnen, dass Influencer nicht nur reines Werbetabloid werden, sondern die Ideen der Influencer und Insights in deren Zielgruppe aktiv genutzt werden. Und zwar nicht nur in der Strategiephase, sondern auch in der nachgelagerten Analyse. Sonst bleibt es traditionelles, unidirektionales Oldschool-Marketing, trotz neuer Kanäle.

Sie haben eine "Scorecard" entwickelt, um diesen Prozess zu unterstützen. Könnten Sie ein paar Einblicke geben, mit welchen Daten Sie einen Influencer "in seine Einzelteile zerlegen"?

Wir empfehlen jedem Kunden, sich von den sogenannten "Vanity Metrics" zu lösen und sich mit uns stattdessen die wirklich wichtigen Faktoren anzuschauen. Unsere 70 bis 80 Indizes, die in eine Scorecard einfließen, sind eine Mischung aus toolbasierten, datengestützten Analytics und Qualitätsaspekten, die ein Influencer auf seinen Kanälen erfüllen muss. Für die quantitativen Daten ist nicht nur die jeweilige Like-Zahl entscheidend, vielmehr die Faktoren Interaktionsrate, Posthäufigkeit, Reichweite der Satelliten-Kanäle, Website-Traffic, Backlinks, Auffindbarkeit im Netz, Sponsoreneinbindung.

Die qualitativen Aspekte beurteilen unsere erfahrenen Analysten und bewerten diese auf einer vorher definierten Skala. Da ist die thematische Meinungsführerschaft genauso ein wichtiger Faktor wie Demografien. Auch der Umgang mit Werbekennzeichnungen ist ein Kriterium, das von uns miteinbezogen wird.

In der derzeitigen Qualitätsdiskussion: Gewinnen Daten nun mehr an Relevanz, weil sie eben weg von Subjektivität gehen? Oder ist es nicht eher so, dass man, um die Qualität von Kampagnen und Inhalten zu erhöhen, sich von automatisierten Systemen und Algorithmen lösen muss?

Daten und Subjektivität müssen sinnvoll kombiniert werden. Rein aus dem Bauch heraus entscheidet man zwar, was einem selbst gefällt, aber nicht unbedingt, was die eigene Zielgruppe schätzt. Das kann gutgehen, muss es aber nicht. Und die Kehrseite der Medaille, sich rein auf einen Algorithmus zu konzentrieren, wäre ebenso falsch. Gerade bei der Arbeit mit Influencern befürworten wir eine individuelle und vor allem empathische Analyse, die mehr in Richtung Qualität schaut. Die richtigen KPIs helfen, den eingeschlagenen Kurs im Blick zu halten.

Welche Lehren ziehen Sie aus dem Einsatz Ihrer Tools?

Dass es unter Umständen viel zielführender ist, sich mit Micro-Influencern auseinanderzusetzen, statt ausschließlich kurzfristige Aktionen mit hochpreisigen Macro-Influencern oder Celebrities anzuzetteln. Das Fan-Engagement von Micro-Influencern, die im selben Segment wie die Marke unterwegs und dort bereits als Experten verortet sind, ist teils um ein Vielfaches höher und der ROI deutlich besser.

Mehr zum Thema Messbarkeit und Werbewirkung von Influencer-Marketing lesen Sie in W&V 32/17. Hier können Sie das Einzelheft bestellen.

In unserem Online-Dossier finden Sie einen Überblick über Dos und Dont's.


Autor: Moritz Meyer

Moritz Meyer (Jg. 1981) schreibt hauptsächlich über Online-Video und den digitalen Wandel. Er war schon so häufig im Internet, dass er aus Versehen mal in einem Video von Y-Titty gelandet ist. Wenn er nicht auf Burgen lebt, trifft man ihn meist in Köln. Fun Fact: Liest immer noch Comics von den Teenage Mutant Ninja Turtles.